Schreiadler (Aquila naevia)

[626] Häufiger als irgend einer der großen Adler, lebt in Deutschland der Schrei-, Rauchfuß- oder Entenadler (Aquila naevia, pomarina, assimilis, subnaevia und rufonuchalis). Er ist bedeutend kleiner als Stein- und Kaiseradler: seine Länge beträgt fünfundsechzig bis siebzig, die Breite einhundertachtundsechzig bis einhundertfünfundachtzig, die Fittiglänge achtundvierzig bis zweiundfunfzig, die Schwanzlänge vierundzwanzig bis sechsundzwanzig Centimeter.


Schreiadler (Aquila naevia). (Junger Vogel.) 1/5 natürl. Größe.
Schreiadler (Aquila naevia). (Junger Vogel.) 1/5 natürl. Größe.

Ein sehr gleichmäßiges, schwach glänzendes Kaffeebraun, welches im Frühjahre und Sommer bis zu glanzlosem Erdbraun verblaßt und im Nacken ein wenig sich lichtet, ist die vorherrschende Färbung; die kleinen und mittleren Oberflügeldeckfedern sind im Frühjahre merklich lichter als der Mantel, die Federn der Unterseite etwas heller als die des Rückens, die Handschwingen mattschwarz oder schwarzbraun, verloschen dunkler gebändert, die hintersten kaum dunkler als die Deckfedern, die Schwanzfedern etwas lichter als die Schwingen, auf der Innenfahne licht fahlgelb gebändert, die Unterschwanzdecken blaß erdbraun mit lichteren Spitzen, die Fußwurzeln ebenfalls licht erdbraun. Die Iris ist gelb mit einzelnen braunen, die des Weibchens goldgelb mit rothen Punkten an der [626] Unterseite des Auges, die Wachshaut gelb, der Schnabel hornblau, an der Spitze schwarz, der Fuß, soweit er unbefiedert, gelb. Junge Vögel sind stets merklich dunkler als alte, die Federn des Nackens durch kleine roströthliche Spitzenflecke geziert, die Mantelfedern erdbraun mit Kupferglanz, die kleinen und mittleren Oberflügeldeckfedern merklich lichter, die großen oder Hand- und Unterarmschwingendecken durch schmale, nach unten sich verbreiternde hell rostfarbene Spitzenflecke, welche zwei Binden darstellen, schmuckvoll gezeichnet, die Federn der Kropfgegend ebenfalls durch rostfarbene Flecke geziert, die der übrigen Unterseite erdbraun und glanzlos, die Unterschwanzdecken endlich merklich lichter mit langen fahl rostfarbenen Schaft- und Spitzenflecken geschmückt.

So viel gegenwärtig mit Sicherheit bekannt, bewohnt der Schreiadler als Brutvogel außer Norddeutschland nur noch Polen, Westrußland, Ungarn, Galizien, die europäische Türkei und Griechenland, besucht auf dem Zuge einzeln wohl auch Westdeutschland, Frankreich, die Schweiz und Italien, vielleicht Nordostafrika, fliegt ebenso ein wie das andere Mal nach Holland und Großbritannien hinüber oder nach Schweden hinauf, fehlt aber schon in Spanien gänzlich und wird im Osten Europas durch zwei verwandte Arten, Schnell- und Steppenadler, vertreten.

[627] Der Schelladler (Aquila clanga, fusca, vittata, fuscoater und unicolor, Falco naevius und maculatus) ist merklich größer und schlanker als der Schreiadler, der Fittig, welcher, zusammengelegt, das Schwanzende erreicht oder überragt, mindestens fünf, der Schwanz zwei bis drei Centimeter länger, die Fußwurzel erheblich höher, der Fang kräftiger als bei diesem, das Gefieder fast einfarbig, auf Nacken, Oberrücken und Oberbrust ohne Rostflecke, auf der Unterseite mit langen rostgelben Flecken gezeichnet, welche jedoch erst unterhalb des Kropfes beginnen, der untere Theil der Fußwurzel gewöhnlich weiß. Beim jungen Vogel zeigen die Oberflügeldeckfedern eine viel ausgedehntere Fleckung als die des Schreiadlers, da dieselbe an einzelnen Federn den ganzen Rand einnimmt; immer aber ist die Färbung der Flecke graulich, niemals rein rostfarben, der Unterrücken in der Regel auf rostfarbenem Grunde durch einzelne dunkle Schaftflecke, das Gefieder der Unterseite, mit Ausnahme der einfarbigen Hals- und Kropfgegend, schwärzlich, durch die sehr breite, rostlich braungraue Federmitte und wenig hervortretende rostfarbene Schaftflecke gezeichnet; auch sind die Unterschwanzdeckfedern sehr licht, oft rein oder gelblich weiß, die Fußwurzeln endlich schwarzbraun, mit vielen großen Schaftflecken von der Färbung derer des Bauches geziert.

Das Verbreitungsgebiet des Schelladlers liegt im Osten des Wohnkreises seines deutschen Verwandten; doch dürften alle Steppengegenden auszuschließen sein. Als Brutvogel begegnet man ihm von den nördlichen Ufern des Kaspischen Meeres an durch ganz Südsibirien hindurch bis ins Amurland, ebenso in den Waldungen des südlichen Urals. Im Winter wandert er nach Indien und Südwestasien überhaupt und nach Egypten, woselbst er an den Strandseen und im Delta überhaupt als der häufigste aller Adler auftritt, und gelegentlich des Zuges besucht er auch, weit häufiger als der Schreiadler, Süddeutschland, die Schweiz, Frankreich und Italien, wogegen er in Norddeutschland zu den seltensten Erscheinungen zählt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Vierter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Erster Band: Papageien, Leichtschnäbler, Schwirrvögel, Spechte und Raubvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 626-628.
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