1508. Todankünden.

[289] a) Zacharias Imholz, der gewandte, flinke Sigrist der St. Antonius Kapelle zu Wytterschwanden, erzählt:

Ich trat eines Abends aus unserer grossen Stube heraus, um zur Kapelle zu gehen und zu Beten zu läuten. Da erblickte ich in einer dunklen Ecke zwischen Stuben- und Haustüre ein unbekanntes Mannenvolk. Ich dachte bei mir: »Wenn's[289] etwas begehrt, so wird's schon reden«, und verliess das Haus. Drei Tage später erwartete mich zur nämlichen Stunde in derselben Ecke der Heirechen-Sepp und teilte mir mit, es seien ihm soeben seine Frau und ein Kind gestorben, und ich möchte so gut sein und ihnen läuten.

b) Eine jetzt 90jährige Person aus Unterschächen erzählt: »Ich und andere Kinder von Unterschächen sammelten Holz im Brunnital. Weil wir auf der einen Seite des Baches keines finden konnten, wateten wir trotz des Verbotes unserer Mutter auf die andere Seite, wo wir glücklich anlangten und Holz in Menge trafen. Auf einmal hörten wir Kindergeschrei. Wir liefen alle miteinander der Richtung nach, woher die Töne kamen. Bald erblickte ich ein etwa 2–3 jähriges Kind, welches jämmerlich weinte, obwohl ich keinen Kopf sehen konnte. Meine Gespanen sahen es nicht, aber hörten es weinen. Es fürchtete uns, und wir liefen eiligst heim. Einige Tage später fiel an jener Stelle ein blühendes Mädchen zu Tode. Vielleicht hat eine Arme Seele auf seinen Tod planget.«

c) Engelina, eine in unserm Hause wohlbekannte Person, kam von Andermatt durch die Schöllenen hinunter nach Göschenen. Durch die Heuetkehle jenseits der Reuss sah sie drei Männer herabsteigen, meinen Vater, dessen Bruder und einen Gehilfen. Sie wollte ihnen warten. Die drei Männer kommen unten an die Reuss, überschreiten den schmalen Steg und steigen aufwärts der Strasse entgegen. Hinter einigen Felsstücken aber entschwinden sie. Engelina wartet und wartet, doch die Erwarteten kommen nicht mehr zum Vorschein. Als sie in Göschenen in unserm Hause auf der Geissplatte einkehrte, sassen die drei Männer am Tische und stellten es durchaus in Abrede, an diesem Tage die Heuetkehle betreten zu haben. Im folgenden Winter wurden sie beim Heimschaffen von Wildheu in der genannten Kehle von einer Lawine überrascht und getötet (30. Januar 1838).

Quelle:
Müller, Josef: Sagen aus Uri 1-3. Bd. 1-2 ed. Hanns Bächtold-Stäubli; Bd. 3 ed. Robert Wildhaber. Basel: G. Krebs, 1926, 1929, 1945, S. 289-290.
Lizenz:
Kategorien: