[151] 27. Foma Berennikow

Es war einmal ein altes Weib, das hatte einen einäugigen Sohn mit Namen Foma Berennikow. Einst fuhr Foma aufs Feld hinaus, um zu pflügen, sein Pferdchen jedoch war [151] jämmerlich; da packte ihn der Kummer, und er setzte sich auf den Feldrain; die Fliegen aber schwirrten nur so über dem Dünger herum. Foma nahm eine Gerte in die Hand und schlug mit aller Kraft in den Haufen hinein; er zählte, wieviel er erschlagen hatte, kam bis fünfhundert, und noch lag eine Masse ungezählt da. Foma entschied, daß ihrer eine Unmenge war! Dann ging er zu seinem Pferde, und auf dem Pferde saßen zwölf Bremsen, die schlug er alle tot. Foma Berennikow kehrte zu seiner Mutter heim und bat um ihren großmächtigen Segen: »Ich hab vom gewöhnlichen Volk Unzählige erschlagen und dann noch zwölf machtvolle Helden. Laß mich, Mütterchen, auf kühne Taten ausziehen; die Erde zu pflügen ist keine Arbeit für einen Helden wie mich, das ist nur Bauerntagewerk!« Das Mütterchen segnete ihn zu kühnen Taten, zur Heldenlaufbahn. Auf die Schulter nahm er seine stumpfe Sichel, um die Hüften band er sich einen Korb aus Lindenbast, und in den Korb legte er ein stumpfes Hackmesser.

So reitet Foma über Weg und Steg, in unbekannte Länder, und kommt an einen Pfahl. Und er schreibt an diesen Pfahl – er hatte jedoch weder Gold noch Silber in der Tasche, fand aber zufällig ein Stückchen Kreide –, und so schreibt er also mit Kreide: »Hier ist der Held Foma Berennikow vorbeigeritten, der mit einem Streich zwölf mächtige Krieger fällt und obendrein noch ein unzählbares Heer.« Das schrieb er an und ritt weiter.

Des gleichen Weges kam auch Ilja Muromez geritten. Er reitet an den Pfahl heran, liest die Inschrift und sagt: »Wohl ist die Spur des Helden zu erkennen: weder Gold noch Silber verschwendet er, schreibt nur mit Kreide!« Und er schrieb mit Silber darunter: »Hinter Foma Berennikow her ist der Held Ilja Muromez geritten.« Er holte Foma ein und sprach zu ihm (er hatte gewiß vor der Aufschrift mit [152] Kreide Angst bekommen): »Mächtiger Held, Foma Berennikow, wo soll ich reiten: vor dir oder hinter dir?« – »Marsch, hinter mir!« antwortete Foma.

Und auf demselben Wege kam auch Aljoscha Popowitsch, der Junge, geritten. Er langt beim Pfahl an und sieht von weitem die Inschrift, leuchtend wie Feuer! Er liest die Aufschriften durch, zieht reines Gold aus der Tasche und schreibt: »Hinter Ilja Muromez ist Aljoscha Popowitsch, der Junge, hier vorbeigeritten.« Er holte darauf Ilja Muromez ein und fragte ihn: »Sag an, oh sage mir, Ilja Muromez, soll ich voran reiten oder hinter dir?« – »Nicht mich frage, sondern meinen älteren Bruder, Foma Berennikow.« Da ritt Aljoscha Popowitsch, der Junge, zu Foma Berennikow heran und fragte ihn: »Kühner Krieger, Foma Berennikow, wo befiehlst du Aljoscha Popowitsch zu reiten?« – »Marsch, hinter mir!«

So ritten sie über Weg und Steg in unbekannte Länder und kamen zu den grünen Gärten. Ilja Muromez und Aljoscha Popowitsch schlugen ihre weißen Zelte auf, Foma Berennikow aber seine Unterhosen. Die Gärten gehörten dem Zaren selbst, dem preußischen Zaren, und gegen ihn führte der chinesische König mit seinen sechs mächtigen Helden Krieg. Der preußische Zar schickte Foma Berennikow einen Brief, und in diesem Briefe stand geschrieben: »Gegen mich, den preußischen Zaren, kämpft der chinesische König; wollt Ihr mir nicht Eure Hilfe leihen?« Foma verstand nicht viel von dem Brief, schaute hinein, schüttelte den Kopf und sagte bloß: »Gut! gut!«

Der chinesische König aber zog nahe vor die Stadt. Da kamen Ilja Muromez und Aljoscha Popowitsch, der Junge, zu Foma Berennikow und sprachen diese Worte zu ihm: »Ein Heer zieht wider den Zaren und hält schon vor der Stadt; man muß zu Hilfe eilen. Gehst du selbst oder schickst [153] du uns?« – »Mach du dich auf, Iljuschka Muromez!« Ilja Muromez erschlug sie alle. Dann führte aber der chinesische König seine sechs Helden heran und ein unermeßlich großes frisches Heer. Ilja Muromez und Aljoscha Popowitsch kamen wieder zu Foma und fragten: »Sag an, oh sage uns, Foma Berennikow, gehst du selbst oder schickst du uns?« – »Mach du dich auf, Bruder Aljoscha Popowitsch!« Da ritt Aljoscha Popowitsch, der Junge, hin und erschlug das ganz unermeßlich große Heer und die sechs mächtigen Helden. Da sprach der chinesische König: »Ich habe noch einen Recken, den sparte ich mir zur Aufzucht; jetzt will ich auch den loslassen!« So führte er denn ein unermeßliches Heer heran und mit ihm den mächtigen, auserwählten Helden. Und der König sprach zu seinem Recken: »Nicht durch Kraft besiegt uns der russische Held, sondern durch List; was er tun wird, das mach ihm nach!« Ilja Muromez und Aljoscha Popowitsch, der Junge, kamen zu Foma Berennikow und fragten: »Gehst du selbst oder schickst du uns?« – »Ich geh selbst; führt mein Roß vor!« Die Rosse der beiden Helden waren auf dem freien Felde und rupften Gras, Fomas Gaul aber stand da und schlang den Hafer gierig hinunter. Ilja Muromez trat an den Gaul heran, aber der hatte sich vollgefressen, war mutig geworden, schlug aus und biß nach allen Seiten! Da ward Ilja Muromez jedoch ärgerlich, packte Fomas Roß am Schwanz und warf es über den Zaun. Aljoscha Popowitsch aber sprach zu seinem Gefährten: »Wenn uns nur Foma Berennikow nicht sieht, der zahlt es uns noch heim!« Ilja Muromez aber sagte: »Also steckt die ganze Kraft nicht im Gaul, sondern im Helden selber.« Und er führte die Mähre zu Foma Berennikow. Foma saß auf, aber dachte im stillen: »Mögen sie mich nur totschlagen! so werd ich wenigstens ohne Schande bleiben.« Er ritt davon, beugte sich auf den Hals nieder und[154] drückte die Augen zu. Der chinesische Held hatte den Befehl des Königs wohl behalten, beugte sich ebenfalls vornüber und schloß die Augen. Dann stieg Foma vom Gaul, setzte sich auf einen Stein und fing an die Sichel zu wetzen; der Chinesenheld machte es ihm nach, stieg ab von seinem starken Roß und schärfte sein Schwert. Da bemerkte er, daß Foma Berennikow auf einem Auge blind war, und dachte bei sich: »Er hat ein Auge zugekniffen, ich will ihn aber überlisten und beide Augen zudrücken!« Kaum hatte er sie aber zugedrückt, als Foma ihm den Kopf abschlug. Dann machte sich Foma an das Heldenroß und wollte aufsitzen, aber konnte nicht hinauf. Er führte das großmächtige Roß unter eine hundertjährige Eiche, kletterte auf den Baum und sprang rittlings auf das Roß hinunter. Kaum fühlte es aber den Reiter, so stieg es in die Höhe und riß die Eiche mitsamt den Wurzeln aus. Es rannte mit aller Macht und schleppte die riesige Eiche hinter sich her. Foma Berennikow aber schrie: »Helft, helft!« Doch die Chinesen, die Dummköpfe, verstanden die russische Sprache nicht und stoben in ihrem Schreck auseinander. Das Heldenroß zerstampfte sie mit den Hufen und schlug sie mit der hundertjährigen Eiche nieder: schlug alle tot bis auf den letzten Mann! Da schrieb der chinesische König an Foma Berennikow einen Brief: Er werde niemals mehr wider ihn Krieg führen. Das wollte Foma aber auch nur haben! Ilja Muromez jedoch und Aljoscha Popowitsch, der Junge, die staunten über Foma.

Und danach ritt Foma zum preußischen Zaren. »Womit soll ich dich belohnen?« fragte der Zar, »nimm so viel Gold, wie du willst, oder die Hälfte von meinem weißen Zarenreich oder meine wunderschöne Tochter.« – »Gib mir die wunderschöne Zarentochter und ruf zur Hochzeit meine jüngeren Brüder Ilja Muromez und Aljoscha Popowitsch, den Jungen.«

[155] Und so heiratete Foma Berennikow die wunderschöne Zarentochter. Man sieht, nicht nur die Helden haben Erfolg! Wer das Maul am vollsten nimmt, dem geht's am besten.

Quelle:
Löwis of Menar, August von: Russische Volksmärchen. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 151-156.
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