[473] 389. Das verwandelte Pferd.

Mündlich aus Bollebeck.


Auf einem großen Pachthofe zu Bollebeck wohnte ein Knecht, der bekam immer gar köstlich Essen von der Pachterin und wurde trotzdem doch täglich magerer. Die andern Knechte fragten ihn häufig, woher das käme, aber er sprach immer, er wisse es nicht, bis endlich der Schäfer, der sein bester Freund war, auch ihn ausforschte. Diesem gestand er denn, daß die Pachterin jeden Abend an sein Bett käme und ihm einen Zaum überwürfe, wodurch er alsbald in ein Pferd verwandelt würde; dann setze sich die Pachterin auf ihn und ritte mit ihm in die Nacht hinein. »Das ist mir doch unglaublich«, sprach der Schäfer darauf; »laß mich doch diesen Abend in deinem Bette liegen, ich möchte das Ding einmal probiren.« Der Knecht war deß zufrieden und der Schäfer legte sich in das Bett.

Gegen zehn Uhr kam die Pachterin leise geschlichen und wollte ihm den Zaum überwerfen; er war aber behender, riß dem Weibe schnell den Zaum aus der Hand und warf ihn ihr selbst über den Kopf, und zur selben Sekunde stand sie als Pferd vor ihm. Er ritt die ganze Nacht mit ihr im Felde umher; als der Morgen dämmerte, eilte er jedoch mit ihr zurück, führte sie zum Pachter und sprach: »Meister, da ist ein Roßhändler im Dorfe, der wollte gern die Mähre quitt sein, er[473] fordert fünfhundert Franken dafür.« – »Sie ist verkauft«, sprach der Pachter, »komm in die Stube und ich will dir das Geld geben.« – »Ja«, bemerkte der Schäfer darauf, »aber ohne den Zaum, den will er wieder haben«; und der Pachter lachte und sprach, wenn das alles wäre, dann bliebe der Kauf Kauf, und er zahlte das Geld aus. Der Schäfer steckte es schnell in die Tasche und nahm der Mähre den Zaum ab – und die Pachterin stand leiblich vor ihnen und fiel ihrem Manne mit bittern Thränen zu Füßen, versprechend, sie wolle es nicht mehr thun. Der Schäfer behielt das Geld, nur mußte er geloben, nichts von der Sache zu sagen; das hat er auch gehalten bis auf sein Todesbette.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 473-474.
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