[196] 4. Der Skalundariese

Im Skalundaberg, bei der Kirche, wohnte in früheren Zeiten ein Riese, dem es gar nicht mehr behaglich war, seit man die Kirche dort gebaut hatte. Schließlich meinte er das Läuten der Kirchenglocken gar nicht mehr aushalten zu können; da wanderte er aus und ließ sich auf einer Insel weit draußen im Nordmeer nieder. Einst scheiterte ein Schiff an dieser Insel, und unter den Geretteten waren auch etliche Leute aus Skalunda.

»Wo seid ihr her?« fragte der Riese, der nun alt und blind geworden war und sich an einem Knüppelfeuer wärmte.

»Wir sind von Skalunda, wenn du es wissen willst,« sagte einer der Leute.

»Gib mir deine Hand, daß ich fühle, ob es noch warmes Blut gibt im Schwedenland,« sagte der Riese.

Der Mann, der den Händedruck des Riesen fürchtete, zog eine glühheiße Eisenstange aus dem Feuer und reichte sie dem Riesen. Der faßte sie kräftig und drückte sie, daß ihm das Eisen zwischen den Fingern hinabfloß.[198]

»Ja, es gibt noch warmes Blut in Schweden,« sagte er.

»Und«, fuhr er fort, »steht der Skalundaberg noch?«

»Nein, den haben die Hühner zusammengetreten,« gab der Mann zur Antwort.

»Er konnte ja nicht dauern,« sagte der Riese, »denn meine Frau und meine Tochter haben ihn an einem Sonntagmorgen zusammengetragen. Aber der Halleberg und der Hunneberg stehen sicher noch, denn die habe ich selbst gebaut.«

Als der Mann das bejaht hatte, wollte der Riese wissen, ob Karin in Stommen noch lebe. Und als die Männer das bejahten, gab er ihnen einen Gürtel und trug ihnen auf, Karin solle ihn als Andenken von ihm tragen.

Die Männer nahmen den Gürtel und übergaben ihn nach ihrer Heimkehr der Karin, aber bevor diese ihn anlegte, spannte sie ihn um einen Eichbaum, der im Hofe wuchs. Kaum war das geschehen, so riß sich die Eiche aus der Erde los und fuhr vom Sturmwind getragen nach Norden. An der Stelle, wo sie gestanden hatte, blieb eine tiefe Grube, und sie hatte so gewaltige Wurzeln, daß in einem der Wurzellöcher noch heutigen Tages Stommen seine beste Quelle besitzt.

Quelle:
Stroebe, Clara: Nordische Volksmärchen. 1 Teil: Dänemark/Schweden. Übersetzt von Klara Stroebe, Jena: Eugen Diederichs, 1915, S. 196-199.
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