Elfte Geschichte

[9] geschah an einem Menschen, der hat ein Weib, die hat kein Finger an ihre Händ un der Mann hat an ihr nit angesehen, bis sie is gestorben. Da sagt Rabbi Jossef: »Wie eine Znue (Keusche) muß das Weib gewesen sein, daß der Mann an ihr niks gewußt hat bei ihrem Leben, daß sie kein Finger gehabt hat.« Da sagt Rabbi Chije wider Rabbi Jossef: »Nein, das is kein Keuschheit derhalben gewesen, daß sie sich zugedeckt hat gehabt, denn eine jegliche Frau ist der Seder (Sitte), daß sie sich zudeckt ihren bloßen Leib, mikolscheken (um wieviel mehr) die Frau, die hat sich müssen zudecken, wie hat es der Mann sollen sehn. Der Mann muß ein großer Zaddik gewesen sein, daß er bei ihrem Leben solches nit gewußt gehabt hat.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 9.
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