Bestrafter Undank

Bestrafter Undank.
Wolossische Fabel aus Boilats [153] Grammaire de la langue Wolosse.

Einstmals war die Hyäne auf ihren nächtlichen Streifzügen in eine Grube gefallen. Schon in weiter Ferne konnte man ihr klägliches Geheul und ihre Angstrufe hören. Ein Ochse kam gemächlich des Weges gegangen, blieb stehen, horchte und ging den Tönen nach. Als er an die Grube kam, blickte er hinab und erkannte sofort die Hyäne. Gutmütig, wie er und seinesgleichen ist, hätte er ihr gern geholfen; aber er fürchtete die Hyäne; denn er kannte ihren hinterlistigen Charakter. Seine Bedenken teilte er ihr denn auch ganz ehrlich mit. Die Hyäne bat aber weiter, der Ochse solle ihr doch hilfreiche Hand leisten, aus ihrer mißlichen Lage zu entkommen, und fügte hinzu, daß sie gar nicht begreife, wie er denken könne, daß sie ihrem Wohltäter etwas anderes als Gutes erweisen würde! Ja solcher Verdacht kränkte sie so schmerzlich, daß sie in Tränen ausbrach. Der gute Ochse ließ sich denn auch wirklich erweichen, hielt der Hyäne seinen langen Schwanz hin und zog sie an ihm heraus, indem sie sich festklammerte. Kaum aber sah die Hyäne sich außer Gefahr, als sie sich über ihren Retter herwarf, um ihn zu töten. Glücklicherweise kam gerade ein Elefant des Weges gelaufen. Der vernahm, wie der Ochse mit[154] lauter Stimme der Hyäne ihre Undankbarkeit vorwarf. Schnell trat er hinzu, um Frieden zu stiften.

»Laßt mich hören,« redete er die beiden Tiere an, »was der Grund eures Streites ist; ich will ihn schlichten.«

Der Ochse berichtete, was vorgefallen war, und die Hyäne bestätigte seine Aussage.

»Der Fall ist schwierig,« sagte der Elefant, nachdem er aufmerksam zugehört hatte, »sogar sehr, sehr schwierig! Um gerecht urteilen zu können, wäre es mir erwünscht, daß ihr beide zurückkehrt an den Ort, wo ihr vor Beginn eures Streites wart. Du, Hyäne, springe deshalb wieder in deine Grube.«

Die Hyäne tat, wie ihr geheißen war; aber der Ochse zog sie nicht zum zweiten Male heraus, und der Elefant trollte vergnügt seines Weges weiter. So mußte die undankbare Hyäne elendiglich in der Grube verhungern.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 153-155.
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