Rothes Weiden-Ordensband (Catocala nupta)

[415] Die größten Eulen, welchen gleichzeitig ihre Hinterflügel einen bestimmten Charakter aufprägen und den größten Schmuck verleihen, hat man Ordensbänder (Catocala) genannt und sie weiter als blaue, gelbe und rothe unterschieden. Das blaue Ordensband (Catocala fraxini), das größte von allen, denn es kann 105 Millimeter und darüber spannen, wird ohne Mühe an der breit lichtblauen Binde, die mitten durch die schwarzen Hinterflügel geht, erkannt, die übrigen Arten führen auf den gelben oder rothen in Betracht kommenden Flügeln außer der schwarzen Saumbinde noch eine zweite, mehr oder weniger gezackt durch die Mitte verlaufende. Eine der gemeinsten Arten ist die hier abgebildete, welche vorzugsweise das rothe Weiden-Ordensband (Bachweideneule, Frau, Catocala nupta) heißt. Die Vorderflügel bieten in ihrem grauen Gewande wenig Abwechselung, lassen jedoch die gewöhnlichen Eulenzeichnungen außer dem Ring- und Zapfenflecke deutlich erkennen.


Rothes Weiden-Ordensband (Catocala nupta) nebst Raupe. Natürliche Größe.
Rothes Weiden-Ordensband (Catocala nupta) nebst Raupe. Natürliche Größe.

Die bogig weiß befransten Hinterflügel sind lebhaft blutroth und unterscheiden sich durch die etwas anders verlaufende, besonders knieförmig gebogene Mittelbinde von einer zweiten, sehr ähnlichen Art (Catocala elocata). Von Mitte Juli ab kann man dieses stattliche Thier an Baumstämmen, in Winkeln der Häuser, unter Wetterdächern mit angezogenen Flügeln ruhen sehen; dieselben sind zu groß, um im gewöhnlichen Sinne dachförmig den Leib zu bedecken. Naht man der betreffenden Stelle, husch, so ist es auf und davon, mit öfters hörbarem Flügelschlage sucht es sich hastig einen sichereren Platz; denn es ist sehr scheu wie alle seine Brüder. Mit einbrechender Dunkelheit umflattert es von freien Stücken, einer kleinen Fledermaus gleichend, die Bäume und sucht seine andere Hälfte, das bereits befruchtete Weibchen aber Rindenrisse eines Pappel- oder Weidenstammes, um hier einige Eier abzulegen, nie viele an einer Stelle. Hier verbringen dieselben ohne weiteren Schutz, als ihnen die Borke bietet, den Winter und beleben sich erst im Frühlinge, wenn die jungen Blätter den Räupchen das nöthige Futter gewähren. Bis Mitte Juni sind sie erwachsen. Am Tage ruhen sie lang ausgestreckt am Stamme, des Nachts begeben sie sich höher hinauf. Um sie vor feindlichen Angriffen einigermaßen zu schützen, verlieh ihnen die Natur ungefähr dieselbe Farbe, welche der Baumstamm auch hat; überdies zeichnen sie sich durch Fransen aus, welche seitlich am Bauche stehen und dann besonders als ein schmaler Rand erscheinen, wenn der Bauch glatt auf seine Unterlage angedrückt wird. Faßt man eine Ordensbandraupe an, so schlägt sie mit dem Vorder- und Hintertheile des Körpers um sich, gerade so wie ein mitten im Körper gehaltener Fisch, beißt auch, wenn sie den Finger fassen kann; kurz, sie geberdet sich sehr wild. Unter Rinde, Moos oder dürrem Laube zieht jede schließlich einige Fäden um sich [416] und wird zu einer schlanken, bläulich bereiften Puppe. In der angegebenen Weise treiben es alle Ordensbänder, nur an zum Theile anderen Futterpflanzen (Eichen, Pflaumen usw.); die gelben, überall selteneren, erreichen nicht die Größe der anderen, sondern haben durchschnittlich nur 52 Millimeter Flügelspannung. Nordamerika ernährt gleichfalls viele Arten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 415-417.
Lizenz:
Kategorien: