Dreiundfünfzigste Geschichte

[47] geschah: Er sagt Jauchenen, all die Tage von dem Zaddik (Frommen) Choni hamagel hat er sich mezaar gewesen (gekränkt) auf den Posuk (Vers), der in Thillim 126 steht1: »Ein Gesang der Staffeln. Wenn da Gott wird wieder bringen die Gefangenen von der Stadt Zion, da sind wir eben gewesen als wie Träumer.« Das meint damit: Das Goles (Verbannung) von Babel hat gewährt siebenzig Jahr. Un der Heilige, gelobt sei er, rechnet es gleich als wenn wir in einem Traum wären gewesen, un hätten geschlafen die siebenzig Jahr lang. Da sagt der Choni hamagel: »Gefind man denn einen Menschen, der da kann siebenzig Jahr in einem Stück schlafen? Das wär doch nit möglich.« Einmal auf einen Tag, da reitet der Choni hamagel auf einem Esel auf dem Feld. Da sah er dorten einen Mann, der (p)flanzt einen Buckshornbaum. Da fragt Choni hamagel den selbigen Mann, der den Baum pflanzt: »Lieber, sag mir, wie lang hat so ein Baum zu wachsen, den du jetzund geflanzt hast?« Da sagt er wider: »Siebzig Jahr hat er zu wachsen, eh er Frucht gibt.« Da sagt er wieder: »Lieber Sohn, is dir denn gewiß, daß du wirst noch siebzig Jahr leben, daß du von dem Baum wirst essen?« Da sagt der Mann wider: »Mein lieber Rabbi, ich hab die Welt mit einem Buckshornbaum gefunden, den nur mein Vater hat geflanzt, so will ich meinem Sohn auch einen Buckshornbaum pflanzen.« Da setzt sich der Choni hamagel nieder un eßt ein Stück Brot. Da kam ihm ein Schlaf an un der Zaddik (Fromme) schlaft ein. Da wachst um ihn herum ein Felsen, daß kein Mensch nit hat gewußt wo er hinkommen is. Un er schluft so siebenzig Jahr. Wie er nun wieder aufwacht, da sah er, wie ein Mann den Buckshornbaum abschüttelt un lest die Früchte wieder von der Erden auf un eßt sie. Da frägt der Choni hamagel: »Bist du der Mann, der den Baum geflanzt hat?« Da sagt der Mann: »Nein, ich bin nit derselbige Mann, aber derselbigen Mann sein Enekel (Enkel) bin ich.« Da sagt Choni hamagel: »Nun hör ich wol, daß ich siebenzig Jahr geschlafen hab.« Da sah er nach seinem Esel. Der hatt viel junge Eseln gewonnen (geboren) derweil er geschlafen hat. Wol drei oder viermal, daß die Esels alle weiter gewonnen haben, in den selbigen Jahren. Da ging der Choni hamagel heim in sein Haus un sagt wider sein Gesind: »Ihr liebe Leut, lebt Choni hamagel sein Sohn noch?« Da sagten die Leut: »Nein, sein Sohn lebt nit, aber sein Enekel lebt noch.« Da sagt er wieder: »Ich bin Choni hamagel.« Da wollten ihm die Leut nit glauben, denn sie meinten er wär lang tot. Da ging der Choni hamagel in das Bethhamidrasch (Lehrhaus) un darscht (lernt). Da hört er, wie die Rabbonim wider einander sagen: »Die[48] dasige Haloche (Auslegung) is ebenso wie wenn sie wär in den Jahren von Choni hamagel gelernt worden. Denn der Choni hamagel der hat so gar wol gelernt. Denn wenn er in das Bethhamidrasch kam, alle die Kasches (Fragen) die man ihn gefragt hat, die war er metarez (hat er beschieden).« Da er das hört, da sprach er: »Ich bin Choni hamagel.« Da wollten ihm die Rabbonim nit glauben, denn sie meinten er wär vor langer Zeit gestorben. Denn sie wußten niks von seinem Schlaf un sie ehrten ihn nit, gleichwie er wol wert wär gewesen. Da war er schwach geworden. Da tät er Tefille (betete), daß er sterben sollt. Un in einer kurzen Zeit dernach da starb er. Drauf sagt Rowe: »Das is das Sprichwort von den Leuten, das meint, wenn einer die Nächsten nit ehrt, gleich wie den Ersten, so war es besser für ihn, daß er tot wär, wie auch das Sprichwort geht: Entweder Geselle, oder tot.«

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Schir hamalus beschuw Adaunai es schiwas Zion etc.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 47-49.
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