383. Violinist betrogen.

[465] Mündlich; mitgetheilt von Jaek van de Velde.


Ein alter Violinist hatte bei der Kirmeß zu Opbrakel aufgespielt und kehrte mit gefüllten Taschen und seelenzufrieden nach Hause zurück. Um aber nach Niederbrakel zu kommen, mußte er durch einen Busch. Es war schon Mitternacht und Kartof, das war der Name des alten Künstlers, ging noch immer in dem Busche; da steckte er zufällig die Hand in seine Hosentaschen und fühlte seine Pfeife. »Ach«, sprach er zu sich selbst, »hätte ich doch nur ein bischen Feuer, wie genüglich könnte ich ein Pfeifchen rauchen.« Kaum hatte er das Wort aus dem Munde, als er in der Mitte des Busches, etwa einige hundert Schritte von sich ab, ein Licht gewahrte. Er ging darauf zu und sah, als er näher kam, daß es ein großes Holzfeuer war, um welches herum viele Männer und Frauen Hand in Hand sprangen und tanzten. »Liebe Herren und Frauen, ich wünsche euch einen vergnügten Abend«, sprach Kartof; »wollet ihr mir nicht gestatten, die Freiheit zu gebrauchen, daß ich mich eines Bischens von dem Feuer da bediene?« – »Gern, gern«, sprachen die Tänzer, und jeder sprang zu, um dem Spielmann Feuer zu geben, und bald blies er fröhlich dicke Rauchwolken von sich. Da sahen die Tänzer Kartofs Geige, und sie fragten ihn, ob er ihnen nicht eine Quadrille aufspielen wollte. »Ah, warum nicht?« schmunzelte der Alte, und zugleich gingen alle weg und führten ihn in ein großes Schloß, wo sie ihm einen mächtigen Becher Weins boten. Der Spielmann stimmte seine Geige und begann zu fiedeln, und die Männer und Frauen tanzten lustig und, was das Beste war, jedesmal, wenn sein Arm sinken wollte, sprang einer zu ihm hin und warf[466] ihm ein Goldstück in die Höhlung des Instrumentes. Das gefiel dem Alten über die Maaßen und er strich immer lustig zu und trank von Zeit zu Zeit einen tüchtigen Schluck, und das dauerte so lange, bis die Augen ihm vor Schlaf zusanken.

Die Sonne stand schon ziemlich hoch, als Kartof erwachte und einmal um sich schaute, um zu sehen, ob er denn nicht geträumt habe. Da fand er denn, daß er nicht, wie er meinte, in einem schönen und großen Schlosse lag, wohl aber in der Mitte des Waldes und neben einem großen Haufen Holzasche, in dem einzelne Kohlen noch glimmten. Erstaunt riß er sich auf und griff nach seiner Geige, aber die war nicht gar schwer, auch rasselte kein Gold darin; und als er die Höhlung leerte, da fielen nur gelbe Buchenblätter auf den grünen Rasen nieder.

Da sah er nun wohl, daß ein Spuk ihn betrogen hatte, und dieß wurde ihm um so klarer, als er sich nicht erinnern konnte, je ein solches Schloß, wie das war, worin er gewesen, in dem Walde gefunden zu haben. Er zündete seine Pfeife an den glimmenden Kohlen stille an und ging mit dem festen Entschlusse nach Hause, nie mehr um so späte Stunde noch den Wald zu durchschreiten.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 465-467.
Lizenz:
Kategorien: