Es moro cégo.12
Der blinde Maure.
(Valldemosa.)

[260] In Algier war ein Mallorquinischer Gefangener im Hause eines maurischen Herrn, der blind war und der ihn als Sklaven gekauft hatte.

Dieser Gefangene war bei seinem Herrn sehr beliebt, weil er ein sehr braver Junge war und alle Arbeiten sehr gut zu verrichten wusste.

Eines Tages sagte der Herr zu ihm:

– Wenn du machtest, was ich dir sagen würde und mich nicht betrügtest, würde ich dir die Freiheit und so viel Geld als du willst geben.

– Sagen sie was soll ich thun.

– Wenn ich dich nach Mallorca[261] schicke, würdest du nicht mehr zurückkehren, weil es deine Heimath ist, aber ich versichere dich, wenn du zurückkehren möchtest, würdest du zufrieden mit mir sein.

– Sagen sie mir, was ich auf Mallorca thun soll und vertrauen sie auf mein Wort.

– Von welcher Ortschaft bist du?

– Von Valldemosa.

– Du musst den Puig de na Fátima kennen?

– Ja Herr und sehr genau, weil ich ihn durchwandert habe, um dort Gras zu mähen.

– Also gut. Ich werde dir sieben Paar Schuhe geben, mit diesen sieben Paar Schuhen wirst du nach Mallorca gehen.

Wenn du dort bist, wirst du[262] an einem Montag ein Paar Schuhe anziehen und mit den angezogenen Schuhen auf den Puig de na Fátima steigen und den ganzen Tag dort spazieren gehen.

Am Abend wirst du die Schuhe ausziehen, ein Zeichen daran machen, dass es jene des Montags sind und sie aufbewahren, gut aufbewahren.

Anderen Tages Dienstag, wirst du ein anderes Paar Schuhe anziehen und mit den angezogenen anderen Schuhen wirst du auf den Puig de na Fátima zurückkehren und dort den ganzen Tag spazieren gehen. Am Abend wirst du ein Zeichen daran machen, damit man erkenne, dass es die Schuhe sind, die du den Dienstag getragen hast, und sie aufbewahren, gut aufbewahren.[263]

Am Mittwoch wirst du ein anderes Paar Schuhe anziehen und wirst dasselbe machen; am Donnerstag das gleiche, ebenso Freitag und Samstag, endlich am Sonntag wirst du das siebente Paar anziehen, und an allen wirst du den Tag bezeichnen, an dem du sie getragen hast.

Sodann wirst du gleich hierher zurückkehren und mir die sieben Paar Schuhe gut eingewickelt bringen und sehr behutsam, damit keiner verloren gehe.

– Haben sie keine Angst, es wird alles so gemacht werden, wie sie sagen, sagte der Sklave.

– Gut sagte der Herr. Wenn du wieder zurückkehrst, ich versichere dich, du wirst es nicht bereuen, weil[264] ich dir dann die Freiheit und so viel Geld, als du verlangst, geben werde.

Der Gefangene kam nach Mallorca, machte alles so wie sein Herr ihm gesagt hatte, kehrte dann wieder nach Algier zurück und brachte die gut zugerichteten Schuhe mit.

Als der Herr vernahm, dass er zurückgekehrt sei, war er sehr zufrieden, weil er sich schon gedacht hatte, dass er nicht zurückkehren würde, und sofort nahm er das Paar Schuhe vom Montag, brachte sie vor seine Augen und rieb sie .... und nichts.

Alsdann nahm er das Paar des Dienstags, brachte sie vor seine Augen .... und nichts.

Alsdann das Paar des Mittwochs, des Donnerstags, des Freitags, des[265] Samstags, und alle brachte er vor seine Augen .... und nichts.

Alsdann nimmt er das siebente Paar, welches das vom Sonntag war, und brachte es vor seine Augen und sogleich war er von seiner Blindheit geheilt und konnte sehr gut sehen. Und das kam von der Heilkraft der Kräuter, auf welchen jene Schuhe getreten waren.

Der Herr warf sich an den Hals des Gefangenen und begann ihn zu küssen und er gab ihm die Freiheit und eine Anzahl Beutel mit Gold.

Der Gefangene kehrte nach Mallorca zurück, er blieb wohlhabend sein ganzes Leben und seine Nachkommen sind noch reich.

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Anm. Das gleiche Märchen wird auch in Artá erzählt und dem Puig den Mayans zugeschrieben.

Quelle:
Erzherzog Ludwig Salvator: Märchen aus Mallorca. Würzburg, Leipzig: Verlag der Kaiserlichen und Königlichen Hofbuchhandlung von Leo Woerl, 1896, S. 260-266.
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