Prachtfinken (Spermestinae)

[357] Ueber alle Theile des Wohngebietes der Familie verbreiten sich die Prachtfinken, wie ich sie genannt habe (Spermestinae), kleine Arten mit kurzem, dickem oder schlankem Kegelschnabel ohne Endhaken, schwächlichen Füßen, mittellangen Flügeln, deren erste Handschwinge verkümmert zu sein pflegt, kurzem, stufigem Schwanze, dessen Mittelfedern über die anderen verlängert sein können, und knapp anliegendem, nach Geschlecht und Alter gewöhnlich verschiedenem Gefieder.

Die dieser Unterfamilie angehörigen Arten leben entweder in lichten Waldungen oder im Schilfe und hohem Grase oder endlich auf fast pflanzenlosen Strecken ihrer heimatlichen Länder. Gesellig, munter und regsam wie wenige Finken, tragen sie zur Belebung des von ihnen bewohnten Gebietes wesentlich bei; denn außer der Brutzeit schweifen sie, ihrer Nahrung nachgehend, auf weithin durch das Land und finden sich dann überall, wo die Erde, sei es auch kümmerlich, das tägliche Brod ihnen spendet. Die Männchen versuchen durch ihren Eifer im Singen den Mangel an Begabung zu ersetzen; die große Mehrzahl aber stümpert erbärmlich, und kaum ein einziger dürfte mit den bevorzugten Finken des Nordens wetteifern können. Hinsichtlich ihrer Bewegungen stehen die Prachtfinken hinter keinem Mitgliede ihrer Familie zurück. Sie fliegen gut, einzelne Arten pfeilschnell, obwohl mit stark schwirrendem Flügelschlage, hüpfen, ihrer schwachen Füße ungeachtet, geschickt auf dem Boden umher, klettern auch an den Halmen des Grases oder des Schilfes auf und nieder. Ihre Brutzeit trifft mit dem erwachenden Frühlinge ihrer Heimat zusammen, währt aber länger als dieser; die meisten Arten brüten auch dann noch, wenn der heiße Sommer bereits winterliche Armut über das Land verhängte. Freilich läßt dieser Sommer sie nicht Sorge leiden; denn gerade er reift ihre Nahrung, welche vorzugsweise aus dem Gesäme allerhand Gräser oder schilfartiger Pflanzen besteht. Ungeachtet ihres schönen Gefieders und ihrer liebenswürdigen Sitten sind sie nirgends beliebt. Auch sie erlauben sich Plünderungen im reifen Getreide und müssen von den Feldern vertrieben werden, wenn sie zu tausenden hier sich einfinden. Außer dem [357] Menschen, welcher ihnen oft schonungslos entgegentritt, werden sie von allen in Frage kommenden Raubthieren ihrer Heimat verfolgt, von dem schnellen Edelfalken an bis zu den Schleichkatzen oder Raubbeutelthieren und selbst zu den Schlangen und großen Eidechsen herab. Für gewisse Falken bilden sie die gewöhnliche Speise.

Schon seit langer Zeit werden viele Prachtfinken unter dem Namen »Bengalisten« lebend auf unseren Markt gebracht, und gegenwärtig kommt kaum ein einziges Schiff von der Westküste Afrikas oder aus Australien an, welches nicht eine Ladung dieser Vögel an Bord hätte. Sie halten bei der einfachsten Pflege jahrelang im Käfige aus, brüten auch, wenn ihnen dazu Gelegenheit geboten wird, ohne Umstände im kleinsten Gebauer und eignen sich daher in besonderem Grade für angehende Liebhaber von Stubenvögeln, für welche jede ihrer Lebensäußerungen noch neu und daher fesselnd ist. Mit unseren einheimischen Finken lassen sie sich in dieser Beziehung nicht vergleichen, und hinter Sängern, Drosseln und anderen Stubenvögeln ähnlicher Art stehen sie so weit zurück, daß der erfahrene Pfleger lächeln muß, wenn er sie über alles Verdienst loben und rühmen hört.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Fünfter Band, Zweite Abtheilung: Vögel, Zweiter Band: Raubvögel, Sperlingsvögel und Girrvögel. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1882., S. 357-358.
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