10. Der närrische Prinz.

[389] Es war einmal ein könig, der drei söhne hatte. die zwei älteren galten für sehr gescheit, der jüngste aber für unvernünftig. vor dem königspallaste stand ein schöner, großer baum, der ganz von gold war, und auch goldene äpfel trug. aber alle nacht kam ein dieb zu dem baume, und stahl von ihm viel schöne goldene äpfel. der könig ärgerte sich sehr darüber und ließ den baum tag und nacht bewachen, aber nichts wollte helfen, denn der dieb kam doch und stahl von den goldenen äpfeln immer mehr. da sprach der älteste sohn zum könig: ›erlaubt mir lieber vater den baum zu überwachen. ich will euch doch den dieb einmal fangen.‹ – der alte könig besann sich keinen augenblick und erlaubte es dem sohne. dieser ging und wollte über nacht den baum bewachen, aber als es nur gegen mitternacht kam, da schlief der gute wächter ein und der dieb wirthschaftete wie früher. – drauf meldete sich der zweite sohn, aber ihm ging es nicht besser, als dem ersten, denn auch er schlief gegen mitternacht ein, indeß der dieb kam und die schönsten goldenen äpfel in großer menge wegstipizte. als nun die beiden gescheiten brüder gegen den schlimmen gast nichts zu thun vermochten, bat der dumme sohn seinen vater, er möchte ihm erlauben, den baum zu bewachen. der könig lachte nur über den dummen jungen und meinte: ›wenn deine älteren brüder nichts ausrichten konnten gegen den schlimmen räuber, was willst du närrischer dagegen thun?‹ er erlaubte es ihm aber und der närrische sohn ging, wache zu halten.

Der närrische sohn war aber nicht so dumm, wie die leute von ihm glaubten. er war wol gescheit und zu dem noch vernünftiger als beide älteren brüder. ehe er wache hielt, machte er auf dem goldenen baume ein nest aus dornen und disteln. dahinter verbarg er sich gar wol und wenn er zu nacht einnickte, stach er sich gesicht und nase blutig, so daß er immer wach bleiben mußte. da kam der dieb; er war ein schöner goldener vogel und hatte[389] eben so schöne, goldene augen und eben so schöne goldene krallen. da reckte der närrische sohn die hand aus und fing den vogel. er verblieb mit seiner beute die ganze nacht über ruhig auf dem baume und als es morgen wurde, stieg er herab und ging zu des königs schlafgemach.

Der könig schlief noch fest, und seine thüre war verschlossen. aber der närrische sohn war sehr ungeduldig und weckte den könig durch einen großen lärm aus dem schlafe. der könig stund auf und öffnete die thüre. da sprang der närrische sohn ins zimmer und ließ den goldenen vogel vor lauter freude los; aber der goldene vogel flog zur thüre hinaus, die noch offen stand. da weinte der närrische sohn und klagte laut über das böse thier. aber ihm blieben noch drei goldene federn vom vogel in der hand stecken und diese zeigte er dem könige, der noch schlaftrunken war und nicht glauben wollte, daß der närrische sohn den hübschen dieb gefangen hatte. aber er sah später die wahrheit ein und war sehr traurig, weil er den goldenen räuber nicht selbst sah. da sprach er einmal zu seinen drei söhnen: ›die drei federn vom goldenen vogel müssen eine große bedeutung haben. ich denke, daß ihr den vogel suchen gehen sollt und welcher von euch dreien mir ihn bringen wird, der soll schon zu meinen lebzeiten die hälfte meines königreiches bekommen. wenn euch der preis lieb ist, so sucht in der welt euer glück.‹

Die drei königssöhne waren des zufrieden und nahmen bald abschied von ihrem vater. die zwei älteren brüder füllten sich ganze säcke mit kukuruzmehl und käse an, indeß der jüngste sich einen knotenstock von einem weidenbaume abschnitt und nur ein stückchen alten maiskuchen in die tasche steckte. so machten sich die drei auf den weg. sie gingen und gingen einen ganzen tag miteinander und jeder wußte ein märlein zu erzählen. dabei aber lachten die zwei älteren brüder viel über den jüngsten, und schalten ihn fast alle augenblicke einen narren. den folgenden tag kamen sie in einen wald und der jüngste sprach: ›wißt ihr was, liebe brüder? es frommt uns[390] nichts, wenn wir alle drei nur einen weg gehen; trennen wir uns lieber. aber damit wir wissen sollen, wenn wir einmal wieder zurückkehren, ob einer oder der andere von uns auf der reise gestorben sei, schießen wir alle drei in einen dicken baum. wessen loch indeß mit moos reichlich verwachsen ist, der ist todt, und wir brauchen den nie mehr aufzusuchen.

Die drei brüder schossen in einen dicken baum, krazten in die rinde ihre namen darunter ein und gingen, die beiden älteren miteinander auf der hochstraße, der jüngste aber ganz allein in den tiefen, tiefen wald.

Als der jüngste lange zeit gegangen war, begegnete er einem krummen wolf. er erschrack sehr über das böse thier, aber der wolf sprach gar freundlich: ›fürchte dich nicht vor mir, lieber prinz, ich weiß gar wol was du hier haben willst. du suchst einen goldenen vogel, der deinem vater äpfel stahl. wenn du mir ein stück fleisch aus der stadt holst, um meinen hunger zu stillen, so führe ich dich zum goldenen vogel.‹

Der bursche ging. bald darauf kam er aus der stadt und brachte dem wolfe ein großes stück fleisch. der wolf ließ es sich gut schmecken und nachdem er damit fertig war, mußte sich der prinz auf seinen rücken setzen und er trug ihn tag und nacht mit sich fort.

Lange wanderten sie so mit einander und kamen in ein gar fremdes, fremdes reich. sie setzten über die gränze und kamen nach zwei tagen vor eine große, große stadt, in welcher ein könig wohnte. da hielt der wolf an und sprach: 'geh du jetzt in das königsschloß. vor dem gemache des königs wird die wache schlafen; du aber geh nur hinein, denn du wirst in einem wandfache die goldenen äpfel finden und daneben auch den goldenen vogel in einem goldenen käfig. nimm du den vogel und die äpfel, aber den käfig laß stehen, denn die wache wird dich fangen. nimm dich also in acht, ich will indeß hier auf dich warten.

Der närrische prinz ging in den pallast und schlich sich in das zimmer des königs, denn die wache schlief[391] wirklich und ihm war es ein leichtes, zu den goldenen äpfeln und zu dem goldenen vogel zu gelangen. er steckte die äpfel in die tasche, aber mit dem vogel dünkte es ihm schwer. er meinte: ›wohin soll ich den hübschen vogel stecken? in die tasche doch nicht, denn dort sind die goldenen äpfel und halte ich den vogel in der hand, so kann er mir leicht entwischen. zudem ist der käfig so schön, so schön wie ich noch keinen gesehen habe.‹ er streckte die hand nach dem käfig aber in dem augenblicke zwitscherte und sang der goldene vogel so laut, daß die wache aus dem schlafe erwachte. diese packte ihn gleich fest und führte ihn am folgenden tage dem könige vor. der könig, welcher indeß erfuhr, daß der junge ein königssohn sei und des goldenen vogels wegen aus einem so fernen lande gekommen wäre, wunderte sich über den närrischen prinzen sehr und sprach zu ihm: ›weil du stehlen wolltest, hast du den tod verdient. ich schenke dir aber das leben und zudem auch den vogel sammt käfig und den äpfeln wenn du mir nur mein goldenes pferd zurück bringst, das mir der könig meines nachbarlandes gestohlen hat.‹

›Das will ich schon‹ sagte der närrische prinz. er wurde freigelassen, und eilte hinaus, wo der wolf seiner harrte. der wolf aber rief ihm entgegen: ›hab ich dir nicht gut gerathen, daß du den käfig nicht nehmen solltest?‹

Der junge schämte sich über seine dummheit und bat den wolf ihm noch einmal zu helfen. der wolf aber sagte: ›geh und bring mir ein stück fleisch aus der stadt, dann wollen wir ziehen.‹

Der närrische prinz eilte flugs zur stadt und brachte in einer halben stunde ein stück fleisch. der wolf schmauste es behaglich auf, und beide machten sich dann auf die wanderschaft.

Sie kamen nach einer woche vor jene stadt, in welcher jener könig wohnte, der das goldene pferd hatte. da blieb der wolf stehen und sprach zum närrischen königssohn: 'in jenem pallast steht das goldene pferd, dort stehen tag und nacht wächter, die es hüten. aber alle werden zu der zeit schlafen, wann du es stehlen willst[392] neben dem pferde liegen auch goldene reitgeschirre, laß die aber wo sie sind und nimm nur das pferd, sonst wirst du gefangen.

In der nacht ging der prinz in's königsschloß und kam auch dahin, wo das goldene pferd stand er schlich langsam den wachen vorüber und nahm das pferd am zügel, aber da sah er das goldene reitgeschirr und sprach zu sich selbst: ›was kann es schaden, wenn ich auch dieses mitnehme. es ist beinahe so schön und kostbar, als das pferd selbst.‹ er nahm das reitgeschirr, aber das goldene pferd fing so laut zu wiehern an, daß die wächter gleich wach wurden und den närrischen königssohn mit stricken banden. sie führten ihn tags darauf vor den könig, welcher sich über sein wagniß höchlich verwunderte. der könig sprach den närrischen prinzen also an: ›du hast versucht mein goldenes pferd zu stehlen und ich sollte dich deswegen tödten lassen; aber weil du muth hast, verlange ich von dir, daß du mir die prinzessin stehlest, die dem könige jenes landes gehört, in welchem die sonne zuerst scheint. bringst du mir diese schöne prinzessin zur braut auf mein königsschloß, so will ich dir nicht nur das leben lassen, sondern du bekommst auch das goldene pferd und das goldene reitgeschirr zum geschenk.

Das war der närrische königssohn zufrieden und eilte zur stadt hinaus, wo der wolf seiner harrte. da rief ihn der wolf an: ›siehst du, warum hast du mir nicht gefolgt? jetzt hast du weder das goldene pferd, noch das goldene reitgeschirr.‹

Der närrische prinz aber bat flehentlich: ›lieber wolf, sei nicht böse und hilf mir noch einmal. der könig verlangt von mir, ich soll ihm die schöne prinzessin jenes königes rauben, in dessen lande die sonne zuerst scheint. diese prinzessin will er zum weibe und ich bekomme dann von ihm das goldene pferd mit dem goldenen geschirr.‹

›Gut, ich will dir helfen aber zum letztenmale, denn du machst mir viel verdruß. hole mir aber vorerst ein stück fleisch aus der stadt und dann wollen wir weiter.‹

Der königssohn war darüber sehr vergnügt, und holte[393] bald ein großes stück fleisch aus der stadt. der krumme wolf würgte es weidlich hinunter, nahm dann den närrischen jungen auf den rücken und eilte mit ihm in jenes land, in welchem die sonne zuerst aufgeht. nach einer langen zeit kamen sie vor die königsstadt, hier hielt der wolf an und sprach zum prinzen: ›in den pallast geh du jetzt als bettler und bringe der holden prinzessin einen vielfarbigen blumenstrauß. die prinzessin wird sich darüber höchlich freuen und dich fragen, woher du die schönen blumen habest. du mußt darauf antworten: ›außerhalb der stadt weiß ich einen großen, großen garten und in diesem garten sind die schönen blumen in reichlicher menge.‹ die königs tochter wird neugierig sein und dich bitten, daß du ihr diesen wundersamen garten zeigest. du führst sie indeß zu mir herunter und wenn du mich von fern siehst, so umarme sie. dann will ich schnell zwischen deine füße laufen und du sitzest mit der schönen königstochter fest und geschickt auf mich. so bring ich euch beide weg, und du hast dein glück gemacht.‹

Der königssohn zog bettlerskleider an und ging mit einem reichen blumenstrauß in den pallast des königs. dort gab er den blumenstrauß der prinzessin, und die prinzessin freute sich gar sehr über das seltsame geschenk. ›ei alter, woher hast du diese schönen, schönen blumen?‹ fragte sie.

›Dort außerhalb der stadt weiß ich einen gar wunderbaren garten, in dem sind die lieblichen blumen in großer menge;‹ antwortete der närrische prinz.

›Wollt ihr mir ihn nicht zeigen‹ fragte die königstochter weiter.

›Warum nicht? euch zu liebe schöne prinzessin will ich alles thun, was ihr nur begehrt‹ antwortete er. er führte sie hinab bis außerhalb der königsstadt, und als er dort war, that er wie ihm der krumme wolf geheißen. indem er sie umarmte, rannte der wolf herbei, huschte unter seine füße und nahm die beiden auf seinen rücken. nun sprang der wolf über stock und stein eilends davon und war bald zu jener königsstadt gelangt, in welcher das goldene pferd war.[394]

Vor der königsstadt blieb der wolf stehen. er hielt ein wenig rast und dann verwandelte er sich schnell in ein mädchen, welches aber ganz so wie die geraubte königstochter aussah. da sprach er zum närrischen prinzen: ›die prinzessin bleibt hier stehen und wartet auf dich, bis du kömmst, ich aber gehe mit dir, und weil ich jetzt ganz wie die prinzessin aussehe, sagst du dem könig, ich sei seine braut. darauf, erhältst du zum geschenke das goldene pferd mit dem goldenen reitgeschirr und kehrst hierher zur prinzessin zurück. du mußt mit ihr aber geschwind wegreiten, das andere werde ich schon machen.‹

Der närrische königssohn ging mit dem verwandelten wolfe in's königsschloß. dort sagte er dem könige: ›hier habt ihr euere braut; gebt mir nun euer goldenes pferd, sammt dem goldenen reitgeschirr zum geschenke, wie ihr mir es versprochen habt.‹

Der könig war über die holdselige jungfrau sehr erfreut und gab dem närrischen jungen das goldene pferd sammt reitgeschirr. der königssohn nahm beides, und ritt zur geraubten prinzessin, nahm sie auf das goldene pferd und machte sich eilig davon.

Im königsschloß ging es indeß lustig her, denn der könig hielt mit dem verwandelten wolfe hochzeit. er war so erfreut über die blühende prinzessin, daß er an nichts anderes, als an sein glück dachte. aber einen tag darauf erkrankte seine junge gemahlin und ward sehr schwach. da riethen die alten weiber, die sich auf heilung der krankheiten verstanden, die kranke prinzessin ins freie zu fahren. der könig ließ dies geschehen, und als der wagen ins freie fuhr, und schon weit genug außer der stadt war, sprang die prinzessin heraus und verwandelte sich in das, was sie früher war. da schrien alle leute dem wolfe nach: ›tschihu, tschihu!‹ aber der wolf lief ungefährdet davon und holte bald den närrischen königssohn mit der schönen prinzessin und dem goldenen pferde ein.

Bald darauf kamen diese vor das schloß jenes königes, der das goldene pferd wünschte und bei dem der goldene vogel im käfig gefangen war. da verwandelte sich[395] der wolf in ein ebenso schönes goldenes pferd, und ging mit dem närrischen prinzen ins königsschloß, indeß die prinzessin mit dem goldenen pferde draußen ihrer harreten. der könig war über das goldene pferd so voller freude und vergnügen, daß er dem närrischen jungen um den hals fiel, und ihm dann den goldenen vogel sammt dem käfig und den äpfeln zum geschenke machte. der prinz nahm alles und ging. vor der stadt setzte er sich auf sein goldenes pferd und ritt mit seiner viellieben prinzessin auf und davon.

Aber der listige wolf im königsschlosse machte auch diesen könig zum gelächter. denn er stellte sich gefährlich krank und der könig war darüber sehr besorgt. da kamen mancherlei kurschmiede her, ein blinder, ein lahmer, ein vornehmer und ein räudiger, und alle diese riethen dem könig, das vornehme pferd in die freie luft zu führen, denn dadurch allein müßte es wieder gesund werden. der könig ließ dem gemäß das goldene pferd weit vor die stadt führen. da ward es aber wieder gesund, und machte sich als wolf aus dem staub. die vielen leute, die das sahen, schrien: ›tschihu, tschihu!‹ aber der vierbeinige spitzbube holte den närrischen königssohn sammt der prinzessin und dem goldenen pferde glücklich ein.

Sie wanderten lange zeit so, dann nahm der krumme wolf abschied. dabei aber sagte er dem närrischen prinzen: ›jetzt hast du alles was du dir nur wünschen mochtest. darum geh jetzt nach deines vaters schloß und zeig dem könig zu allererst den goldenen vogel. du bekommst dann die hälfte seines reiches und heirathest deine braut. bewahre aber auch das goldene pferd, denn ein vornehmer und mächtiger könig muß auf einem goldenen pferd reiten. – noch eins muß ich dir sagen und befolge meinen rath! wenn du jetzt ohne mich nach hause reitest, so kehre dich auf dem ganzen weg nicht um, auch wenn man dich ruft, denn das bringt dir schaden und du wirst überdies noch todt geschlagen werden.‹

Der närrische königssohn dankte hierauf dem wolf für seine treuen dienste und ritt auf dem goldenen pferde mit[396] der schönen prinzessin und dem goldenen vogel heim. er kam in den wald, in welchem er früher den wolf gefunden hatte. dann kam er auch zu jenem baum, in welchen er mit seinen zwei brüdern geschossen hatte. da sah er die rinde an, und suchte ob kein schuß mit moos verwachsen war. es war aber kein einziger verwachsen und dessen freute er sich sehr, denn er sah, daß auch seine brüder noch am leben wären. er ritt weiter und war ganz außer dem wald gekommen. auf einmal hörte er seinen namen rufen, er erkannte in den stimmen seine brüder. nun dachte er, was könnte es wohl schaden, wenn er seinen kopf umdrehte, seine lieben brüder nach so langer zeit wieder zu sehen. er sah sich um, und erkannte auch gleich die beiden. aber die brüder wurden sehr neidisch auf ihn, als sie gewahrten, daß er den goldenen vogel gefunden hatte, und zudem noch eine holdselige prinzessin als braut, und ein schönes goldenes pferd heimführte. sie packten ihn fest, und schlugen ihn auf der stelle todt. drauf setzten sie sich auf das goldene pferd, nahmen die schöne prinzessin zu sich und den goldenen vogel auch. so ritten sie nach hause und zeigten alles dem könig. sie sprachen: ›hier lieber vater haben wir den goldenen vogel dir gebracht; auch ein goldenes pferd ist unsere beute, wie eine schöne prinzessin, die wir von einem mächtigen könig zum freundschaftsgeschenk bekamen.‹

Der könig, welcher indeß alt geworden, freute sich gar sehr über seine zwei vernünftigen söhne und fragte lachend nach dem dritten sohn. aber die zwei bösen antworteten ihm mit hohn: ›wer weiß wo der närrische kerl hingekommen ist. wir haben ihn nirgend gesehen, denn er hat sich bald von uns geschieden, und ist allein auf die wanderschaft gegangen.‹

Den närrischen königssohn hatten die beiden bösen brüder in eine schanze geworfen, und ließen ihn so liegen. bald roch sein leichnam gar übel und der gestank lockte den krummen wolf herbei, der den armen prinzen bald erkannte. er legte sich zu ihm hin und heulte laut, weil es ihm sehr wehe um den guten jungen that. er dachte[397] nach, wie er den närrischen prinzen wieder ins leben rufen könnte. da kam ein altes bauernpferd herbei, und dieses biß er zu tode. dann öffnete er ihm den bauch, riß alle eingeweide heraus, und verbarg sich in ihm. auf einmal kamen viele, viele krähen, junge und alte herbeigeflogen und diese setzten sich alle auf das todte pferd und hackten mit ihren schnäbeln in sein fleisch hinein. jetzt langte er nach den krähen und fing davon drei blutjunge. die alten flatterten ängstlich um den wolf herum und erhoben ein jämmerliches geschrei, er möchte die drei jungen krähen wieder frei geben. aber der wolf gab sie nicht so leicht her und sprach zu ihnen: ›in jenem lande, wo die sonne zuerst aufgeht, sind zwei seen. diese zwei seen haben gar seltsames gewässer, denn besprengt man einen gemordeten todten mit dem ersten wasser, so heilen alle wunden, und besprengt man den todten mit dem anderen wasser, so steht er wieder auf und ist lebendig. wenn ihr mir also schnell ein fläschchen wasser von dem einen see, ein anderes fläschchen wasser vom andern see bringet, so bekommt ihr euere jungen wieder, wenn nicht, so freß ich sie gleich auf.‹

Mehre krähen flogen geschwind in das land, in welchem die sonne zuerst aufgeht. dort fanden sie die zwei seen, und nahmen aus beiden je ein fläschchen wasser. dieses brachten sie dem wolf, welcher noch immer im bauch des pferdes lag. der wolf nahm die fläschchen und sagte: ›laßt mich euere wässer probiren.‹ er riß dabei eine junge krähe auseinander und spritzte dann das eine und das andere wasser auf die zerrissene krähe. in einem nu war sie wieder lebendig geworden. nun gab der wolf die drei jungen thiere den alten krähen zurück und weckte mit beiden wässern den närrischen prinzen wieder zum leben.

Da rieb der närrische prinz die augen, wie nach einem langen, schweren traume. er sagte dann zum wolf: ›ach ich habe lange, lange geschlafen.‹

Drauf antwortete aber der wolf: ›du hast nicht geschlafen, sondern deine zwei bösen brüder haben dich hier getödtet. – hab' ich dir nicht gesagt, daß du dich nicht[398] umkehren solltest, wenn man dich auch rufen würde? schau, du folgst mir nicht und machst mir für meinen guten rath immer verdruß. geh jetzt nach hause; heute will dein ältester bruder deine braut heirathen. du aber sei auch dabei und mache die bösen zu schanden. lebwol! wir sehen uns niemals wieder.‹

Der wolf ging in den wald zurück und der närrische prinz machte sich auf den weg zum königsschlosse. dort herrschte während der ganzen zeit, in welcher der prinz todt war, sehr viel traurigkeit, denn die schöne prinzessin sprach kein wörtlein und brachte auch gar keinen anderen laut über ihre lippen. heute hätte sie hochzeit halten sollen mit dem ältesten königssohne und doch war sie tief betrübt. sie stand nur immer am fenster, welches dem walde zugekehrt war, und weinte sich bei tag und nacht die äuglein roth. das goldene pferd verschmähte alle kost und senkte traurig die mähnen. auch der goldene vogel im käfig war sehr betrübt; er sang nicht mehr und wurde krank. selbst der goldene käfig verlor die schöne goldfarbe und wurde kohlrabenschwarz, zum zeichen, daß auch er um seinen rechtmäßigen herrn trauere. da nun der prinz zum leben erwachte, verminderte sich die traurigkeit, und als er gar in die nähe zum königsschloß kam, hörte darin aller trübsinn auf. die prinzessin gewahrte ihn noch nicht, und doch war sie ganz verwandelt. sie freute sich so, als ob der närrische prinz schon an ihrer seite säße; das goldene pferd ließ sich jedes futter wol bekommen und sprang sogar vor lauter freude in das zimmer des alten königs; der goldene vogel sang sich die kehle heiser und brach zuletzt die stäbe seines käfigs, um in frohem entzücken durch alle königszimmer zu flattern; und auch der käfig verlor seine schwarze farbe und nahm wieder ein lichtes gold an. da wunderte sich der alte könig höchlich, was dies zu bedeuten hätte. die beiden brüder aber wurden blaßgrün, wie eine blaßgrüne wand, denn sie ahneten nichts gutes. jetzt stieg der närrische königssohn die treppen zum pallaste herauf und war bald im zimmer des alten königs, um sich mit ihm zu bewillkommnen. aber dies[399] vermochte er eine gute stunde nicht recht, denn der goldene vogel flog auf seine achsel und umflatterte ihm die augen und den mund; die schöne prinzessin warf sich in seine arme und küßte ihn vor freude und wonne; das schöne goldene pferd schmiegte sich um seine füße, und that recht herzlich, wie ein gutes, getreues thier. nun erzählte der närrische prinz seinem vater den ganzen vorgang und sein letztes abentheuer mit seinen zwei älteren brüdern, und der alte könig wischte sich die thränen aus den augen, und umarmte ihn gerührt als seinen einzigen, viellieben sohn.

Die beiden älteren söhne ließ der alte könig weit aus dem lande treiben, indeß er dem jüngsten sein ganzes reich schenkte. hierauf heirathete der närrische prinz die schöne prinzessin und lebte viele jahre glücklich mit ihr.


Czernowitz.

L.A. STAUFE.

Quelle:
Staufe, L. A.: Ein Märchen aus der Bukowina. In: Zeitschrift für deutsche Mythologie und Sittenkunde 2 (1855) 389-400, Göttingen: Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, S. 389-400.
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