CXXV.

[256] [Rand: Dschami. 292.] Asaded-dewlet erhielt vom chinesischen Kaiser eine Sklavin zum Geschenke, die ihn durch leidenschaftliche Liebe bald so sehr beherrschte, daß er der Regierungsgeschäfte vergaß. In einem Augenblick, wo sein Pflichtgefühl erwachte, wollte er die Sklavin entfernen, aber er fühlte, es sey ihm unmöglich, sich von ihr zu reißen, so lang sie lebte. Er befahl, daß man sie in den Tigris werfe. Mit dem nächsten Morgen kam die Reue, der Vollstrecker des Urtheils sollte der Sklavin folgen, allein er hatte sie, und mit ihr sein Leben, gerettet. Nun gieng es im Alten, die Leidenschaft brannte heftiger als jemals, die Regierungsgeschäfte wurden vernachläßigt, das Volk schrie laut wider Asaded-dewlet. Da entstand ein fürchterlicher Kampf in seiner Seele zwischen Liebe und Pflicht. Keiner seiner Untergebenen, das wußte er, würde das Todesurtheil vollziehen wollen, um nicht[256] das seinige zu verdienen. Er faßte den fürchterlichen Entschluß, selbst der Henker seiner Geliebten zu werden, und stürzte sie mit eigner Hand aus den Fenstern des Pallastes in die Fluthen des Tigris. Lange Zeit hernach blieb er eingeschlossen, von Schmerz und Reue gefoltert; die Reichsgeschäfte giengen ihren Gang fort, das Volk war zufrieden1.

1

Der türkische Geschichtensammler sah in diesem Zuge nichts als ein außerordentliches Beyspiel von Selbstbeherrschung, woran sich schwache Regenten erbauen könnten.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 256-257.
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