Sa rateta.
Das Mäuschen.
(Mallorca.)

[21] Es war ein Mäuschen, welches den Platz kehrte und darauf ein Geldstückchen fand und sagte:

Was soll ich damit machen, was soll ich damit machen?

– Kaufe ich Haselnüsschen? Nein, sonst müsste ich die Schälchen wegwerfen. Kaufe ich Nüsschen? Nein, ich müsste die Schälchen wegwerfen. Kaufe ich Mandelchen? Nein, ich müsste die Schälchen wegwerfen.

Ich werde mir einen Krautkopf kaufen und mir daraus ein Häuschen machen. Aus den Stengeln mache ich die Balken, aus den grösseren Blättern die Wände, aus den kleineren Blättern[22] werde ich die Scheidewände, aus den feinsten Blättchen werde ich ein Bettchen und Leintüchlein machen.

Also begann es zu machen und wie das Häuschen fertig war, stellte es sich auf den Balkon. Inzwischen ging eine Lämmerherde vorbei.

– Mäuschen willst du mich heirathen? sagten viele.

– Wenn ihr gut singet.

– Bèèèè ...

– Gehet weiter, gehet weiter, das ganze Häuschen erzittert und mich erschreckt ihr.

Es kam eine Herde Truthühner vorbei.

– Mäuschen, willst du mich heirathen?

– Wenn ihr gut singet.

– Piöp, piöp, piöp ...[23]

– Gehet vorüber, gehet vorüber, das ganze Häuschen erzittert und mich erschreckt ihr.

Es ging eine Hahnenherde vorbei.

– Mäuschen, willst du mich heirathen?

– Wenn ihr gut singet.

– Quet-que-requech, quet-que-re-quech –

– Gehet vorüber, gehet vorüber, das ganze Häuschen erzittert und mich erschreckt ihr.

Es ging eine Herde von grossen Katzen vorüber.

– Mäuschen, willst du mich heirathen?

– Wenn ihr gut singet.

– Miau, miau, miau ...

– Gehet vorüber, gehet vorüber,[24] das ganze Häuschen erzittert und mich erschreckt ihr.

Es ging eine Herde kleiner Katzen vorbei.

– Mäuschen, willst du mich heirathen? fragte ein hinkendes Kätzchen.

– Wenn ihr gut singet.

– Mièu, mièu, mièu ...

– Tretet herein, tretet herein, damit ihr das ganze Häuschen erheitert und mich auch.

Es traten die kleinen Kätzchen herein und das Mäuschen heirathete das hinkende Kätzchen.

Das Abendessen der Hochzeit schadete ihm und in der Nacht machte das Mäuschen seine Bedürfnisse in das Bett.

Am Morgen nach dem Aufstehen ging es mit den Leintüchern zum[25] Trog, um sie zu waschen, fand aber dort kein Wasser.

Es nahm das Leintüchlein und ging zu einem Wasserbehälter, um zu waschen, und fiel hinein.

Als das Kätzchen hinkam, sah es, dass es am Ertrinken war, und sagte zu ihm:

– Mäuschen, willst du, dass ich dich bei einem Oehrchen herausziehe?

– Nein, du würdest mir wehe thun.

– Mäuschen, willst du, dass ich dich bei einem Beinchen herausziehe?

– Nein, du würdest mir wehe thun.

– Mäuschen, willst du, dass ich dich bei einem Füsschen herausziehe?

– Nein, du würdest mir wehe thun.

Das Kätzchen nahm es beim Schwänzchen und zog es sorgsam heraus, ohne ihm wehe zu thun. Das[26] Mäuschen stellte sich unter einen Mandelbaum, um sich zu trocknen. Es war die Zeit der reifen Mandeln und eine Mandel fiel auf das Mäuschen herab und spaltete ihm das Schnäuzchen.

Das Kätzchen ging zum Hause eines Schusters und fragte ihn:

– Schuster, willst du mir Wichs geben, um meinem Mäuschen das Schnäuzchen zusammenzukleben?

Dieser sagte:

– Wenn du mir Borsten gibst.

Das Kätzchen ging zu einem Schweine.

– Schwein, willst du mir Borsten geben? Borsten werde ich dem Schuster geben, der Schuster wird mir Wichs geben, um das Schnäuzchen meines Mäuschens zu heilen.

Dieses sagte:[27]

– Wenn du mir Kleie gibst.

Es ging zu einem Bäcker.

– Bäcker, willst du mir Kleie geben? Kleie werde ich dem Schweine geben, das Schwein wird mir Borsten geben, die Borsten werde ich dem Schuster geben, der Schuster wird mir Wichs geben, um das Schnäuzchen meines Mäuschens zu heilen.

Dieser sagte:

– Wenn du mir Mehl gibst.

Es ging zu einem Müller.

Müller, willst du mir Mehl geben? Mehl werde ich dem Bäcker geben, der Bäcker wird mir Kleie geben, die Kleie werde ich dem Schweine geben, das Schwein wird mir Borsten geben, Borsten werde ich dem Schuster geben, der Schuster wird mir Wichs[28] geben, um das Schnäuzchen meines Mäuschens zu heilen.

Dieser sagte:

– Wenn du mir Weizen gibst.

Es ging zu einem Felde.

– Feld, willst du mir Weizen geben? Weizen werde ich dem Müller geben, der Müller wird mir Mehl geben, Mehl werde ich dem Bäcker geben, der Bäcker wird mir Kleie geben, Kleie werde ich dem Schweine geben, das Schwein wird mir Borsten geben, Borsten werde ich dem Schuster geben, der Schuster wird mir Wachs geben, um das Schnäuzchen von meinem Mäuschen zu heilen.

Dieses sagte:

–– Wenn du mir Wasser gibst.

Es ging zu einem Brunnen.[29]

– Brunnen, willst du mir Wasser geben? Wasser werde ich dem Felde geben, das Feld wird mir Weizen geben, Weizen werde ich dem Müller geben, der Müller wird mir Mehl geben, Mehl werde ich dem Bäcker geben, der Bäcker wird mir Kleie geben, Kleie werde ich dem Schweine geben, das Schwein wird mir Borsten geben, Borsten werde ich dem Schuster geben, der Schuster wird mir Wichs geben, um das Schnäuzchen meines Mäuschens zu heilen.

Dieser sagte:

– Wenn du mir einen Strick gibst.

Es ging zu einem Spartgrasflechter.

– Spartgrasflechter, willst du mir einen Strick geben? Den Strick werde ich dem Brunnen geben, der Brunnen wird mir Wasser geben, das Wasser[30] werde ich dem Felde geben, das Feld wird mir Weizen geben, Weizen werde ich dem Müller geben, der Müller wird mir Mehl geben, das Mehl werde ich dem Bäcker geben, der Bäcker wird mir Kleie geben, die Kleie werde ich dem Schweine geben, das Schwein wird mir Borsten geben, die Borsten werde ich dem Schuster geben, der Schuster wird mir Wichs geben, um das Schnäuzchen meines Mäuschens zu heilen.

Dieser sagte:

– Ich will dir nichts davon geben.

Das Kätzchen kehrte zum Mäuschen zurück und leckte ihm das Schnäuzchen, um zu sehen, ob es heilen würde und wie es das Blut kostete, und merkte, dass es gut schmeckte, bekam es Lust und frass das Mäuschen.[31]

Und daher kommt es, dass die Katzen die Mäuschen fressen.

Quelle:
Erzherzog Ludwig Salvator: Märchen aus Mallorca. Würzburg, Leipzig: Verlag der Kaiserlichen und Königlichen Hofbuchhandlung von Leo Woerl, 1896, S. 21-32.
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