14. Die drei Liebhaber.
(I tre amanti.)

[25] Ein schönes Mädchen hatte einmal drei Liebhaber, diese wussten jedoch keiner um den andern und jeder meinte, er sei der rechte und einzige Geliebte und das Mädchen wolle ihn heiraten. Auch konnten sie nicht zusammen treffen, denn jeder hatte seine bestimmte Stunde, wo er bei der Geliebten verweilen durfte.

Es kam der Neujahrstag, da dachte jeder von den drei Glücklichen: »Heute vor Mittag geh' ich zu meiner Geliebten Glück wünschen.« So trafen sie alle drei zusammen und sahen sich mit grossen[25] Augen an, ja sie geriethen sogar in Streit. Da trat das Mädchen als Schiedsrichterin unter sie und sprach: »Streitet nicht lange, sondern geht und wer von euch mir binnen einem Jahre ein Geschenk bringt, welches mir am besten gefällt, der soll mein Bräutigam sein.«

Alle drei gingen weit miteinander und kamen endlich an eine Stelle, wo die Strasse in drei Wege sich theilte. Da beschlossen sie jeder einen andern Weg zu gehen, nach Jahr und Tag aber hier wieder zusammen zu treffen und sich die inzwischen gewonnenen Geschenke zu zeigen; keiner aber dürfe vorher allein zurückkehren.

Der erste ging und schlenderte lange von einer Stadt zur andern, aber er fand nichts, was ihm zu einem Geschenke geeignet geschienen hätte. Eines Tages – es war sehr heiss und er hatte Durst – kam er an einem alten Weiblein vorüber, welches an der Strasse Aepfel feil hatte. »Was kostet ein Pfund Aepfel hier?« fragte er. Da lachte das Weiblein und rief: »Ei, der will gar ein Pfund! Mich dünkt, junger Herr, es sei genug, wenn Ihr das Geld habt mir nur Einen von diesen Aepfeln abzukaufen,« »Warum nicht gar«, versetzte er fast beleidigt, »was soll denn an diesen Aepfeln sonderbares sein?« – »Das sind keine gewöhnlichen Aepfel, Herr«, erwiederte die Alte. »Wenn Jemand zum Sterben krank ist und die Aerzte ihn schon aufgegeben haben, so braucht er von einem solchen Apfel nur ein Stückchen zu essen und er wird augenblicklich gesund aufstehen.« Da besann er sich nicht lange, sondern kaufte um einen sehr hohen Preis einen solchen Apfel, um ihn der Geliebten zum Geschenke zu bringen.

Der zweite war ebenfalls lange auf der Wanderung, ohne etwas rechtes zu finden. Da kam er eines Tages in einer Stadt an einem Tischlergewölbe vorüber, dort waren alle Arten von Tischen, Stühlen und Sesseln ausgestellt und weil er gerade müde war, setzte er sich auf einen schönen Sessel. Als gerade auch der Eigenthümer heraustrat, fiel ihm ein nach dem Preise des Sessels zu fragen. So und so viel, lautete die Antwort. »Und was kostet der alte Plunder dort?« fragte er wieder, indem er auf einen nahe stehenden hölzernen Stuhl hinwies. Der Verkäufer nannte eine sehr hohe Summe. »Ihr wollt mich zum Besten haben,« versetzte der andere und stand auf. »Herr, ich halte Niemanden zum Besten«, sagte der Eigenthümer. »Ihr könnt es nun aber freilich dem Stuhle nicht ansehen, welche Eigenschaft er hat und darum verzeih' ich Euch Euer misstrauisches Wesen.« »Was ist denn das für eine besondere Eigenschaft?« fragte der junge Mann. »Die besondere Eigenschaft« – lautete die Antwort – »ist[26] die, dass, wenn man sich auf diesen Stuhl setzt und sich da oder dort hin wünscht, man sogleich dort ist.« Da besann der Liebhaber sich nicht lange und kaufte den Stuhl, obwol er ihn fast all' sein Geld kostete. »Das ist das rechte Geschenk für meine Braut!« jubelte er und rieb sich die Hände.

Der dritte machte auch lange Kreuz- und Querzüge, wie die beiden ersten, ehe ihn Glück oder Zufall zu dem schönen Laden führte, worin eine Menge grosser und kleiner Spiegel zum Verkaufe ausgestellt war. Er fragte bei vielen nach dem Preise; endlich sah er in einem Winkel einen unscheinbaren kleinen Spiegel und fragte mehr aus Scherz als im Ernste um dessen Preis. Man nannte ihm eine so hohe Summe, dass er kaum so viel Geld hatte. Er hielt es für Scherz, allein der Inhaber des Ladens bedeutete ihm, das sei ein Spiegel, in dem man alles sehen könne, was man wolle. Der junge Mann blickte sogleich hinein mit dem Wunsche seine Geliebte zu sehen – und er sah sie auch wirklich, wie sie sich gerade kämmte und ihr üppiges Haar in Zöpfe flocht. Da besann er sich auch nicht, raffte sein Geld zusammen und kaufte den Spiegel. »Ein schöneres Geschenk als dieses«, dachte er, »können ihr die beiden andern gewiss nicht bringen!«

Als das Jahr abgelaufen war, fanden sich alle drei auf der Stelle der Scheidewege wieder ein und jeder erzählte, was er gekauft habe. Nun kam ihnen die Lust zu sehen, was denn ihre Geliebte jetzt thue. Sie blickten in den Spiegel – aber, o weh! sie sahen die Geliebte todtenkrank im Bette und ringsherum standen weinend und verzweifelnd die Aeltern und die Aerzte.

Da rief der erste: »O wenn ich nur mit meinem Apfel dort wäre!« Und der zweite fiel ein: »Setzen wir uns auf meinen Sessel!« Gesagt, gethan – und im Nu waren sie alle drei im Zimmer der Kranken. Da schnitt der erste ein Stück von seinem Apfel ab und gab es der Kranken zu essen. Alsogleich schlug sie die Augen auf, rührte Kopf und Arme und verliess bald frisch und gesund das Bett.

Welchen von den dreien hat nun das Mädchen wol etwa geheiratet? –

Quelle:
Schneller, Christian: Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Innsbruck: Wagner 1867, S. 25-27.
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