499. Der schwarze Hund.

[598] Mündlich.

Emancipation. 1837. Nr. 178.


Eine fromme Frau kam eines Abends in einer Stadt der Landschaft Waes an und eilte, während man ihr Gepäcke ablud, ihrem Hause zu, welches auf dem großen Markte lag. Es war schon elf Uhr und der Mond schien nur wenig, jedoch immer so viel, daß sie einen ungeheuer großen und rabenschwarzen Hund, der ihr langsam und ruhig folgte, deutlich erkennen konnte. Sie dachte jedoch an nichts Arges und glaubte, es wäre der Hund eines oder des andern Fleischers, der spät erst von der Reise zurückgekehrt sei; doch beschleunigte sie ihre Schritte; der Hund that alsbald desgleichen. An ihrem Hause angekommen, klingelte sie mehre Male, aber alles schlief schon und sie stand in der Zeit vor der Thüre und der Hund vor ihr, sie mit starren Augen anschauend.[598] Vorher schon hatte sie die Vorsicht gehabt, Sankt Jans Evangelium zu beten; nun betete sie es mit noch mehr Andacht, denn es wurde ihr immer begreiflicher, daß der Hund kein natürlicher sein konnte.

Endlich öffnete einer der Diener ihr das Thor, aber kaum hatte der den Hund gesehen, als er schrie: »Um Gotteswillen, Frau, das ist er!« Und so war es auch; der Hund war der Spuk, der jede Nacht die Stadt durchstrich und sich den Leuten auf den Rücken hing, um sich von ihnen tragen zu lassen. Das Beten von Sankt Jans Evangelium hatte die Frau gerettet.

Quelle:
Wolf, Johann Wilhelm: Niederländische Sagen. Leipzig: Brockhaus, 1843, S. 598-599.
Lizenz:
Kategorien: