Wie unser Esel

[116] Ein junges Mädchen verheiratete sich. Am anderen Morgen sucht ihre Mutter sie mehr aus Neugierde auf, als um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.

Fragte die Alte sie: »Nun sag, bist du mit deinem Manne zufrieden?«

»S'ist ein guter Junge und ist sehr liebenswert,«

»Das, das weiß ich. Auch rede ich von anderen Dingen mit dir. Hast du die Nacht gut verbracht?«

»Ich habe nicht gar viel geschlafen!«

»Das ist gewöhnlich so. Na, endlich weißt du nun, weshalb man sich verheiratet. Nun denn, hat dir dein Mann viel Vergnügen bereitet? Wievielmal hat er denn das Spiel mit dir gespielt?«

»Vergnügen? Er hat's wohl gehabt. Und es sich auch fünf- oder sechsmal verschafft!«

»Dann bist du wohl sehr glücklich?«

»Ach nein, liebe Mutter!«

»Was denn? fünf- oder sechsmal genügen dir nicht? Wo dein Vater es mir nur ein einziges Mal in der Woche gibt.«

»Ach, wie soll ich nur glücklich sein? Mein Mann hat nichts oder nur ganz wenig!«[117]

»Was sagst du mir?«

»Sein Knecht ist klein, ganz klein. Ist nicht der eines Mannes, nein, kaum der eines Hundes!«

Die Alte ist untröstlich und fragt ihren Mann um Rat, der aber sucht den Pfarrer auf.

Sagt der Priester: »Wenn es also ist, hat die Ehe keine Gültigkeit. Man muß sie für nichtig erklären. Vorher meine ich jedoch, müssen wir diese Schwäche prüfen.

Ladet mich heute abend mit ehrenwerten Zeugen zum Essen ein. Wir wollen uns dann von der Unfähigkeit des Ehemanns überzeugen.«

Der Abend bricht an, man setzt sich zu Tisch. Man ißt, man trinkt, singt und tanzt. Ehe man sich fortbegibt, hebt der Pfarrer an:

»Nun, mein Sohn, es hat den Anschein, daß Ihr nicht ein Mann wie andere seid, und daß Euer kahlköpfiger Bruder nicht dem ähnelt, den man gewöhnlich unterm Nabel findet.«

»Ich weiß es nicht,« versetzt der Gatte.

Und zieht aus seiner Hose einen prächtigen Veit, den die Gutlebe in beste Laune versetzt hatte.

»Was narrt Ihr uns denn,« riefen der Pfarrer, die Eltern und die Zeugen dem Mädchen zu. »Niemals haben wir einen besseren Knecht gesehn!«

»Das nennt ihr einen guten Knecht,« schrie die Ehefrau. »Ihr habt wohl niemals den unseres Esels erblickt? Der ist dreimal stärker. Meint ihr denn, ihr könnt mir weiß machen, daß ein Mann nicht einen Esel aufwiegt?«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 116-118.
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