16.
Die wunderbare Flöte.
(Aus Satakunta.)

[137] Einstmals wurden einem Könige drei Töchter geboren. Der Vater liess alle Seher und Wahrsager seines Reiches in seinem Schlosse versammeln, um von ihnen das zukünftige Schicksal dieser Kinder zu erfahren. Es kam eine grosse, grosse Schaar Seher herbei, und alle sagten aus, dass der König seine Töchter bis zu ihrem zwanzigsten Jahre vor dem Lichte des Himmels verborgen halten müsste, sonst würde Schlimmes geschehen.

Diesem Ausspruch zufolge wurden die Kinder ganz versteckt gehalten, so dass man sie nie aus dem Schlosse hinausliess. Aber als die Jüngste bereits fünfzehn Jahre alt geworden, dachte der Vater in seinem Sinne: »Man kann die Mädchen doch nicht länger im Finstern quälen, sie sind ja schon erwachsen; draussen wird ihnen auch nichts weiter geschehen.«

In der Nähe des Schlosses befand sich ein schöner Hain, in dem die verschiedenartigsten Bäume und Früchte wuchsen; dorthin liess der König seine Töchter gehen und gab ihnen Wächter zum Schutze mit. – Aber wie erging es ihnen? Die Mädchen waren kaum im Walde angelangt und hatten angefangen miteinander zu scherzen und zu spielen, da erfolgte ein heftiger Knall, und sie verschwanden vor den Augen ihrer Wächter, man wusste nicht wohin. Nun kam eine grosse, tiefe Trauer über das ganze Schloss.[137] Der König verging seit dem Tage vor Gram und kümmerte sich um gar nichts mehr, so betrübt war sein Sinn.

In des Königs Gefolge waren ausser vielen Anderen auch drei Hofherren und ein junger Stallbursche. Ihrem Könige zu Gefallen beschlossen die Herren auszuziehen, um die verschwundenen Königstöchter zu suchen; sie nahmen noch einige Leute mit und machten sich auf den Weg. Den Stallburschen wollten sie jedoch nicht mit haben, obgleich er dringend darum bat und flehte.

Eine Woche war vergangen, ohne dass die Suchenden auch nur das Geringste gefunden hatten; da kehrten sie heim, um sich Speisevorrath zu holen. Eine Nacht ruhten sie im Schlosse aus, erbaten sich dann neuen Urlaub vom Könige und zogen aufs neue aus die Entschwundenen zu suchen. Wieder verlangte der Stallbursche mit ihnen zu gehen, doch sie mochten ihn nicht haben und sagten: »Was thun wir dort mit solch einem Manne? Du kannst uns doch keine Hülfe bringen.« Der Bursche grämte sich darüber, dass die Anderen ihn nicht mitnehmen wollten, und ging betrübten Sinnes an seine gewöhnliche Arbeit, Eichen im Walde zu fällen.

Da trat zu ihm ein alter Mann, der viel grösser war als die übrigen Menschen, und schaute lachend der Arbeit des Burschen zu. – »Ei«, sagte er, »was sollst du, junger Knabe, diese Stämme niederhauen; lass mich's versuchen!«

Der Bursche, welcher wohl merkte, dass dieser Fremde kein gewöhnlicher Mensch sei, fürchtete sich trotzdem nicht vor ihm, sondern sann darüber nach, was jetzt zu beginnen wäre. Bald glaubte er einen Ausweg gefunden zu haben; er schlug mit seiner Axt tief in einen Baumstumpf hinein, stellte sich dann an, als sei er ganz erschrocken darüber, und sagte: »Ach, nun kann ich meine Axt nicht mehr herausbekommen! Goldner Alter, thut Euren Finger ein wenig in die Spalte und treibt sie auseinander, damit die[138] Axt loskommt.« Der Alte war nicht auf seiner Hut und steckte unbedacht den Finger in die Ritze; doch der Andere zog im selben Augenblick die Axt heraus und that sie auf die Schulter. Da stand nun der arme Alte, den Finger im Baumstumpf eingeklemmt, und schrie und flehte den Burschen an, dass er ihn befreien sollte. Dieser schien sich aber gar nicht um die Noth des Alten zu kümmern, sondern sagte nur: »Ich lasse dich nicht frei, bist du mir sagst, wo des Königs verschwundene Töchter sind.« »Befreist du mich ganz sicher, dann will ich's dir sagen«, erwiderte der Alte in seiner Qual. »Ich halte stets mein Wort«, versicherte der Bursche, und der Alte offenbarte ihm darauf, wie die Sachen stünden, und sagte: »Die drei Königstöchter sind in der Gewalt des Bergkobolds. Die Jüngste befindet sich hundert Klafter tief in einer eisernen Kammer und hat eine eiserne Krone auf dem Haupte und einen eisernen Ring am Finger. Die mittlere ist in einer silbernen Kammer und trägt eine silberne Krone und einen silbernen Ring. Wiederum hundert Klafter von dort aus gerechnet, sitzt die dritte in einer goldenen Kammer, eine goldene Krone auf dem Haupte und einen Goldring am Finger.«

»Gut, dass ich das weiss!« sagte der Bursche. »Doch wie soll ich sie befreien?«

»Ho, die werden schon mitkommen,« meinte der Alte, »ich gebe dir solche Dinge, mit deren Hülfe du dorthin gelangst; mache mich nur erst frei!«

Der Bursche schlug nun mit der Axt in den Baumstumpf und befreite den Finger des Alten aus dem Spalt; da gab ihm der Greis einen hundert Klafter langen Strick; dazu ein Schwert, ein Fläschchen mit Elementswasser und eine Flöte, indem er sagte: »Dieses alles wirst du nöthig haben. Wenn du in den Berg hineingehen willst, brauchst du nur die Flöte zu blasen, so komme ich zu dir.«

Darauf trennten sich die Beiden; der Stallbursche kehrte[139] ins Königsschloss heim, und wer weiss, wohin der Alte fortwirbelte.

Bald darauf kamen die Hofherren mit ihren Leuten zurück, aber sie hatten auf ihrer Reise gar keine Kunde von den Gesuchten erlangt. Da trat der Stallbursche vor den König und bat demüthig um die Erlaubniss, diesmal ausziehen zu dürfen. »Ich könnte doch vielleicht etwas von der Sache wissen,« meinte er; »mögen die Hofherren jetzt zu Hause bleiben, ich will allein ausgehen, um zu suchen.«

Als der König diese Bitte vernommen, erlaubte er dem Burschen zu ziehen und sagte traurig: »Schwerlich wirst du mir Kunde von meinen Töchtern verschaffen, da es auch Andere nicht vermocht haben; aber versuche es jedenfalls, da dein Sinn danach steht.«

Nachdem der Bursche den Urlaub erlangt, besann er sich nicht lange, sondern machte sich gleich auf den Weg und nahm die Sachen mit, die er vom Alten erhalten hatte. Im Walde, als er glaubte, dass ihn Niemand sehen könnte, blies er und pfiff auf seiner Flöte, und sofort kam der Alte, dessen Finger er aus dem Baumspalt befreit hatte, herbei und fragte: »Bist du jetzt bereit zu gehen?« – »Ja«, sagte der Bursche. »Nun, so folge mir!« sagte der Alte, und ging voraus, um dem Burschen den Weg zu weisen.

Die Hofleute, die gesehen hatten, dass der Stallbursche das Schloss verliess, waren ihm heimlich nachgeeilt, um zu erfahren, wohin er ginge. Zu ihrer Verwunderung sahen sie, wie der Bursche durch sein Flötenspiel den fremdartig ausschauenden Alten herbeirief und diesem sodann folgte; nun gingen auch sie leise den Beiden nach. Der Bursche und der Alte ahnten nichts davon und wanderten sorglos weiter bis an den Berg, worin der Kobold wohnte, der die Königstöchter gefangen hielt. Als sie an das Eingangsloch kamen, von wo aus ein Weg in das Berginnere hinunterführte,[140] liess der Alte zuerst den Burschen am Seil hinab und folgte dann selber hinterdrein.

In einer Tiefe von hundert Klaftern standen sie plötzlich vor einer eisernen Thür, die ihnen den Weg versperrte; doch der Alte belehrte den Burschen und sagte: »Nimm dein Schwert und zerschlage die Thür.«

Der Bursche that also und schlug nur einmal mit dem Schwerte an die Thür, da zersprang dieselbe in Stücke und die Wandrer gelangten hindurch. Hier sass nun des Königs jüngstes Töchterlein in der eisernen Kammer und hatte eine eiserne Krone auf dem Haupte und einen eisernen Ring am Finger; der Bergkobold, der ein grosses Horn auf dem Kopfe und nur ein Auge in der Stirn hatte, bewachte sie selber. Er erhob sofort den Kopf und sagte: »Ho, hoo! es riecht hier nach Menschenblut!« Und er wollte von seinem Platze aufstehen, aber das Mädchen hinderte ihn daran und sagte: »Hier ist nichts. Ein Rabe ist hier vorbeigeflogen, der ein Stück Aas im Schnabel gehabt haben mag, – das riecht wohl so.« Der Bergkobold, der alt und halbblind war, konnte den Burschen an der Thür nicht sehen; er glaubte den Worten des Mädchens und beruhigte sich.

Im Ofen brannte grade das Feuer und nebenan lehnte ein grosser, eiserner Haken, mit dem der Bergkobold die Holzscheite im Ofen zu wenden pflegte. Der Bursche nahm leise den Haken an sich, hielt ihn über die Gluth, bis er heiss wurde, und stach dann mit dem glühenden Eisen dem Bergkobold das Auge aus. Dieser schnellte vor Schmerz in die Höhe und fing an herumzurennen, und schrie dabei so entsetzlich, dass der Berg davon widerhallte; da der Kobold nun blind war, konnte er den Burschen nicht erhaschen, und dieser hieb ihm mit dem Schwerte den Kopf ab. Jetzt kam auch der Alte heran, um dem Burschen zu rathen, und sagte: »Die jüngste Königstochter hättest du[141] erlöst; nimm ihr nun die Krone vom Haupte und den Ring vom Finger. Den Ring musst du entzwei schneiden, die eine Hälfte behalten und die andere an den Finger zurückthun.«

Der Bursche befolgte den Rath; er zertheilte den Ring mit seinem Schwerte, behielt die eine Hälfte für sich und gab die andere zurück; die Krone liessen sie in des Bergkobolds Kammer, und die Königstochter folgte dem Burschen und dem Alten hinaus.

Jetzt sollte die mittlere Schwester befreit werden. Der Alte liess den Burschen und das erlöste Mädchen hundert Klafter tief in den Berg hinab und kam dann ihnen nach. Hier versperrte ihnen eine silberne Thür den Weg, doch der Alte belehrte wieder den Burschen und sagte: »Nimm dein Schwert, schlage die Thür in Trümmer!« Der Bursche that einen Schlag; sofort öffnete sich die Thür, und sie konnten in die silberne Kammer gelangen, in welcher des Königs mittelste Tochter wohnte. Das Mädchen hatte eine silberne Krone auf dem Haupte und einen silbernen Ring am Finger. Auch ihr nahm der Bursche die Krone ab und liess diese in der Kammer, wie früher; aber den Ring schnitt er mit dem Schwerte in zwei gleiche Hälften, wovon er die eine behielt und die andere wieder an des Mädchens Finger steckte. Darauf gingen sie alle vier aus der Kammer hinaus.

Nun liess der Alte die Anderen wiederum hundert Klafter tief hinunter bis an die Kammer der ältesten Königstochter, wo dasselbe geschah wie früher. Nachdem der Bursche die Thür mit seinem Schwerte zertrümmert, um hindurchzugelangen, nahm er der Königstochter die goldene Krone vom Haupt und liess dieselbe in der Kammer; doch den Ring theilte er in zwei Hälften, behielt die eine und gab die andere dem Mägdlein zurück. Als dieses geschehen war, begannen sie alle zum Berge hinaufzusteigen,[142] der Alte voran, die Anderen hinterdrein. Von Treppe zu Treppe kletterten sie immer höher, und der Alte half ihnen stets dabei. Endlich kam die letzte Stiege; der Alte ging voran, zog die Mädchen am Stricke herauf und wollte zuletzt auch den Burschen emporheben. – Doch wie erging es dabei? – Die Hofherren waren soeben an dem Berge angelangt; sie nahten sich dem Alten, wie er gerade beim Ziehen war, und kaum erschien der Bursche an der Erdoberfläche, da rissen sie dem Alten unversehens den Strick aus den Händen, sodass der Bursche kopfüber in den Berg zurückstürzte. In seiner Verwirrung darüber entfloh der Alte in den Wald, und die Hofherren nahmen die Königstöchter mit sich, um sie nach dem Königsschlosse zu führen; zuvor liessen sie die Mädchen einen Eid ablegen, dass diese Alles bekräftigen sollten, was auch die Herren vor dem Könige aussagen würden. Aus Furcht sagten die Mädchen ihnen Alles zu. Im Königsschlosse angelangt, traten die Hofherren vor den König und prahlten damit, dass sie dessen Töchter aus der Gewalt des Bergkobolds befreit hätten. Da nun auch die Mädchen die Wahrheit dieser Behauptung bezeugten, glaubte der König daran, und die Hofherren wurden mit grossen Ehren überhäuft, weil sie solch eine Wunderthat vollbracht hatten. An den Stallburschen dachte jedoch weder der König noch sonst Jemand mehr; er war vergessen. Nur die Mädchen gedachten seiner, aber sie wagten nicht von ihm zu reden; – natürlich, da sie einen Eid geschworen hatten.

Aber der Stallbursche war noch am Leben. Als er, nachdem der Strick gerissen, besinnungslos hinuntergestürzt war, blieb er mit arg zerschlagenem Leibe liegen. Wie er wieder zu sich kam, erinnerte er sich, dass er ein Fläschchen mit Elementswasser bei sich trug; kaum hatte er etwas davon in den Mund genommen, so erholte er sich sofort und ward frisch und gesund. Er wanderte nun im[143] Bergesinnern ganz traurig umher und dachte über sein Unglück nach; da fiel ihm plötzlich die vom Alten erhaltene Flöte ein, und er fing an, ein wenig darauf zu pfeifen und zu blasen. Sogleich stand auch der alte Mann neben ihm und fragte: »Was weinst du und trauerst du hier, mein Söhnchen?«

»Darüber traure ich,« antwortete der Bursche, »dass ich wohl in alle Ewigkeit nicht hier hinausgelangen werde, obgleich ich doch die Königstöchter befreit habe.«

Der Alte sagte darauf: »Hier wäre wohl ein Rabe zu haben, wenn er dich nur zu tragen vermöchte.«

»Ach, das wird er schon können!« meinte freudig der Bursche. »Ich bin so vergrämt, verhungert und abgemagert, dass ich nicht mehr viel wiegen mag.«

Da brachte der Alte den Raben herbei, der Bursche setzte sich auf dessen Rücken und kam auf diese Weise an die Erdoberfläche, dass es nur so schwirrte. Oben angelangt, warf ihn der Rabe vom Rücken ab und flog seiner Wege, wer weiss wohin.

Hier stand nun der Bursche und dachte und sann, was er jetzt beginnen sollte. Er wagte nicht mehr ins Königsschloss zu gehen, da er dort die Hofherren vermuthete und sich vor ihnen fürchtete; und sonst wusste er doch keinen Ort, an dem er leben konnte. In solchen Gedanken war er aber immer weiter gewandert und war so in die Nähe des königlichen Gebietes gelangt. Da sah er an der Landstrasse eine Schmiede stehen; in die kehrte er ein und trat zu dem Schmiede in die Lehre.

Es mochten einige Wochen vergangen sein, als man den Schmied ins Königsschloss berief. Die jüngste Königstochter trug nämlich Verlangen nach einer ebensolchen Krone, wie sie im Berge besessen hatte, und des Burschen Meister sollte diese verfertigen. Der arme Mann hätte am liebsten die Arbeit gar nicht übernommen, da er sich nicht[144] getraute, einen solchen Gegenstand zu stande zu bringen; aber des Königs Gebot war streng, und dem Schmiede half all sein Sperren nicht. Die Krone musste gemacht werden, wie befohlen war; nach Mittel und Möglichkeit fragte Keiner.

Nun, es blieb nichts zu thun übrig, der Schmied musste sich ans Werk machen. Nachdem er mehrere Tage lang geschmiedet, bekam er Etwas fertig, was einer Krone ähnlich sah; das schickte er der Königstochter. Aber das Ding passte gar nicht, – wie sollte auch ein Schmied solche Arbeit verstehen? – und die Königstochter sandte es zurück.

Als der Bursche die Geschichte von seinem Meister erfuhr, fing er an darüber nachzusinnen, ob er nicht der Königstochter diesen Gegenstand verschaffen könnte; in der Nacht, sobald der Schmied eingeschlafen war, ging der Bursche hinter die Schmiede und spielte und pfiff auf seiner Flöte, in der Hoffnung Beistand zu erlangen. Sofort kam der Alte herbei und fragte: »Warum spielst du, was verlangst du, mein Jüngelchen?«

Der Bursche antwortete: »Die Königstochter verlangt nach einer ebensolchen Krone, wie sie im Berge getragen hat, und ich möchte ihr gern eine solche verschaffen.«

»Die bekommst du schon«, sagte der Alte, und alsobald stand die eiserne Krone aus des Bergkobolds Gemache vor ihnen; wer weiss, durch welche Macht der Alte sie herbeigeschafft haben mochte! – Ei, wie freute sich der Bursche darüber! Er legte sich gleich schlafen und stellte die Krone auf die Bank neben seinem Bette.

Am Morgen früh kam der Schmied um seinen Lehrburschen zu wecken und erblickte die fertige Krone auf der Bank. Verwundert fragte er den Burschen: »Warum und wie hast du diese Arbeit so heimlich gemacht?«

»Ich habe nicht daran gedacht sie heimlich zu machen«, erwiederte der Jüngling; »ich meine, das Klopfen hier[145] müsste Jeder gehört haben, denn ich habe die ganze Nacht über geschmiedet.«

»Nun, da du das Werk allein zu stande gebracht hast und es dir wohlgelungen ist,« sagte der Schmied, »so magst du es auch selber der Königstochter bringen. Vielleicht gefällt es ihr.«

Doch der Bursche wollte nicht hingehen, sondern bat den Meister die Krone hinzutragen; wenn er wollte, könnte er ja sagen, dass der Lehrbursche dieselbe gemacht habe. Endlich ging der Schmied darauf ein, brachte der Königstochter die Krone und sagte, dass der Lehrbursche sie neu gefertigt habe. Die Königstochter betrachtete die Krone, setzte sie sich aufs Haupt, lobte sie ungemein und behauptete, dass sie ganz ebenso sei wie die, welche sie im Berge getragen habe, wenn sie nicht noch schöner sei. Der Schmied erhielt nun einen reichen Lohn, und der König versprach ihm auch ferner seiner zu gedenken, wenn man im Schlosse einen Schmied brauchen sollte. Der Mann war überglücklich, dass die Sache so glatt verlaufen war und dass er die schwere Aufgabe des Königs hinter sich hatte; er wollte sich eben mit seinem guten Lohne nach Hause begeben, als des Königs zweite Tochter zu ihm trat und ihn aufhielt. Sie hatte nämlich gesehen, wie schön die Krone ihrer Schwester war, und trug nun auch Verlangen nach der Silberkrone, die sie im Berge gehabt hatte. Desshalb redete sie den Schmied an und übergab ihm eine Zeichnung, nach welcher er den Schmuck verfertigen sollte. Der Schmied merkte wohl wie schwer die aufgetragene Arbeit war, aber er wagte nicht zu widersprechen, nahm das Muster aus der Hand des Mädchens und ging damit nach Hause. Sobald er hier seines Lehrburschen ansichtig wurde, sagte er zu diesem: »Bist du jetzt Mannes genug mir eine silberne Krone zu machen? Hier ist das Vorbild, wonach sie verfertigt werden soll.«[146]

Der Bursche meinte darauf: »Ich bin freilich nicht auf Silberarbeit eingeübt und bin wohl sehr ungeschickt darin. Aber lass uns beide in der Schmiede versuchen, ob wir nicht solch ein Ding zu stande bringen.«

Den ganzen Tag arbeiteten sie daran, bis die Krone endlich fertig war. Die ward nun der Königstochter gebracht; aber als diese den Schmuck anprobirte, rief sie sofort: »Die Krone passt nicht, – sie taugt nichts, – sie ist auch nicht aus reinem Silber!«

Was nun thun? Der Schmied ging aus dem Schloss nach Hause, ganz betrübt, dass sein Werk nichts getaugt hatte, und erzählte die Sache seinem Gehülfen. Der Bursche sagte nichts dazu, obgleich er den Kummer seines Herrn sah; er wartete den Abend ab, bis sich der Meister schlafen gelegt hatte, dann ging er in der Nacht wieder hinter die Schmiede und spielte und blies auf seiner Flöte. Da erschien derselbe Alte wie früher vor ihm und fragte: »Warum spielst du auf deiner Flöte, was brauchst du?«

»Wenn ich nur der mittelsten Königstochter die Silber krone, die sie im Berge gehabt, verschaffen könnte! Sie will dieselbe haben«, antwortete der Bursche.

»Hei! die hole ich dir sogleich!« sagte der Alte, und im selben Augenblick lag die Krone vor ihnen. Nun konnte sich der Bursche schlafen legen; er streckte sich auf seinem Bette aus und stellte die Krone neben sich auf die Bank.

Am Morgen kam der Schmied in die Stube, um nach seiner Gewohnheit den Lehrburschen zu wecken; da sah er die Silberkrone auf der Bank und sagte zum Burschen: »Nun, du bist mir ein rechter, neckischer Schelm! Was willst du für deine Krone haben?« – »Ich verlange nichts dafür,« antwortete der Bursche, »bringt nur die Krone der Königstochter.«

Der Schmied wollte nicht darauf eingehen und wünschte, dass der Bursche seine eigene Arbeit abliefern sollte; aber[147] dieser sagte: »Mir kommt es nicht zu hinzugehen, denn der Meister ist grösser als der Lehrling.«

Endlich ging der Schmied selber hin und brachte die Krone ins Königsschloss, wo die Königstochter dieselbe sehr lobte und bewunderte und sagte: »Diese ist ganz genau wie die, welche ich im Berge hatte, und passt wunderbar.«

Der Schmied war sehr glücklich über dieses Lob; doch die Freude war nicht von langer Dauer. Des Königs ältestes Töchterlein sah, wie schön und schmuck die Silberkrone ihrer Schwester war, und fühlte nun ihrerseits ein heftiges Verlangen nach einer Goldkrone, derjenigen ähnlich, die sie im Berge getragen hatte.

»Was habt Ihr denn für einen Lehrburschen, der so Schönes zu arbeiten versteht?« fragte sie den Schmied. »Vermag er auch mir eine so gut passende Krone zu machen wie meinen beiden Schwestern, dann soll er mein Gemahl werden und das ganze Reich soll ihm gehören, mag er jetzt auch noch so gering sein!«

Was nun? Darauf konnte der Schmied doch nichts erwidern. Nachdem er von dem Mägdlein ein Vorbild erhalten, wonach die Arbeit gefertigt werden sollte, ging er stracks nach Hause, gab dem Lehrburschen das Muster und sagte: »Wenn du jetzt eine goldene Krone nach diesem Vorbilde zu stande bringst, erhältst du die Königstochter zur Gemahlin und erbst das ganze Reich. Du wirst wohl auch aus Gold eine Krone zu machen wissen, da du schon eine aus Silber und aus Eisen geschmiedet hast; mich brauchst du gewiss nicht mehr bei der Arbeit, ebensowenig wie früher.«

Mit diesen Worten verliess er seinen Lehrburschen und ging unbesorgt um die ganze Sache seiner Wege; doch nahm er sich ganz gewiss vor, den Lehrling bei der Arbeit heimlich zu überwachen, um zu sehen, was er dabei thäte. Zu dem Zweck gedachte er in dieser Nacht sich gar nicht[148] schlafen zu legen, sondern die ganze Zeit zu wachen und zu lauschen, ob der Bursche in der Schmiede klopfen und was er sonst anfangen würde. Der Bursche wiederum errieth die Gedanken des Meisters und rührte sich nicht aus der Stube, sondern wartete auf das Einschlafen seines Herrn. So bewachten sie einander und lauerten bis in die tiefe Nacht hinein, bis endlich der Schlaf den Schmied übermannte und dieser zu schnarchen begann, dass ihm die Brust dröhnte. Kaum hörte der Bursche, dass sein Herr schlief, so sprang er von seinem Bette auf, ging hinter die Schmiede wie früher und blies seine Flöte. Da erschien wieder derselbe Alte und fragte, was er wolle. Der Bursche erzählte dem Alten die ganze Geschichte, dass er jetzt die Goldkrone aus dem Berge brauche, um den Wunsch der Königstochter zu erfüllen.

Im selben Augenblick erhielt er auch vom Alten, was er verlangt hatte, – schön war die Krone, die der Alte herbeigeschafft, und er hatte wahrlich nicht dabei gezögert! – Darauf legte sich der Bursche schlafen und stellte die Goldkrone neben sich auf die Bank.

Es ward Morgen, und der Schmied erwachte aus dem Schlafe; da fuhr er vom Lager empor und eilte in die Kammer des Lehrburschen. Dort erblickte er die fertige Goldkrone auf der Bank und verwunderte sich und sagte zu dem Burschen: »Nun, du bist gewiss der rechte Meister, der du solche Arbeiten in der Nacht machst! Bringe nun selber deine Krone zur Königstochter, damit du siehst, ob sie ihr passt.«

»Ich könnte ja hingehen!« meinte der Bursche und machte sich zum Gange bereit.

Lange gefiel es ihm aber nicht zu Fusse zu wandern; er blies seine Flöte, wie ehedem, und rief den Alten mit den Worten herbei: »Ich muss diese Krone ins Königsschloss bringen, aber es ist hässlich, zu Fusse dort anzukommen;[149] wenn ich statt dessen einen goldenen Wagen mit drei mäusefarbenen Rossen bekommen könnte, würde ich viel eher den Muth finden mich an des Königs Hof zu begeben.«

»Hoh! wenn du weiter nichts brauchst, die sollst du haben!« versicherte der Alte; und sofort stand vor dem Burschen, was er verlangt hatte, sowohl Wagen wie Rosse. Der Bursche stieg nun mit seiner Krone in den Goldwagen und fuhr herrlich dahin mit seinen mäusefarbenen Pferden.

Die Hofherren, welche um das Gelübde der ältesten Königstochter wussten, hatten unterdessen Mörder an die Heerstrasse gestellt, welche den Ueberbringer der Krone verhindern sollten, die Königstochter zu gewinnen. Doch als der Bursche so herrlich herangefahren kam, wussten die Mörder nichts Anderes zu thun, als sich mit tiefen Verbeugungen die Mütze vom Haupte zu reissen; dabei verwunderten sie sich, woher dieser grosse, mächtige Herr sein möge. Auf diese Weise gelangte der Bursche unbehelligt vorwärts und fuhr beim Königsschlosse an, dass Alles dröhnte. Dort stieg er aus dem Wagen und schritt, die Krone in der Hand, durch die Gemächer. Da kamen alle die Schlossbewohner zu Hauf herbei und betrachteten mit Erstaunen die vom Burschen verfertigte Krone; das Königstöchterlein, für welche sie bestimmt war, hüpfte sogar vor Freuden und lobte ihre Krone, dass sie genau so sei, wie die, welche sie im Berge gehabt habe, wenn sie nicht gar noch etwas besser sei.

Nun ward der Bursche muthiger; er nahm die Ringhälften aus seiner Tasche und näherte sich erst der jüngsten Königstochter, der er die Eisenringhälfte an den Finger steckte, indem er sagte: »Gehört nicht dieses Stück zu Eurem Ringe?«

Nun, gewiss gehörte es dazu, und der ganze Rath des Königs bezeugte die Wahrheit der Sache. Darauf ging der[150] Bursche zur mittelsten Schwester und steckte auch ihr die Hälfte des Silberrings an den Finger, indem er fragte: »Nicht wahr, dieses gehört hierzu?« Zuletzt übergab er dem ältesten Königstöchterlein den halben Goldring mit der Frage: »Ist dieses nicht hiervon?« Und wieder bezeugte der ganze Rath, dass dem wirklich so sei.

Was nun weiter? – Die Königstochter setzte ihre Goldkrone auf und sagte zum Burschen: »Nun, wenn die Sache so steht, so bist du mein und ich bin dein, – und dein ist auch das ganze Reich!« Darauf wurden alle Schlossbewohner und viele fremde Gäste zusammenberufen, und dem Stallburschen und dem ältesten Königstöchterlein ward eine Hochzeitsfeier bereitet, wie keine schönere auszudenken ist. Der Bursche erhielt auch die Macht die Hofherren zu strafen, wie er wollte. Den einen verurtheilte er alte Birkenrindenschuhe zu tragen; der zweite musste auf dem Rücken eines Schweines reiten, den dritten warf man in die Luft. – Hiermit endet die Geschichte.

Quelle:
Schreck, Emmy: Finnische Märchen. Weimar: Hermann Böhlau, 1887, S. 137-151.
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