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[453] Eine der berüchtigsten, keine Gallen verursachende, hierher gehörige Mücke ist der Getreideverwüster (Cecidomyia destructor), der bisher, aber mit Unrecht, den Namen der Hessenfliege führte, welchen man ihm in Nordamerika beigelegt hat; man war nämlich der irrigen Ansicht, daß das lästige Ungeziefer im Jahre 1776 oder 1777 mit dem Gepäcke der hessischen Truppen dort eingeschleppt worden sei, was nach der gleich näher zu erörternden Entwickelungsgeschichte nicht wohl möglich sein konnte. Die erwachsene Made (Fig. 6), um mit ihr zu beginnen, mißt 3,37 Millimeter und läßt bei guter Vergrößerung vorn ein Paar fleischige Taster und an den Seiten der zwölf Leibesglieder (ein dreizehntes und vierzehntes bildet das Kopfende) mit Ausnahme des zweiten, dritten und letzten je ein Luftlöchlein erkennen. Dieser Umstand verweist sie zu den Mückenlarven, während die Kopflosigkeit sie als echte Fliegenlarve erscheinen läßt, und wir somit in ihr eine Art von Mittelgebilde zwischen den vorher erörterten beiden Hauptformen vor uns sehen, welches allen Gallmücken eigen ist. Man findet dies sehr träge Thier einzeln oder in Gesellschaften bis zu neun Stück, mit dem Vorderende nach unten gewendet, zwischen Halm und Blattscheide, entweder unten gleich über dem Wurzelstocke oder dicht über einem der beiden untersten Knoten am Roggen oder Weizen. Mit der Zeit nimmt sie infolge von reichlicher Fettentwickelung eine mehr eiförmige Gestalt an, zieht sich im Inneren von der Körperhaut etwas zurück, und diese wird zu einer allmählich sich bräunenden Hülle, zu einem Tonnenpüppchen (Fig. 4), wie es eigentlich nur einer Fliege zukommt. In diesem Zustande erfolgt die Ueberwinterung. Ungefähr vierzehn Tage vor dem Erscheinen der Fliege findet sich im Tönnchen die Mumienpuppe (Fig. 3). Die beiden seitlichen, unteren Hörnchen am Kopfe sind die für die Gallmücken in dieser Form und Lage charakteristischen Athmungsröhren, die beiden oberen nur Borsten. Die Mücke selbst muß man in ihren beiden Geschlechtern besonders betrachten, um sie gründlich kennen zu lernen. Das weit häufigere Weibchen (Fig. 1) ändert in seiner Länge, von der Stirn bis zur vorgestreckten Legröhre gemessen, zwischen [453] 2,70 und 3,75 Millimeter ab. Der Körper ist vorherrschend sammetschwarz, fast der ganze Bauch, mit Ausschluß eines beinahe quadratischen schwarzen Fleckes auf jedem der sechs mittleren Glieder, die Gelenkeinschnitte des Rückens und eine Mittellinie desselben sind blutroth; eben diese Farbe kommt in der Regel der Fühlerwurzel und den Schulterbeulen zu, dies alles im lebenden Zustande; nach dem Tode gehen wenigstens am Hinterleibe durch Eintrocknen die meisten rothen Stellen verloren. Kurze schwarze Haare bedecken überdies den Körper, röthlichgelbe die Fühler, und die Flügel erscheinen durch Härchen, welche ihre Ober- und Unterseite decken, grau getrübt. Außer zwei größeren Grundgliedern setzen vierzehn bis sechzehn kurzgestielte, in der Regel funfzehn kugelige die Geisel zusammen. Von den vier Tastergliedern wird jedes folgende etwas länger, als das vorhergehende, und eine lebhaft zitternde Bewegung macht sie leicht kenntlich; zwischen ihnen tritt der kurze, gelbe Rüssel hervor, der sich aber auch in die Mundhöhle zurückziehen läßt.
Der neunringelige Hinterleib läuft in eine äußerst bewegliche Legröhre aus. Zwischen den kohlschwarzen Krallen der sehr langen Beine bemerkt man nur ein scheibenförmiges Haftläppchen, hinter den Mittelbeinen die blaßbraunen Schwinger. Bei dem Männchen beträgt die Körperlänge ziemlich beständig 3 Millimeter, das Schwarz erscheint weniger sammetartig, sondern zieht mehr ins Braune, das Roth ist lichter, die Körperbehaarung länger und nur an den Flügeln schwarz, sonst röthlichgelb. Die Fühlergeisel setzen regelrecht sechzehn Glieder zusammen. Der auffälligste Unterschied der Geschlechter besteht in der Form des Hinterleibes, welchen unsere Abbildungen vergegenwärtigen. Am sehr verkürzten, gelbbraunen neunten Gliede sitzt die dunkelrothe Haftzange.
Mit der zweiten Hälfte des April beginnt die Schwärmzeit und dauert etwa fünf Wochen, womit aber nicht gesagt sein soll, daß die Mücke so lange lebe, sondern nur, daß sie während dieser Zeit auskriecht; die Lebensdauer der einzelnen, welche Regen und Kälte nicht vertragen kann, umfaßt nur wenige Tage. Gleich nach dem Ausschlüpfen, an einem warmen und windstillen Tage, erfolgt die Paarung, und das Weibchen legt seine Eier ohne merkliche Unterbrechung hintereinander fort, etwas mehr als achtzig und weniger als hundert, einzeln oder paarweise zwischen zwei Längsnerven eines Blattes. Sobald die Larve die Eischale verlassen hat, was nach wenigen Tagen geschieht, gleitet sie am Blatte hinab und gelangt hinter dessen Scheide, wo sie sich für immer festsetzt. War es Wintergetreide, an welches die Eier gelegt wurden, so wird sie am ersten oder zweiten Knoten von unten sitzen, dagegen unmittelbar über dem Wurzelstocke, wenn das Weibchen Sommersaaten zu seinem Brutplatze erwählte. In beiden Fällen gelingt es ihr für gewöhnlich nicht, die Pflanze zu tödten; dieselbe gedeiht, ihr Halm ist aber an der Lagerstätte der Larve durch deren Saugen [454] so beschädigt, daß er die Aehre später nicht zu tragen, zum Theil auch nicht vollständig zu ernähren vermag und durch den Wind leicht umgeknickt wird. Bis gegen den 20. Juni sind die meisten Maden erwachsen, die älteren bereits in Tonnenpüppchen verwandelt, aus welchen im September oder schon Ende August die Sommerbrut entsteht. Die jungen Saatpflänzchen, an denen die Maden der zweiten oder Winterbrut leben, welche den jetzt schwärmenden Mückchen ihren Ursprung verdanken, gehen fast alle zu Grunde, und hierin besonders liegt der große Nachtheil, welchen diese Fliege bringen kann und nicht nur in Nordamerika, sondern neuerdings besonders im Posenschen, in Schlesien und anderwärts in Deutschland den genannten Saaten zugefügt hat. Glücklicherweise hat diese Gallmücke nur zwei Bruten, es gibt andere mit dreien und vieren; selten sind die, welche nur eine im Jahre zu Stande bringen.
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