Vierunddreißigste Geschichte

[30] geschah: In der Zeit von Ketie bar Scholem, da war ein Kaiser, der war Jehudim (Juden) sehr feind. Da sprach der Kaiser wider seine Jauezim (Räte) un der Ketie war auch einer von sein Jauezim: »Welcher einen alten Schaden hat, un hat viel Fleisch drinnen wachsen: wie soll er ihm tun? Soll er das viele Fleisch herausschneiden, damit er gesund wird, oder soll er es bleiben lassen, un soll die Wehtag von dem alten Schaden leiden?« Das Moschel (Gleichnis) redet der Kaiser auf die Jehudim, denn er hätt sie gern bedrängt. Da sprach der Ketie wider den Kaiser: »Du kannst die Juden nit verderben oder vertreiben, denn es steht geschrieben, als die vier Winden der Welt hab' ich sie verspreit. Das meint, alsowenig die Welt besteht sonder Wind, alsowenig kann die Welt bestehen sonder Juden. Derhalben kannst du sie nit vertreiben. Und noch mehr, wenn du die Juden sollst verderben, wird man dich heißen mit deinem Malchus (Herrschaft) ein verschnitten Königreich.« Da sprach der Melech (König): »Du hast mir gar recht geantwortet, aber wer den König mit seiner Antwort übersiegt, wie du mich hast übersiegt, den wirft man in einen Ofen, der voll Sand is, daß er drinnen muß dersticken. Und nachdem du mich hast verschmäht, un du hast mich geheißen ein verschnitten Königreich, da kommt dir das Gericht zu.« Also nahm man ihn, un wollt ihn hinweg führen, daß man ihn in ein Haus voll Sand werfen sollt. Da sah ihn eine Fürstin von Rom, die sagt zu ihm, wie das Schiff, das ohne Meches (Zoll) geht. Das meint also: »Der Ketie, der will sich lassen töten von wegen den Juden halben, un du meinst auch dadurch Anteil an Aulom habo (Jener Welt) zu haben un du bist nit gejiddischt (beschnitten).« Ein Teil sagen, wie er das hört,[30] da schnitt er sich seine Mile selberst ab. Und ein Teil sagen, er fiel auf seine Mile un biß sich mit seinem Maul selbst ab, un sagt: »Ich hab Zoll gegeben.« Un wie man ihn wollt in das Haus voll Sand werfen, da schrie er: »All mein Mammon soll sein zu Rabbi Akiwe un zu seinen Chawerim (Gesellen).« Da kam ein Stimm vom Himmel un sagt: »Ketie bar Scholem is bereitet für Aulom habo (Jene Welt)«. Da Rabbi das hört, da hebt er an zu schreien un sagt: »Mancher tut viel Gutes all sein Lebtag un hat doch zu schicken genug, daß er Aulom habo hat, un mancher kauft sich den Anteil für Aulom habo in einer Stunde, alswie dieser Ketie Sohn Scholem, der hat in einer Stunde den Anteil für Aulom habo bekommen, weil er sein Geld hat vermacht Rabbi Akiwe un seinen Gesellen.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 30-31.
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