397. Gespenster zu Amsterdam.

[480] Philipp von Zesen, Beschreibung der Stadt Amsterdam. Amsterdam 1664. S. 173–179.

E.D. Hauber, Bibliotheca, acta et scripta magica. Gründliche Nachrichten und Urtheile von solchen Büchern und Handlungen, welche die Macht des Teufels in leiblichen Dingen betreffen. Lemgo 1738–1740. II, Stück 17, S. 293.


In dem Jahre 1555, demselben, wo König Philipp von seinem Vater die Herrschaft über die Niederlande empfangen, ward ein Frauenmensch, Namens Meins Kornelis von Purmerend nach dem zwanzigsten Tage ihrer Gefängniß als eine Zauberin und Hexe auf den sieben und zwanzigsten Hornung in Amsterdam zum Feuer verurtheilt und vom Scharfrichter öffentlich verbrannt.

Im Jahre 1535 hatte diese einmal bei Abwesenheit ihrer Herrschaft Morgens am Feuer gesessen, als sie auf einmal zehn bis zwölf Katzen zu sich kommen sah, welche wohl eine halbe Stunde Pfote an Pfote um sie herum[480] getanzet und darnach wieder davon gelaufen waren. Des Abends darnach, als sie schlafen gehen wollte, fand sie eine von den Katzen in ihrem Bette, nahm sie bei dem Halse und warf sie durch die Oberthür ins Wasser. Aber stracks darnach lag dieselbige Katze ganz naß wieder in ihrem Bette, worob sie so erschrak, daß sie ihren Herrn und ihre Frau zu Hülfe rief, welche ihr auch zugelassen, an einem andern Orte zu schlafen. Weil ihr nun in fünf oder sechs Tagen nichts weiter begegnete, legte sie sich wieder in die frühere Kammer und vernahm auch in zehn oder elf Wochen nichts weiter. Aber ungefähr fünf Jahre hernach vermiethete sie sich bei einem Bürger, Namens Jacob Ruhl, dessen Frau sehr viel auf sie hielt, weil sie ihr von Verkaufen der Waaren und Empfangen der Gelder allezeit gute Rechnung ablegte. Allda hörte sie einstmals eine Frauenstimme, welche zu ihr sprach: »Spiele und gieb ihr was: du möchtest heute oder morgen dich verheirathen, alsdann kannst du etwas haben, wovon zu leben.« Weil aber ihr Herr, dem sie solches erzählet, ihrem vielen Wachen die Schuld davon gab, schlug sie solches in den Wind.

Eine Zeit darnach ist sie wiederum, als sie des Abends vor dem Bette auf ihren Knieen gelegen und gebetet, einer Frauen Stimme gewahr worden, welche zu ihr gesagt: »Noch willst du nicht zulassen, deinem Herrn und deiner Frau etwas zu geben; darum auch dein Maul Fliegen soll fangen.« Als sie sich auf dieses Gelaute umgewendet, wurde sie hinter sich vier Frauen in besonderer Tracht ansichtig, davon hatte die eine ein Schurztuch voll Steine, und jede warf ihr zwei oder drei derselben auf den Leib mit den Worten: »Deine Gosche soll Fliegen fangen.« Darauf schmissen sie das Licht aus, ließen die Steine liegen und verschwanden. Des andern Tages war ihr ganzer Leib nicht anders,[481] als eine einzige Beule und so blau, wie eine Lunge. Die Nachbarn, welche davon hörten, setzten sie in einen Stuhl bei dem Heerd und kochten ihren Harn mit neuen Nadeln in einem neuen Topfe, damit diejenigen, welche ihr solches angethan, gezwungen würden, vor den Tag zu kommen. Darauf erschienen acht Frauen, auf unterschiedliche Weise gekleidet; die nahmen sie aus dem Stuhle heraus und warfen sie auf den Boden.

Später kam sie bei einem sichern Adrian Klasen zu wohnen und verlor daselbst fünfzehn oder sechzehn Kronen aus ihrem Kistlein. Sie sprach die Frau darüber an, die wußte aber nichts davon. Des Abends wollte sie zu ihrer Kammer gehen, wurde aber die Treppe hinabgeworfen, jedoch ohne einige Verletzung. Am andern Tage, als sie die Fässer scheuerte, trat ein junger Geselle, mit einer spanischen Kappe mit Sammt gefüttert auf dem Haupte und einem Degen mit silbernem Gefäß an der Seite, bei hellem Mittage zu ihr und fragte: »Wollt ihr keinen Freier haben? Hier steh' ich als ein junger Kerl.« Zeigte ihr auch stracks das Säcklein mit den Kronen und sprach: »Da ist euer Geld in dem Säcklein; es ist vermehret und nicht vermindert.« Sie sprach, sie wolle das vermehrte Geld nicht, sondern nur ihr eigenes; auch keinen Freier; worauf er mit dem Säcklein weggegangen und gesagt: »Ich will wiederkommen und anhalten: ihr müßt einen reichen Freier haben.« Ist auch nach acht Tagen wiedergekommen, als sie des Morgens früh vor der Thüre gestanden, und hat sie also angeredet: »Neulich habt ihr euch geweigert, das Geld anzunehmen, darum will ich euch itzund was abschmieren.« Hierauf hat er ihr Tuch vom Halse, den Rock in Stücke und einige Kräuter, welche ein Wundermeister ihr hineingenähet, herausgerissen, auch noch beigefüget: »Nehmt noch das Geld.« Als sie aber um Hülfe gerufen und[482] ihr Herr hinzugekommen, ist er von Stund an weggelaufen.

Nach der Zeit hat sie sich verehlicht, auch keine Anfälle mehr von dem Gesellen gehabt, wohl aber von den Weibern, die sie immerdar knippen. Einstmals ist ihr Mann trunken nach Haus kommen und hat auf sie geflucht und gesagt: »Das Wild muß dir noch abgejagt werden.« Damit risse er auch einen Degen von der Wand, mit dem er ihr den Kopf zu spalten vermeinet. Stracks hierauf kamen zehn oder zwölf Frauen, die zu ihr sagten: »Brecht das Messer, so kann es euch keinen Schaden thun«, welches sie auch mit ihrer Hülfe verrichtet. Die Weiber warfen sie aber alsdann über die Thür auf die Gasse, richteten sie auch später noch zu verschiedenen Malen mit Schlägen und Stößen übel zu; vier Wochen darnach lief ihr Mann in den Krieg. Als der sie nun verlassen, sind gemeldete Weiber in einer Nacht gekommen und haben sie, da sie noch schwanger gewesen, oben auf das Haus gebracht und mit den Händen an das Dachfenster festgebunden, also daß sie mit der einen Hälfte des Leibes aus dem Fenster, mit der anderen Hälfte aber innerhalb gehangen.

Später hat sie noch viele Remedia gebraucht, hat aber alles nichts helfen wollen und sie nur ganz matt gemacht. Da ist auf einen Mittag eine ältliche Frau mit einem Oberysselschen Mantel an ihr Bette gekommen, hat sie gegrüßet und gesagt: »Meins, ich bitte euch um Gotteswillen, daß ihr mir das, was ich euch zu Leide gethan, vergeben wollet.« Und als sie geantwortet, daß sie es ihr gerne vergeben wollte, ist die Frau weggegangen mit Vorgeben, daß sie über anderthalb Stunden wiederkehren werde. Eben um diese Zeit aber ist ihrer Hausfrauen Tochter zu ihrer Mutter gelaufen kommen mit Bericht, daß sie nach Meinsen Kammer eine große[483] rothe Katze hätte laufen sehen, wovon Meins aber nichts gewußt. Als die Frau wiedergekommen, ist Meins mit ihr zuerst in die neue Kirche gegangen, da sie beide auf den Knieen gebetet, und alsdann auf den Damm. Daselbst hat sich die Frau auf der Treppe vor dem Rathhaus niedergesetzet und gesagt: »Wenn allhier ein Pfahl stünde, daran ich mit eisernen Ketten festgeschlossen wäre, und ein grimmiges Thier risse mir das Fleisch stückweise aus dem Leibe, so litte ich nicht nach meinem Verdienste.« Von hier haben sie sich ferner nach dem Heiligthum zu begeben, und nachdem sie dreimal darum gekrochen, sind sie auf die Lambertsbrücke gegangen, wo die Frau etwas aus dem Aufschürzel gezogen, und, indem sie solches ins Wasser geschmissen, gesagt: »Da liegt all meine Bosheit und Schelmerei. Herr, ist es dein Wille und dieser Meins selig, so gieb ihr wieder, was ich ihr genommen.« Hierauf ist die Frau von ihr geschieden und Meins nach Hause gegangen.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 480-484.
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