[254] 83. Die Geschichte von Caruseddu.

Das M. besteht aus zwei Theilen.


I. Caruseddu und der Menschenfresser.

Man vgl. zunächst Hahn Nr. 3, wo der Schöne erst das Flügelpferd des Drakos, dann seine Bettdecke mit den Schellchen, endlich den Drakos selbst stehlen[254] muß. Hahn theilt in den Anmerkungen noch mehrere griechische Varianten mit. In der Variante 2 muß Zenjos auf Anstiften seiner Brüder die Bettdecke der Lamia, ihr Pferd und sie selbst stehlen. Fast ganz so Var. 3. Hier verwandelt sich Zozos in eine Erbse und steckt sich in den Mist des Pferdes, wie Caruseddu sich winzig klein macht und unter dem Stroh versteckt. In der 4. Variante muß Kostanti auf Anstiften seiner Brüder das Pferd des Drakos, seine Diamantdecke und ihn selbst stehlen. Letzteres vollbringt er ganz wie im sicilian. M. (Sarg für den todten Kostanti.) In einem venezianischen M. (Wolf-Widter Nr. 9) muß der Knecht Tredesin auf Anstiften einer neidischen Magd die Decke des Bären, dessen Pferd, dessen redenden Vogel und endlich den Bären selbst stehlen; auch hier die List mit dem Sarg für den verstorbenen Tredesin. In Nr. 30 unsrer sicilianischen M. muß Ciccu auf Anstiften seiner Brüder den Säbel des Menschenfressers und dann ihn selbst stehlen, und zwar spielt bei Ausführung der ersteren Aufgabe ein Sack voll Läuse eine ähnliche Rolle, wie bei Hahn Nr. 3, Var. 4 drei Schilfrohrstücke voll Ungeziefer (Läuse, Flöhe, Wanzen); bei Lösung der andern Aufgabe spielt wiederum die List mit dem Sarge. Im Pentamerone III, 7 muß Corvetto auf Anstiften neidischer Höflinge das Roß des Uorco, dessen Zimmertapete und Bettdecke stehlen und endlich den Besitz des Palastes desselben dem König verschaffen. Endlich gehören auch hierher, stehen aber dem sicilian. M. doch ferner, Campbell Nr. 17 und Kreutzwald Nr. 8, und wahrscheinlich auch Salmelainen IV, 126 (s. Anm. zu Kreutzwald Nr. 8).

Wie im sicilian. M. der Menschenfresser fragt »Oh, Caruseddu, du Bösewicht! wirst du denn auch wiederkommen?« und Caruseddu antwortet »Ja wohl!«, so fragt im gaelischen M. der Riese die Maol »When wilt thou come again?«, und sie antwortet »I will come when my business brings me«, und im ehstnischen fragt der Alte »Nikodemus, Söhnchen, willst du zurückkommen?« und Schlaukopf antwortet: »Ja, Papachen!«

Wie im Eingang des sicilian. M. Caruseddu die Kopftücher der Töchter des Menschenfressers und seine und seiner Brüder Zipfelmützen vertauscht, so daß der Menschenfresser statt der drei Brüder seine eignen Töchter frißt, so legt in der 1. griechischen Variante Skandalos die Goldäpfel von den Köpfen der Töchter der Drakäna auf seinen und seiner Brüder Köpfe, und in der 2. Variante verwechselt Zozos die Decken der Drakäna und die seine und seiner Brüder. Im gaelischen M. vertauscht Maol die Halsbänder der Riesentöchter mit dem ihrigen und denen ihrer Schwestern. Zu demselben Zwecke setzt in dem M. »l'oranger et l'abeille« der Gräfin d'Aulnoy Aimée ihrem Geliebten zweimal die Krone von Kindern des Menschenfressers auf, und in Perrault's Däumling und bei Zingerle II, 237 setzt Däumling seine und seiner Brüder Mützen den Töchtern des Menschenfressers,[255] sich und seinen Brüdern aber die Kronen jener auf. Vgl. auch Milá S. 183 = Wolf S. 45.


II. Caruseddu und die Tochter von der Königin mit den sieben Schleiern.

Mit dem, was hier von Caruseddu und der Tochter der Königin mit den sieben Schleiern erzählt wird, stimmt fast durchaus überein, was in Nr. 30 von Ciccu und der Schönsten der ganzen Welt erzählt wird. Man vgl. Straparola III, 2. Hier verlangt der Sultan von Kairo auf Anstiften neidischer Höflinge, daß Livoretto die Prinzessin Belisandra von Damaskus in seine Gewalt bringe. Livoretto entführt die Prinzessin mit Hilfe seines Zauberpferdes in ganz ähnlicher Weise wie Ciccu und Caruseddu. In Kairo wieder angelangt muß er den von der Prinzessin in's Wasser geworfenen Ring und dann das Wasser des Lebens herbeischaffen. Beides vollführt er mit Hilfe eines dankbaren Fisches und eines dankbaren Falken. Hierauf muß der Sultan auf Verlangen der Belisandra den Livoretto tödten, worauf sie ihn wieder belebt, und er ist schöner als je. Auch der alte Sultan will sich verjüngen, Belisandra tödtet ihn und heiratet Livoretto. Andre verwandte M., die jedoch dem sicilianischen ferner stehen, habe ich in meinem Aufsatz »Tristan und Isolde und das Märchen von der goldhaarigen Jungfrau und von den Wassern des Todes und des Lebens« in Pfeiffer's Germania XI, 3891, besonders S. 401, zusammengestellt. Ich füge diesen noch hinzu Hahn Nr. 63 und Schott Nr. 17. Das griechische M., worin der Held die Schöne der Welt herbeischaffen muß, deren Besitz den König verjüngen soll, ist sehr entstellt. Es kömmt darin, wie in den sicilian. M., aber an falscher Stelle, ein Ofen vor, in dessen Glut der Held steigt. Darein mußte eigentlich auch der König steigen und so umkommen. In dem walachischen M., das ebenfalls entstellt ist, muß sich der Held in siedender Milch baden, die sein Zauberpferd kühl bläst, während der König nach ihm in der Milch umkömmt.

1

Dazu F. Liebrecht's Nachtrag in derselben Zeitschrift XII, 81 ff.

Quelle:
Gonzenbach, Laura: Sicilianische Märchen. Leipzig: Engelmann 1870, S. 254-256.
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