17. Die Unterirdischen.1

[229] In einer stümigen Nacht zwischen Weihnacht und Neujahr war ein Mann vom Wege abgekommen; während er sich durch die tiefen Schneetriften durchzuarbeiten suchte, [230] erlahmte seine Kraft, so daß er von Glück sagen konnte, als er unter einem dichten Wachholderbusch Schutz vor dem Winde fand. Hier wollte er übernachten, in der Hoffnung, am hellen Morgen den Weg leichter zu finden. Er zog seine Glieder zusammen wie ein Igel, wickelte sich in seinen warmen Pelz und schlief bald ein. Ich weiß nicht, wie lange er so gelegen hatte, als er fühlte, daß Jemand ihn rüttele. Als er aus dem Schlafe auffuhr, schlug eine fremde Stimme an sein Ohr: »Bauer, ohe! steh auf! sonst begräbt dich der Schnee, und du kommst nicht wieder heraus.« Der Schläfer steckte den Kopf aus dem Pelze hervor und sperrte die noch schlaftrunkenen Augen weit auf. Da sah er einen Mann von langem schlanken Wuchse vor sich; der Mann trug als Stock einen jungen Tannenbaum, der doppelt so hoch war wie sein Träger. »Komm mit mir,« sagte der Mann mit dem Tannenstock – »für uns ist im Walde unter Bäumen ein Feuer gemacht, wo sich's [231] besser ruht, als hier auf freiem Felde.« Ein so freundliches Anerbieten mochte der Mann nicht ausschlagen, vielmehr stand er sogleich auf, und schritt rüstig mit dem fremden Manne vorwärts. Der Schneesturm tobte so heftig, daß man auf drei Schritt nicht sehen konnte, aber wenn der fremde Mann seinen Tannenstock aufhob und mit strenger Stimme rief: »Hoho! Stümesmutter!2 mach' Platz!« so bildete sich vor ihnen ein breiter Pfad, wohin auch kein Schneeflöckchen drang. Zu beiden Seiten und im Rücken tobte wildes Schneegestöber, aber die Wanderer focht es nicht an. Es war, als ob auf beiden Seiten eine unsichtbare Wand das Gestüm abwehrte. Bald kamen die Männer an den Wald, aus dem schon von fern der Schein eines Feuers ihnen entgegen leuchtete. »Wie heißt du?« fragte der Mann mit dem Tannenstock, und der Bauer erwiederte: »Des langen Hans Sohn Hans.«

Am Feuer saßen drei Männer mit weißen leinenen Kleidern angethan, als wäre es mitten im Sommer. Auch sah man in einem Umkreise von dreißig oder mehr Schritten nur Sommerschöne: das Moos war trocken, die Pflanzen grün, und der Rasen wimmelte von Ameisen und Käferchen. Von fern aber hörte des langen Hans Sohn den Wind sausen und den Schnee brausen. Noch verwunderlicher war das brennende Feuer, welches hellen Glanz verbreitete, ohne daß ein Rauchwölkchen aufstieg. »Was meinst du, Sohn des langen Hans, ist dies nicht ein besserer Ruheplatz für die Nacht, als da auf freiem Felde unter dem Wachholderbusch?« Hans mußte dies zugeben, [232] und dem fremden Manne dafür danken, daß er ihn so gut geführt hatte. Dann warf er seinen Pelz ab, wickelte ihn zu einem Kopfkissen zusammen, und legte sich im Scheine des Feuers nieder. Der Mann mit dem Tannenstock nahm sein Fäßchen aus einem Busche und bot Hansen einen Labetrunk, der schmeckte vortrefflich und erfreute ihm das Herz. Der Mann mit dem Tannenstock streckte sich nun auch auf den Boden hin und redete mit seinen Genossen in einer fremden Sprache, von der unser Hans kein Wörtchen verstand; er schlief darum bald ein.

Als er aufwachte, fand er sich allein an einem fremden Orte, wo weder Wald noch Feuer mehr war. Er rieb sich die Augen und rief sich das Erlebniß der Nacht zurück, meinte aber geträumt zu haben; doch konnte er nicht begreifen, wie er denn hierher an einen ganz fremden Ort gerathen war. Aus der Ferne drang ein starkes Geräusch an sein Ohr, und er fühlte den Boden unter seinen Füßen zittern. Hans horchte eine Zeit lang, von wo der Lärm komme, und beschloß dann, dem Schalle nachzugehen, weil er hoffte, auf Menschen zu treffen. So kam er an die Mündung einer Felsengrotte, aus welcher der Lärm erscholl, und ein Feuer hervorschien. Als er in die Grotte trat, sah er eine ungeheure Schmiede vor sich mit einer Menge von Blasebälgen und Ambosen; an jedem Ambos standen sieben Arbeiter. Närrischere Schmiede konnten auf der Welt nicht zu finden sein! Die einem Manne bis zum Knie reichenden Männlein hatten Köpfe, die größer waren als ihre winzigen Leiber, und führten Hämmer, die mehr als doppelt so groß waren, als ihre Träger. Aber sie hämmerten mit ihren schweren Eisenkeulen [233] so wacker auf den Ambos los, daß die kräftigsten Männer keine wuchtigeren Schläge hätten führen können. Bekleidet waren die kleinen Schmiede nur mit Lederschürzen, die vom Halse bis zu den Füßen reichten; auf der Rückseite waren die Körper nackend, wie Gott sie geschaffen hatte. Im Hintergrunde an der Wand saß der Hansen wohlbekannte Mann mit dem Tannenstocke auf einem hohen Block, und gab scharf Acht auf die Arbeit der kleinen Gesellen. Zu seinen Füßen stand eine große Kanne, aus welcher die Arbeiter ab und zu einen Trunk thaten. Der Herr der Schmiede hatte nicht mehr die weißen Kleider von gestern an, sondern trug einen schwarzen russigen Rock und um die Hüften einen Ledergürtel mit großer Schnalle; mit seinem Tannenstocke gab er den Gesellen von Zeit zu Zeit einen Wink, denn das Menschenwort wäre bei dem Getöse unvernehmlich gewesen. Ob Jemand den Hans bemerkt hatte, blieb diesem unklar, sintemal Meister und Gesellen ihre Arbeit hurtig förderten, ohne den fremden Mann zu beachten. Nach einigen Stunden wurde den kleinen Schmieden eine Rast gegönnt; die Bälge wurden angehalten, und die schweren Hämmer zu Boden geworfen. Jetzt, da die Arbeiter die Grotte verließen, erhob sich der Wirth vom Blocke und rief den Hans zu sich: »Ich habe deine Ankunft wohl bemerkt,« sagte er, »aber da die Arbeit drängte, konnte ich nicht früher mit dir reden. Heute mußt du mein Gast sein, um meine Lebensweise und Haushaltung kennen zu lernen. Verweile hier so lange, bis ich die schwarzen Kleider ablege.« Mit diesen Worten zog er einen Schlüssel aus der Tasche, schloß eine Thür in der Grottenwand auf, und ließ Hans hineintreten.

[234] O was für Schätze und Reichthümer Hans hier erblickte! Ringsum lagen Gold- und Silberbarren aufgestapelt und schimmerten und flimmerten ihm vor den Augen. Hans wollte zum Spaße die Goldbarren eines Haufens überzählen und war gerade bis fünfhundert und siebzig gekommen, als der Wirth zurückkehrte und lachend rief: »Laß nur das Zählen, es würde dir zu viel Zeit kosten! Nimm dir lieber einige Barren vom Haufen, ich will sie dir zum Andenken verehren.« Natürlich ließ sich Hans so etwas nicht zweimal sagen; mit beiden Händen erfaßte er einen Goldbarren, konnte ihn aber nicht einmal von der Stelle rühren, geschweige denn aufheben. Der Wirth lachte und sagte: »Du winziger Floh vermagst nicht das kleinste meiner Geschenke fortzubringen, begnüge dich denn mit der Augenweide.« Mit diesen Worten führte er Hans in eine andere Kammer, von da in eine dritte, vierte und so fort, bis sie endlich in die siebente Grottenkammer kamen, die von der Größe einer großen Kirche und gleich den anderen vom Fußboden bis zur Decke mit Gold- und Silberhaufen angefüllt war. Hans wunderte sich über die unermeßlichen Schätze, womit man sämmtliche Königreiche der Welt hätte zu erb und eigen kaufen können, und die hier nutzlos unter der Erde lagen. Er fragte den Wirth: »Weßwegen häuft ihr hier einen so ungeheuren Schatz an, wenn doch kein lebendes Wesen von dem Gold und Silber Vortheil zieht? Käme dieser Schatz in die Hände der Menschen, so würden sie alle reich werden, und Niemand brauchte zu arbeiten oder Noth zu leiden.« »Gerade deßhalb,« erwiederte der Wirth – »darf ich den Schatz nicht an die Menschen überliefern; die ganze Welt würde [235] vor Faulheit zu Grunde gehen, wenn Niemand mehr für das tägliche Brot zu sorgen brauchte. Der Mensch ist dazu geschaffen, daß er sich durch Arbeit und Sorgfalt erhalten soll.« Hans wollte das durchaus nicht wahr haben und bestritt nachdrücklich die Ansicht des Wirths. Endlich bat er, ihm doch zu erklären was es fromme, daß hier all' das Gold und Silber als Besitzthum eines Mannes lagere und schimmele, und daß der Herr des Goldes unablässig bemüht sei, seinen Schatz zu vergrößern, da er schon einen so überschwenglichen Ueberfluß habe? Der Wirth gab zur Antwort: »Ich bin kein Mensch, wenn ich gleich Gestalt und Gesicht eines solchen habe, sondern eines jener höheren Geschöpfe, welche nach der Anordnung des Allvaters geschaffen sind, der Welt zu walten. Nach seinem Gebot muß ich mit meinen kleinen Gesellen ohne Unterlaß hier unter der Erde Gold und Silber bereiten, von welchem alljährlich ein kleiner Theil zum Bedarf der Menschen herausgegeben wird, nur knapp soviel als sie brauchen, um ihre Angelegenheiten zu betreiben. Aber Niemand soll sich die Gabe ohne Mühe zueignen. Wir müssen deßhalb das Gold erst fein stampfen, und dann die Körnlein mit Erde, Lehm und Sand vermischen; später werden sie, wo das Glück will, in diesem Grant gefunden, und müssen mühsam herausgesucht werden. Aber, Freund, wir müssen unsere Unterhaltung abbrechen, denn die Mittagsstunde naht heran. Hast du Lust, meinen Schatz noch länger zu betrachten, so bleib hier, erfreue dein Herz an dem Glanze des Goldes, bis ich komme dich zum Essen zu rufen.« Damit trennte er sich von Hans.

[236] Hans schlenderte nun wieder aus einer Schatzkammer in die andere, und versuchte hie und da ein kleineres Stück Gold aufzuheben, aber es war ihm ganz unmöglich. Er hatte zwar schon früher von klugen Leuten sagen hören, wie schwer Gold sei, aber er hatte es niemals glauben wollen – jetzt lehrten es ihn seine eigenen Versuche. Nach einer Weile kam der Wirth zurück, aber so verwandelt, daß Hans ihn im ersten Augenblick nicht erkannte. Er trug rothe feuerfarbene Seidengewänder, reich verziert mit goldenen Tressen und goldenen Franzen, ein breiter goldener Gürtel umschloß seine Hüften und auf seinem Kopfe schimmerte eine goldene Krone, aus welcher Edelsteine funkelten, wie Sterne in einer klaren Winternacht. Statt des Tannenstockes hielt er ein kleines aus feinem Golde gearbeitetes Stäbchen in der Hand, an welchem sich Verästelungen befanden, so daß das Stäbchen aussah wie ein Sproß des großen Tannenstockes.

Nachdem der königliche Besitzer des Schatzes die Thüren der Schatzkammern verschlossen und die Schlüssel in die Tasche gesteckt hatte, nahm er Hans bei der Hand und führte ihn aus der Schmiedewerkstatt in ein anderes Gemach, wo für sie das Mittagsmahl angerichtet war. Tische und Sitze waren von Silber; in der Mitte der Stube stand ein prächtiger Eßtisch, zu beiden Seiten desselben ein silberner Stuhl. Eß- und Trinkgeschirr, als da sind Schalen, Schüsseln, Teller, Kannen und Becher, waren von Gold. Nachdem sich der Wirth mit seinem Gaste am Tische niedergelassen hatte, wurden zwölf Gerichte nach ein ander aufgetragen; die Diener waren ganz wie die Männlein in der Schmiede, nur daß sie nicht nackt gingen [237] sondern helle reine Kleider trugen. Sehr wunderbar kam Hansen ihre Behendigkeit und Geschicklichkeit vor; denn obgleich man keine Flügel an ihnen wahrnahm, so bewegten sie sich doch so leicht, als wären sie gefiedert. Da sie nämlich nicht bis zur Höhe des Tisches hinanreichten, so mußten sie wie die Flöhe immer vom Boden auf den Tisch hüpfen. Dabei hielten sie die großen mit Speisen angefüllten Schalen und Schüsseln in der Hand, und wußten sich doch so in Acht zu nehmen, daß nicht ein Tropfen verschüttet ward. Während des Essens gossen die kleinen Diener Meth und köstlichen Wein aus den Kannen in die Becher und reichten diese den Speisenden. Der Wirth unterhielt sich freundlich und erläuterte Hansen mancherlei Geheimnisse. So sagte er, als auf sein nächtliches Zusammentreffen mit Hans die Rede kam: »Zwischen Weihnacht und Neujahr streife ich oft zum Vergnügen auf der Erde umher, um das Treiben der Menschen zu beobachten und einige von ihnen kennen zu lernen. Von dem, was ich bis jetzt gesehen und erfahren habe, kann ich nicht viel Rühmens machen. Die Mehrzahl der Menschen lebt einander zum Schaden und zum Verdruß. Jeder klagt mehr oder weniger über den Andern, Niemand sieht seine eigene Schuld und Verfehlung, sondern wälzt auf Andere, was er sich selbst zugezogen hat.« Hans suchte nach Möglichkeit die Wahrheit dieser Worte abzuleugnen, aber der freundliche Wirth ließ ihm reichlich einschenken, so daß ihm endlich die Zunge so schwer wurde, daß er kein Wort mehr entgegnen, und auch nicht verstehen konnte, was der Hausherr sagte. Binnen kurzem schlief er auf seinem Stuhle ein, und wußte nicht mehr, was mit ihm vorging.

[238] In seinem schlaftrunkenen Zustande hatte er wunderbare bunte Träume, in welchen ihm unaufhörlich die Goldbarren vorschwebten. Da er sich im Traume viel stärker fühlte, nahm er ein paar Goldbarren auf den Rücken und trug sie mit Leichtigkeit davon. Endlich ging ihm aber doch unter der schweren Last die Kraft aus, er mußte sich niedersetzen und Athem schöpfen. Da hörte er schäkernde Stimmen, er hielt es für den Gesang der kleinen Schmiede; auch das helle Feuer von ihren Blasebälgen traf sein Auge. Als er blinzelnd aufschaute, sah er um sich her grünen Wald, er lag auf blumigem Rasen und kein Feuer von Blasebälgen, sondern der Sonnenstrahl war es, was ihm freundlich in's Gesicht schien. Er riß sich nun vollends aus den Banden des Schlafes los, aber es dauerte eine Zeit lang, ehe er sich auf das besinnen konnte, was ihm in der Zwischenzeit begegnet war.

Als endlich seine Erinnerungen wieder wach wurden, schien ihm Alles so seltsam und so wunderbar, daß er es mit dem natürlichen Lauf der Dinge nicht zu reimen wußte. Hans besann sich, wie er im Winter einige Tage nach Weihnacht in einer stümigen Nacht vom Wege abgekommen war, und auch was sich später zugetragen hatte, tauchte wieder in seiner Erinnerung auf. Er hatte die Nacht mit einem fremden Manne an einem Feuer geschlafen, war am andern Tage zu diesem Manne, der einen Tannenstock führte, zu Gast gegangen, hatte dort zu Mittag gegessen und sehr viel getrunken – kurz er hatte ein paar Tage in Saus und Braus verlebt. Aber jetzt war doch rings um ihn her vollständiger Sommer, es konnte also nur Zauberei im Spiele sein. Als er sich erhob, [239] fand er ganz in der Nähe eine alte Feuerstelle, welche in der Sonne wunderbar glänzte. Als er die Stätte schärfer in's Auge faßte, sah er, daß der vermeintliche Aschenhaufe feiner Silberstaub und die übrig gebliebenen Brände lichtes Gold waren. O dieses Glück! Woher nun einen Sack nehmen, um den Schatz nach Hause zu tragen? Die Noth macht erfinderisch. Hans zog seinen Winterpelz aus, fegte die Silberasche zusammen, daß auch kein Stäubchen übrig blieb, that die Goldbrände und das Zusammenfegte in den Pelz und band dann die Zipfel desselben mit seinem Gürtel zusammen, so daß nichts herausfallen konnte. Obwohl die Bürde nicht groß war, so wurde sie ihm doch gehörig schwer, so daß er wie ein Mann zu schleppen hatte, ehe er einen passenden Platz fand, um seinen Schatz zu verstecken.

Auf diese Weise war Hans durch ein unverhofftes Glück plötzlich zum reichen Manne geworden, der sich wohl ein Landgut hätte kaufen können. Als er aber mit sich zu Rathe ging, hielt er es zuletzt für das Beste, seinen alten Wohnort zu verlassen, und sich weiter weg einen neuen aufzusuchen, wo die Leute ihn nicht kannten. Dort kaufte er sich denn ein hübsches Grundstück, und es blieb ihm noch ein gut Stück Geld übrig. Dann nahm er eine Frau und lebte als reicher Mann glücklich bis an sein Ende. Vor seinem Tode hatte er seinen Kindern das Geheimniß entdeckt, wie es der Unterirdischen Wirth gewesen, der ihn reich gemacht. Aus dem Munde der Kinder und Kindeskinder verbreitete sich dann die Geschichte weiter.

1

Die Unterirdischen (ma-alused) »die geheimen Schmiede Allvaters« schaffen bei nächtlicher Weile und ruhen am Tage. Legt man zwischen Weihnacht und Neujahr um Mitternacht das Ohr an die Erde, so hört man das Schmieden der als Zwerge gedachten Unterirdischen – ja man unterscheidet, ob Eisen, Silber oder Gold bearbeitet wird. In der Neujahrsnacht werden sie sichtbar und treiben mit dem nächtlichen Wanderer Schabernack. Da die Unterirdischen in der Weihnachts- und Neujahrsnacht auch in menschlicher Gestalt erscheinen, so ist man gastfrei gegen jeden Unbekannten; läßt auch den Tisch mit Speisen besetzt stehen und verschließt die Speisekammer nicht. Nach Rußwurm, Sagen aus Hapsal und der Umgegend, Reval 1846, S. 20, erhalten die Unterirdischen, was am Sonnabend Abend oder Donnerstag Abend ohne Licht gearbeitet wird. Die Unterirdischen verlieben sich zuweilen in schöne Mädchen, woraus beiden Theilen Leid und Unheil erwächst. Die verlassenen Bräute hören noch Wochenlang das nächtliche Wehklagen der Geister, und werden von diesen geplagt, wenn sie später Verbindungen mit ihres Gleichen eingehen.

Die Unterirdischen wollen nicht gestört sein; wer sich (erhitzt!) auf den feuchten Boden setzt, unter welchem sie gerade hausen, wird mit einem Hautausschlag bestraft, der Erdhauch (norweg. alvgust, Elb-Elf-Hauch) oder Erdzorn heißt, und den man heilt, indem man die Urheber durch ein Opfer von geschabtem Silber besänftigt. (Nach Kreuzwald und Neus.)

Die finnischen maahîset, denen diese ehstnischen Unterirdischen (ma-alused) entsprechen, bezeichnen nach Castrén (finn. Mythol. S. 169) eine eigene Art von Naturgeistern, die sich in der Erde, unter Bäumen, Steinen und Schwellen aufhalten; es sind unsichtbare aber menschenähnliche Zwerge reizbarer Natur, die mit Hautkrankheit strafen. Man ehrt und nährt sie. – Mit den Haus- und Schutzgeistern hängen die finnischen und ehstnischen Unterirdischen nicht zusammen, wenn auch in ehstnischen Beschwörungsformeln die Schlange als Unterirdische bezeichnet wird, und wenn auch der Schlangencultus noch vor nicht gar langer Zeit geübt wurde. L.

2

S.d. Anm. zum Märchen 6, die zwölf Töchter, S. 89. L.

Quelle:
Kreutzwald, Friedrich Reinhold: Ehstnische Märchen. Halle: Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses, 1869, S. 229-240.
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