Viperqueise (Trachinus vipera)

[70] Die Viperqueise (Trachinus vipera und horrida) unterscheidet sich durch platteren Kopf und mehr zugerundeten Bauch; auch steht die erste Rückenflosse von der zweiten weiter ab. Jene hat fünf bis sechs, diese vierundzwanzig, die Brustflosse funfzehn, die Bauchflosse einen und fünf, die Afterflosse einen und vierundzwanzig, die Schwanzflosse elf Strahlen. Die grauröthliche Farbe des Rückens geht auf Seiten und Bauche in Silberweiß über; der Rücken ist braun gefleckt, die erste Rückenflosse schwarz, die zweite wie die Schwanzflosse schwarz gesäumt. Die Länge beträgt zwölf bis funfzehn Centimeter.

Das Petermännchen, welches auf flachen, sandigen Stellen des Atlantischen Weltmeeres, des Mittelmeeres, der Nord- und Ostsee gefunden wird, zieht tiefes Wasser den seichten Stellen vor, lebt aber ebenso wie seine Verwandte auf oder richtiger im Grunde, bis zu den Augen im Sande [70] vergraben. Gegen den Juni hin nähert es sich, um zu laichen, dem flachen Strande, und dann geschieht es, daß es während der Ebbe auch auf den von Wasser entblößten Stellen gefunden wird. Seine Beute besteht vorzugsweise aus Garnelen, vielleicht auch kleinen Fischen, welche es bis in nächste Nähe kommen läßt, bevor es aus dem Sande hervorschießt. Letzteres geschieht mit einer überraschenden Schnelligkeit, wie denn überhaupt der so träge erscheinende Fisch ein höchst bewegungsfähiges Thier genannt werden muß. Nicht minder behend gräbt er sich nach geschehenem Fange wieder in den Sand ein.


Himmelsgucker (Uranoscopus scaber) und Petermännchen (Trachinus draco). 1/3 natürl. Größe.
Himmelsgucker (Uranoscopus scaber) und Petermännchen (Trachinus draco). 1/3 natürl. Größe.

Einige, welche ich längere Zeit beobachten konnte, lagen während des ganzen Tages an einer und derselben Stelle ihres Beckens so tief vergraben, daß man nach längerem Suchen eben nur ihre Augen wahrnehmen konnte, erhoben sich, wenn man sie störte, sehr rasch, führten dabei Bewegungen aus, als ob sie mit ihren stacheligen Rückenflossen den Störenfried angreifen wollten, schwammen mehrmals auf und nieder, senkten sich endlich wieder auf den Sand herab, legten die Brustflossen an und bewegten nunmehr die lange Afterflosse wellenförmig, wodurch sie sich sehr rasch die erforderliche Vertiefung aushöhlten. »Diese Fisch sind auß der zahl der Meerthieren, so den Menschen mit schädlichem gifft verwunden«, sagt der alte Geßner, und eine derartige Meinung, heutigen Tages noch die aller Fischer, verwundert den nicht, welcher weiß, daß eine von den Drachenfischen zugefügte Verwundung peinliche Schmerzen und eine heftige Entzündung hervorruft. Nicht bloß der verletzte Theil, sondern das ganze Glied pflegt aufzuschwellen, und erst nach längerer Zeit tritt etwas Linderung der Schmerzen ein. »Ich habe drei Männer gekannt«, sagt Couch, »welche von einem und demselben Fische in die Hand gestochen worden waren und wenige Minuten später im ganzen Arme Schmerzen fühlten, jedoch durch Einreibungen mit Oel bald wieder hergestellt wurden.« Andere Fischerwenden nassen Sand, mit dem sie die Wunden reiben, als Gegenmittel an; alle sind überzeugt, daß die Drachenfische vergiften, und fürchten sie deshalb fast ebenso sehr wie die Viper.

[71] Das Fleisch des Petermännchens wird gern gegessen, weil es nicht bloß höchst schmackhaft ist, sondern auch für sehr gesund gilt. In der Ostsee fängt man es vom August an bis zum Oktober in Häringsnetzen, in der Nordsee während des ganzen Jahres, bringt es jedoch selten auf den Markt und verlangt dann etwa vierzig Pfennige für das Kilogramm. Seinen Namen soll es daher erhalten haben, daß es die holländischen Fischer als werthlos wegzuwerfen und dem heiligen Petrus zu opfern pflegten.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 70-72.
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