[179] Einst lebte ein Mann, namens Weissfuss, der sich vom Gutsbesitzer Geld entlehnt hatte. Der Herr, der keinen Heller seines Geldes sah und es müde war, länger zuzuwarten, sagte eines Tages zum Weissfuss, dass er an einem bestimmten Tag kommen werde, um sich das Geld zu holen. Am festgesetzten Tag kam er auch. Weissfuss hatte gerade einen Topf voll Erdäpfel am Feuer stehen und während sie zu kochen begannen, dachte er nach, wie er sich aus der Geschichte ziehen könne. Sobald er den Herrn bemerkte, löschte er das Feuer aus und stellte den Topf mitten ins Zimmer.
»Was soll dieser Topf hier inmitten des Zimmers?« frug der Herr, als er eintrat. »Was ist darinnen?« – »Herr,« erwiderte Weissfuss, »ich habe Erdäpfel darinnen, die ich ohne Feuer zum kochen brachte. Ich habe sie nur mit diesem Blasbalg, den ihr hier seht, angeblasen. Schaut her, wie wohl gekocht sie sind. Wer einen solchen Blasbalg besitzt, erspart sich viel Holz.« – »Überlasse mir den Blasbalg und ich sehe dir zweihundert Taler nach.« – »Gut, da ist er«, erwiderte Weissfuss.
Der Herr nahm den Blasbalg und übergab ihn zu Hause einem Diener, der seine Wirkung erproben sollte. Durch vierundzwanzig Stunden blies dieser auf einen Topf los, doch er begann nicht zu kochen. Der Herr war sehr unzufrieden und lief zu Weissfuss: »Du hast mir einen Blasbalg verkauft, der Wunder wirken sollte. Mein Diener hat nun vierundzwanzig Stunden lang auf einen Topf losgeblasen, doch blieb dieser so kalt wie früher.« – »Herr, « entgegnete Weissfuss, »euer Diener ist zu lebhaft, er wird zu heftig geblasen haben und da wird der Blasbalg gebrochen sein.« – Der Herr kehrte ins Schloss zurück und rief dem Diener zu: »Weissfuss hat gesagt, dass du zu lebhaft bist, du wirst daher zu stark geblasen und den Blasbalg zerbrochen haben.«
Einige Zeit nachher kaufte Weissfuss ein altes Ross am Markt um fünfzig Sous und befestigte einen Louisdor unter dessen Schwanz. Der Herr, der wieder Schulden eintreiben[179] kam, sah sich das Pferd an und war nicht wenig erstaunt, einen Louisdor auf die Streu fallen zu sehen. – »Was, Weissfuss, du findest Gold im Mist deines Pferdes? Verkaufe es mir und ich lasse dir weitere hundert Taler nach.« – »Herr, das Pferd gehört euch, wenn ihr es wünscht«, antwortete Weissfuss. »Übrigens wird es ihm bei euch auch besser gehen als bei mir. Gebt ihm nur regelmässig ein Mässchen Hafer in der Früh und nachmittags ein Bündel Heu.« – Der Herr nahm das Pferd mit und beauftragte einen seiner Diener, es zu warten. Nach drei Tagen sank es infolge Altersschwäche um.
Der Herr kam zu Weissfuss und erzählte ihm die Sache. Als er seine Klage, die Weissfuss ruhig anhörte, beendet hatte, sprach dieser: »Herr, wie habt ihr das Pferd gefüttert?« – »Jeden Tag erhielt es um neun Uhr vormittag sein Mässchen Hafer und um zwei Uhr nachmittag ein Bündel Heu«. – »Da wundert es mich nicht, dass das Pferd hin wurde. Ihr hättet ihm um zehn Uhr vormittag den Hafer und um ein Uhr nachmittag das Heu geben sollen.« – »Lassen wir das, sprechen wir nicht mehr darüber. Wo ist aber dein Vater? Ich habe ihn schon lange nicht gesehen.« – »Herr, er ist auf der Jagd. Alles, was er tötet, lässt er liegen und alles, was er nicht tötet, bringt er mit.« – »Wie ist das möglich?« frug der Herr. »Wenn du mir das erklärst, erlasse ich dir alles das, was du mir noch schuldest.« – »Es sei, lieber Herr. Mein Vater ist auf der Läusejagd. Alle Läuse, die er tötet, lässt er liegen und alle, die er nicht tötet, nimmt er mit. Nun, lieber Herr, schulde ich euch nichts mehr.«
(Lorraine.)