6. Die listige faule.

[110] Ein Mann hatte eine Frau, die sehr faul war. Eines Tages brachte er ihr Baumwolle zum weben und sagte ihr, sie solle sie auf die Garnwinde spannen und sich so sehr als möglich beeilen. Die Frau erwiderte aus Faulheit ihrem Manne, sie hätte keine Garnwinde; und der Mann sprach: »Ich gehe zu den Kornelkirschbäumen, um dir eine neue zu schneiden«. Und er machte sich auf und gieng fort. Die Frau gieng ihm unbemerkt nach und dort, wo ihr Mann im Begriff war einen Ast abzuschneiden, sang sie mit verstellter Stimme: »Garnwinde, Garnwinde, wer abschneidet die Garnwinde, der stirbt sammt Weib und Kinde«.1 Als der Mann dies hörte, erschrak er und fürchtete, seine Familie und er selbst möchten sterben, und schnitt keine Garnwinde ab, sondern kehrte leer nach Hause zurück, wo er seiner Frau erzählte, was geschehen war und warum er ihr keine Garnwinde mitgebracht habe.


[110] Vgl. Grimm, KHM., Nr. 128, wo die im Gebüsch versteckte faule Frau ihrem Manne, der Haspelholz hauen will, zuruft:


Wer Haspelholz haut, der stirbt,

wer da haspelt, der verdirbt.

R.K.

1

ílje ílje motovílje – kuš tẹ présẹ motovílje – i vdes búrri edé fẹmíja. ílje ílje weiss ich nicht zu übersetzen; es ist wol nur Reimwort.

Quelle:
Meyer, Gustav: Albanische Märchen. In: Archiv für Litteraturgeschichte, 12 (1884), S. 110-111.
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