Columbatscher Mücke (Simulia Columbaczensis)

[455] Die Kriebelmücken, Gnitzen (Simulia), gehören zu den kleinsten Mücken und nähern sich durch ihre buckelige Körpertracht schon mehr den Fliegen. Die breiten, milchig getrübten Flügel haben eine fast geeckte Spitze, sehr blasse, nur nach dem Saume zu deutlichere Adern, nebenbei gegabelte und ungegabelte Falten; an den meist gescheckten Beinen machen sich dicke Schenkel und ein langes, erstes Fußglied bemerklich. Kurze elfgliederige Fühler, dünn auslaufende, viergliederige Taster, eine freie, dolchartig zugespitzte Oberlippe, ein zum Stechen eingerichteter Rüssel und der Mangel der Nebenaugen sind als Eigenthümlichkeiten des Kopfes zu erwähnen. Die beiden Geschlechter einer und derselben Art unterscheiden sich oft wesentlich in der Färbung und anderweitig. Die Gnitzen treten in ungeheueren Mengen auf und würden ihrer Kleinheit wegen übersehen, wenn nicht die empfindlichen Stiche ihrer blutdürstigen Weibchen die Aufmerksamkeit auf sie lenkten. Viele der Moskitos von Südamerika (z.B. Simulia pertinax) gehören zu dieser Gattung. Die Larven und Puppen leben im Wasser, wo sie an Steinen, Grashalmen und anderen Wasserpflanzen unter tütenartigen Gehäusen sich aufhalten.


Columbatscher Mücke (Simulia Columbaczensis), vergrößert.
Columbatscher Mücke (Simulia Columbaczensis), vergrößert.

Die berüchtigtste europäische Art ist die Columbatscher Mücke (Simulia Columbaczensis Schönbauers), von einem Dorfe im serbischen Distrikte Passarowitz so genannt, wo sie der Aberglaube der Bevölkerung aus einer Felshöhle entstammen läßt, in welcher Ritter St. Georg den Lindwurm erlegte. In dergleichen Felshöhlen flüchten sich nämlich die Mücken bei Unwettern und kommen nachher gleich Nebelwolken daraus hervor. In den Gegenden der ganzen unteren Donau verbreiten sie Furcht und Schrecken unter Menschen und Vieh. So ward z.B. unter dem 26. Juni 1813 aus Wien berichtet, daß im Banate und in einem Theile Ungarns Horn- und Borstenvieh zu vielen Hunderten infolge dieser entsetzlichen Plage während des April und Mai – im August erscheinen sie zum zweitenmale – gefallen sei. Kaum von der Größe eines Flohes, kriechen sie in Nase, Ohren und Maul der Weidethiere, stechen, um Blut zu saugen, und martern diese dergestalt, daß sie in wahrer Tollwuth von den Weideplätzen weglaufen und sich infolge des Juckens und der schnell erhärtenden Geschwulst an der gestochenen Stelle aufreiben; das kräftigste Thier kann sich binnen sechs Stunden zu Tode gehetzt haben. Bei dem Menschen fallen die Gnitzen am liebsten in die Augenwinkel ein. Die besprochene Art stimmt nicht mit der Meigen'schen Simulia maculata, wie man gewöhnlich annimmt, überein, sondern wird von Schiner nach im Weingeiste aufbewahrten Stücken, welche Kollar an Ort und Stelle gesammelt und in der Natur beobachtet hatte, wie folgt beschrieben: Unter den hunderten von Exemplaren findet sich kein einziges Männchen, das Weibchen ist schwärzlich, überall mit weißlicher Bestäubung und messinggelber Behaarung dicht bedeckt, so daß das Rückenschild, besonders vorn, ein schieferbläuliches Aussehen erhält; der Hinterleib weißgelb, oben bräunlich, doch so, daß die weißgelbe Farbe an den Einschnitten noch ziemlich weit hinaufreicht, an trockenen Stücken oft nur die Bauchseite gelb und der Rücken schwarzbraun. Die Fühler sind ganz gelb, die Taster gelb oder gelbbraun, die Beine im Leben weißlich, [455] nach demselben gelblich, die Spitzen der Schenkel und der hinteren Ferse braun, die vorderen Füße durchaus schwarzbraun, die Flügel glashell. Der Körper mißt 3,37 bis beinahe 4 Millimeter. Die zahlreichen Namen, welche viele Arten von den Kerfkundigen erhielten, legen Zeugnis von den Schwierigkeiten ab, welche mit deren richtiger Erkennung verbunden sind.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 455-456.
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