Saibling (Salmo salvelinus)

[229] In den Alpseen Mitteleuropas wie des hohen Nordens, in den Bergseen Nordrußlands und Skandinaviens lebt mehr oder minder häufig ein mit vollstem Rechte ungemein geschätztes Mitglied unserer Sippe, der Saibling, auch Salbling, Salmling, Salmnein, Ritter, Schwarzreutel, Schwarzreuter, Schwarzröthel, Schwarzräucherl, Rothfisch, Rötel, Röteli, Rötele, Gold- und Rothforelle genannt (Salmo salvelinus, umbla, alpinus, distichus und monostichus).[229] Sein Leib ist gestreckt und seitlich etwas zusammengedrückt, nach Alter, Geschlecht und Aufenthaltsort ungemein wandelbar; die Flossen sind ziemlich lang, die Bauchflossen unter die Rückenflosse gestellt; die Schwanzflosse behält auch im hohen Alter ihren hinteren Ausschnitt. Auf der vorderen Platte des Pflugscharbeines stehen fünf bis sieben gekrümmte Zähne; auf dem Stiele jenes erhebt sich eine mit vielen kleinen Zähnen besetzte Längsplatte. In der Färbung wechselt der Saibling so vielfach ab, daß die verschiedenen Namen, welche er führt, sich zur Genüge erklären. Am häufigsten zeigt sich, laut Siebold, folgende Färbung: das Blaugrau des Rückens geht nach den Seiten herab allmählich in ein mehr oder weniger gelbliches Weiß und dieses auf dem Bauche in ein lebhaftes Orangeroth über, welches namentlich während der Brunstzeit hervortritt; an der Seite des Leibes stehen häufig runde helle Flecke, welche in der Nähe des Bauches, je nach der Färbung des letzteren, bald weißlich, bald gelblich, bald orangeroth gefärbt sind; solche Flecke kommen zuweilen auch an dem unteren Theile der Rückenflosse vor; bei jungen Saiblingen berühren sie sich zuweilen, und es entsteht dann eine Marmelzeichnung. Das Orangegelb des Bauches kann bis zu Zinnoberroth, der Rücken bis zu Braungrün dunkeln.


Aesche (Thymallus vulgaris) und Saibling (Salmo salvelinus). 1/6 natürl. Größe.
Aesche (Thymallus vulgaris) und Saibling (Salmo salvelinus). 1/6 natürl. Größe.

In der Rückenflosse stehen drei und neun bis zehn, in der Brustflosse ein und zwölf bis funfzehn, in der Bauchflosse ein und acht, in der Afterflosse drei und acht bis neun, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen. An Länge kann der Saibling bis zu achtzig Centimeter, an Gewicht bis zehn Kilogramm erlangen; die gewöhnliche Länge aber beträgt beiläufig dreißig Centimeter und das Gewicht ungefähr fünfhundert Gramm. Einzelne Fischkundige unterschieden oder unterscheiden nicht nur die Saiblinge der Seen verschiedener Länder als besondere Arten, sondern auch die, welche in einer und derselben Gegend [230] gefangen werden; nach und nach aber hat sich, und gewiß mit Recht, die Auffassung Bahn gebrochen, daß zwischen den in den schweizerischen, bayrischen und österreichischen Seen lebenden und den in ähnlichen Gewässern Skandinaviens, Lapplands, Finnlands oder Großbritanniens vorkommenden Saiblingen kein Unterschied besteht, welcher zur Trennung in verschiedene Arten berechtigen könnte. Wie bei anderen Lachsen pflanzen sich bestimmte Merkmale auf spätere Geschlechter fort und können so leicht zu falschen Anschauungen verleiten, während man jetzt weiß, daß die Lage der Seen zwischen mehr oder minder hohen, enger oder weiter abstehenden Bergen, die Tiefe und Reinheit des Wassers einen bestimmten Einfluß auf die Färbung und Gestaltung ausüben.

Nur wirkliche Gebirgsseen, in unseren Alpen solche bis zu zweitausend Meter über dem Meere belegene, beherbergen Saiblinge; sie steigen in der Regel nicht einmal während der Laichzeit in den einmündenden Flüssen empor. Wie die Renken halten sie sich in den tiefen Gründen ihrer Wohngewässer auf, und wie diese stellen sie hauptsächlich kleinen Thieren, insbesondere verschiedenen Schmarotzerkrebsen, nach; Linné, welcher diese ihre Hauptnahrung nicht kannte, hatte Recht, sich zu wundern, daß er sie in den todten Seen Lapplands als alleinige Bewohner fand. Nebenbei verschmähen sie übrigens kleinere Fische nicht, und sehr große Saiblinge mögen sich wohl zum guten Theile von diesen ernähren. Die Laichzeit beginnt gegen Ende des Oktober und währt bis zu Ende des November, in einzelnen Seen vielleicht noch länger. Um diese Zeit erheben sie sich zu seichteren Uferstellen und setzen hier ihren Laich ab. Doch geschieht es, laut Yarrell, wenigstens in den schottischen Seen, daß sie unter Umständen auch in Flüsse eintreten und in diesen ein beträchtliches Stück zu Berge gehen, um ihrer Fortpflanzung zu genügen. In seltenen Fällen entschließen sie sich auch zu Wanderungen in entgegengesetzter Richtung. So erzählt Yarrell, daß sie einen See verließen, nachdem der Ausfluß von Kupferwerken demselben zugeleitet worden war, in den abfließenden Gewässern thalab zogen und bis ins Meer gelangten, in welchem einige gefangen wurden. Ihre Vermehrung ist ziemlich stark, ihr Wachsthum minder rasch als bei den Forellen, mit denen sie oft in demselben See zusammenwohnen, ohne sich jedoch freiwillig mit ihnen zu vermischen. Mit Hülfe der künstlichen Fischzucht erzielt man neuerdings vielfach Blendlinge von Forellen und Saiblingen, denen man vortreffliche Eigenschaften, insbesondere schnelleres Wachsthum, als dem Saiblinge, und zarteres, schmackhafteres Fleisch, als der Forelle eigen, nachrühmt. Durch die künstliche Fischzucht hat man den Bestand einzelner Seen wesentlich gehoben.

Der Fang geschieht hauptsächlich während der Laichzeit, und zwar vorzugsweise mit großen Flügelnetzen, welche durch vier Mann in zwei Kähnen ans Land gezogen werden und oft reichlichen Ertrag geben. Das Fleisch wird selbst dem der besten Forellenarten vorgezogen. Nach Heckel und Kner haben die Saiblinge kein besonders zartes Leben und lassen sich daher nicht nur aus einem See in einen anderen versetzen, sondern gedeihen unter günstigen Verhältnissen in einem neuen Wohnorte noch besser als im alten. Saiblinge, welche aus einem dreizehnhundert Meter über dem Meere gelegenen Bergsee in einen auf der Elm gesetzt wurden, erreichten dort in kurzer Zeit ein Gewicht von zwei Kilogramm und übertrafen die hier schon einheimischen bald an Größe. Diese Wahrnehmung ist ein Beweis mehr, daß länger währende Inzucht Schwächlinge erzeugt.

Das Fleisch des Saiblinges ist unbestritten das vorzüglichste, welches Süßwasserfische uns liefern können, steht daher verdientermaßen in höchster Achtung. Als die Benediktiner Admonts die ihrem Kloster zustehenden Rechte der Fischerei in Steiermark aufgaben, behielten sie sich ausdrücklich alle Seen vor, in denen Saiblinge leben. Wer Fleisch der letzteren genossen hat, erkennt die Weisheit dieser Maßregel an. Für den gebildeten Gaumen verhält sich der Saibling zur Forelle wie diese zum Lachse. Gern und willig bezahlt man daher selbst in den noch immer forellenreichen Alpen drei bis sechs Mark für das Kilogramm dieses köstlichen Fisches.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 229-231.
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