CXIII.

[240] [Rand: Alaim.] Ebulkassem Ali Ben Mohammed Es-sehebi, der berühmte Geschichtschreiber, erzählt:

Mohammed, der Sohn Abdallahs, der Sohn Zaher's, sah auf der Pilgrimschaft zu Mekka eine schöne Sklavin, von der man ihm sagte, daß sie einem sehr gebildeten und wohlhabenden Manne gehöre. Er kaufte sie um hundert tausend Silberstücke und brachte sie nach Bagdad, wo er sie aber sehr geheim hielt, aus Furcht, der Chalife (Almotewekil regierte damals) möchte davon hören, und sie ihm wegnehmen.

Soweid Ebil-alije, der dieselbe zu Gesicht bekam, verliebte sich auf der Stelle, und da er kein anderes[240] Mittel ausfindig zu machen wußte, zu ihrem Besitze zu gelangen, so schrieb er an den Chalifen:


»Im Namen Gottes, des Allerbarmenden, des Allgütigen!


Mohammed, der Sohn Abdollahs, hat eine Sklavin um hundert tausend Dirhem gekauft, in die er so närrisch verliebt ist, daß er darüber die Geschäfte des Kanzleramtes und der Rechtgläubigen vernachläßiget. Die Ruhe Bagdads wird hierdurch bedrohet, und der Fürst der Rechtgläubigen dürfte bey seiner Rückkunst genug zu thun haben, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Dein treuer Diener und Mameluk, o Herr, legt diese Anzeige vertrauungsvoll in deine Hände, und erflehet Gottes Segen über Dich!«

Motewekel las den Brief, und befahl Redsches, seinem vertrauten Diener, sich sogleich zu Mohammed, dem Sohne Abdollahs, zu verfügen, denselben zu überraschen, und die beschriebene Sklavin wegzunehmen. Redsches machte sich auf den Weg, betrat das Haus Mohammeds, und drang, ohne sich ansagen zu lassen, bis in den Harem vor, wo er denselben in den Armen der schönen Sklavin überraschte, und nicht eher bemerkt ward, als bis er vor ihm stand. Mohammed, der Sohn Abdollah's, schauderte zusammen. Er wußte, daß Redsches nur auf des Chalifen ausdrücklichen Befehl sich solche Freyheit erlauben konnte. Redsches, rief er ihn an, der heutige[241] Tag, wie ich sehe, bringt mir nichts des Guten und viel des Schlimmen. Setze dich. Für meines Gleichen ist die Ehre mit dir zu sitzen zu groß, antwortete Redsches, ich stehe hier, um des Chalifen Befehle zu vollziehen: überantworte deine Sklavin meinen Händen. Mohammed und die Sklavin umarmten sich mit dem Ausdrucke der höchsten Leidenschaft, sie weinten und rangen die Hände.

O Gott! rief Mohammed, hätte der Chalife mir alles genommen, Ehren und Würden und Reichthümer, und nur dich mir gelassen, so wäre ich der Glücklichste der Menschen! aber es ist der Wille des Schicksals, wer vermag demselben entgegen zu stehen? Redsches, nimm sie und führe sie zum Chalifen, und erzähle, was du gesehn von der Heftigkeit unserer Liebe, und sprich, wie es edelem Sinne geziemt.

Redsches nahm sie weg, und brachte sie hinter sich auf seinem Maulthiere vor den Chalifen. Er erzählte, was er gesehn von der Heftigkeit ihrer Liebe, und der Chalife ward gerührt. Er befahl seinem Diener die Sklavin zurückzuführen, mit einem Geschenke von hundert tausend Silberstücken und einem offnen Briefe, wodurch Mohammed, der Sohn Abdollahs, volle Freyheit erhielt, seinem Ankläger Soweid nach Belieben zu behandeln. Redsches fand den Sohn Abdollahs wie von Sinnen. Er händigte ihm die Sklavin und den Brief ein. Mohammed wachte wieder zum Leben auf, und bewies sich eben so großmüthig[242] gegen seinen Ankläger, als dieser sich niederträchtig erzeigt hatte. Er verzieh ihm, und überhäufte ihn mit Geschenken.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 240-243.
Lizenz:
Kategorien: