Nautilus pompilius

[215] So selten bis jetzt die Weichtheile des Thieres vom Nautilus in die Hände der Zootomen kamen, so häufig ist in den Sammlungen die schöne ungefähr funfzehn Centimeter im Durchmesser habende Schale, und zwar gewöhnlich vom Nautilus pompilius. Sie ist spiralig, bei der genannten Art so, daß die früheren Umgänge von den jüngeren vollständig verdeckt werden. Sieht man in die weite Mündung des unverletzten, außen porzellanweißen und röthlich quergestreiften Gehäuses, so bemerkt man, daß der vordere, inwendig perlmutterglänzende Raum nach hinten durch eine konkave Querscheidewand abgegrenzt ist, so daß das Thier nur einen kürzeren, wenngleich voluminösen Endtheil des Gehäuses zum eigentlichen Wohnsitze hat und nicht, wie unsere Schnecken, durch alle Windungen sich zieht. In der Mitte jener Querwand ist jedoch ein Loch, welches zu einer näheren Untersuchung der von ihm ausgehenden Höhlung einladet. Ein Durchschnitt mitten durch die Schale unmittelbar neben der Axe wird daher nothwendig; und wir bekommen damit jene Einsicht, welche unsere Abbildung bietet. Da zeigt es sich, daß die die Wohnkammer des Thieres abschließende Scheidewand eine ganze Reihe von Vorgängerinnen hat, wodurch das ganze Gewinde des Gehäuses in ebenso viele Kammern getheilt wird, durch welche eine von jenem Loche ausgehende Röhre, der Sipho, sich erstreckt. Der Zweck dieser Kammern und die Art ihrer Entstehung wird aber erst mit der näheren Kenntnis des Thieres und seines Verhältnisses zur Schale klar. Wir folgen darin den trefflichen Untersuchungen von Keferstein.

In der allgemeinen Anordnung der Körpertheile stimmt das Thier des Nautilus natürlich mit den übrigen Cephalopoden überein; also sind Kopf, Trichter und Mantel vorhanden. Der [215] Kopf trägt aber keine Arme mit Saugnäpfen, sondern diese Arme sind fühlerförmig und können in Scheiden zurückgezogen werden, welche in ein paar koncentrischen, auf der Bauchseite vom Trichter unterbrochenen Kreisen die Mundöffnung umgeben. Die Scheiden der beiden obersten Arme oder Tentakeln bilden eine breite Kappe, welche beim Zurückziehen des Thieres in das Gehäuse den Kopf bedeckt. Der Trichter ist an der Bauchseite der Länge nach gespalten, kann also nur durch Uebereinanderlegen dieser beiden Blätter geschlossen werden, und ist schon deshalb ein weit schwächeres Bewegungsorgan als das der Zweikiemer. Im Mantelgrunde liegen jederseits zwei Kiemen, dem entsprechend eine größere Komplikation der Blutgefäße zwischen Herz- und Athmungsorganen vorhanden ist. Das Hinterende ist länglich abgerundet, wie es die Gestalt der Wohnkammer zeigt, und die Lage des Thieres in seiner Kammer ist so, daß der Trichter auf der konvexen Seite der Schale liegt. Man hat sich also an die etwas unbequeme, dem Auge nicht zusagende Auffassung zu gewöhnen, daß die Wölbung des Gehäuses der Bauch ist.

Da man die Lebensweise des Thieres, das sich bald am Meeresgrunde aufhält, bald trotz seiner schweren Schale an der Oberfläche schwimmt, nicht versteht, ohne sein Verhältnis zum Gehäuse und die Art, wie letztere sich bildet, genau zu kennen, hören wir die Auseinandersetzung Kefersteins, der zum erstenmale eine vollständig befriedigende Erklärung gegeben hat.

»Alle Schalen der Tetrabranchiaten haben ihren hinteren, älteren Theil durch eine Reihe von Scheidewänden zu Lufträumen (Kammern) abgekammert, und das Thier befindet sich allein in der vordersten, großen Wohnkammer, welche meistens aber so tief ist, daß das Thier sich wie eine Schnecke von der Mündung ganz in den Grund zurückziehen kann. Ausgestreckt muß aber, da der Mantelrand die äußere Schalenschicht selbst bildet, dieser Rand etwas über die Mündung der Schale hinausreichen, und man sieht an den Schalen des Nautilus gerade an der Mündung sehr oft einen Streifen brauner organischer Masse als Zeichen, daß im Leben dort der Mantelrand mit der Schale verklebt war. Indem das Thier mit dem Wachsthume allmählich die hinteren Theile der Schale verläßt und diese zu Lufträumen abkammert, zieht es sich doch nicht ganz aus denselben zurück, sondern ein dünner, röhriger Fortsatz des Körpersackes, der Sipho, bleibt beständig in ihnen. Dieser Sipho durchbohrt deshalb die Septa und hat eine Strecke weit gerade wie die sonstige Körperhaut des Thieres das Vermögen, Perlmuttersubstanz abzusondern, so daß an der Stelle, wo der Sipho das Septum (die Wand) durchsetzt, das letztere einen verschieden langen, röhrigen, vom Sipho gebildeten Ansatz, Siphonaltute, trägt.« Es gibt nicht wenige Schnecken, wie wir später sehen werden, die nur den vorderen Theil ihres Gehäuses bewohnen und die früheren Windungen durch eine Reihe von Querwänden abschließen. »Nicht also in dem Vorhandensein der Kammern in den Schalen der Tetrabranchiaten liegt eine Eigenthümlichkeit, sondern in der Verbindung aller dieser Kammern mit dem Thiere durch den Sipho und in der Füllung der Kammern mit Luft bei diesen oft am Meeresgrunde lebenden Thieren. Darüber, daß diese Kammern bei dem Nautilus pompilius, der gewöhnlich in Tiefen von dreißig Faden vorkommt, mit Luft gefüllt sind, dürften jetzt alle Forscher einig sein. Bei möglichst frisch untersuchten Exemplaren enthielten sie gar kein Wasser. Zu dem Verständnis der Entstehung der Luftkammern bei dem in dreißig Faden Tiefe, also unter etwa sechs Atmosphären Wasserdruck lebenden Nautilus ist die Kenntnis eines Verhältnisses von unbedingter Wichtigkeit, das man bisher in dieser Weise kaum aufgefaßt hat. Es ist dies nämlich die ringförmige Verwachsung des Thieres mit der Schale. Durch zwei große Körpermuskeln wird das Thier in der Schale befestigt; in der Höhe dieser Muskeln ist aber außerdem rund herum der Mantel in einem schmalen Streifen an die Schale angewachsen, nicht um das Thier zu halten, sondern um den Zutritt des Wassers, das durch die Mündung frei einströmt, zu dem hinteren Theile der Manteloberfläche zu hindern. Der hinter diesem Ringe liegende Theil der Körperoberfläche wird die Luft, die wir in den Kammern finden, absondern, und der Ring verhindert es, daß die Luft zwischen Mantel und Schale nach vorn entweicht. Beständig wird durch diese abgesonderte Luft das Thier in der Schale nach vorn gedrängt und rückt darin ebenso fort, [216] wie die Schnecke in der Schale, indem sich dabei an der Mündung die Schale beständig verlängert. Die Ansätze der Körpermuskeln, wie der Ring, rücken damit natürlich allmählich nach vorn, indem sie, wie es bereits Réaumur für die Muskeln der Muscheln bewies, vorn wachsen und hinten resorbirt werden. So sieht man an der Nautilus-Schale am Muskel- und Ringansatz deutlich dem vordersten Rande parallele Streifen, als Zeichen des beständigen Fortrückens. In dieser Weise entfernt sich der Nautilus mit der Absonderung der Luft beständig von der letzten Scheidewand und wächst dabei bedeutend, wie die meisten Schnecken, indem sich die Schale nach vorn, entsprechend dem Thiere, beträchtlich erweitert. Wie aber fast alle Konchylien Zeiten des Wachsthums mit denen der Ruhe wechseln lassen, wie z.B. bei den Schnecken sofort die in bestimmten Abständen wiederkehrenden Mündungswülste zeigen, und wie wir wissen, daß unsere Landschnecken fast nur im Frühlinge fortwachsen, so ist es auch mit dem Nautilus. Und wenn er im Wachsthume stille steht, keine Luft mehr absondert und in der Schale nicht mehr vorrückt, so entsteht auf dem sonst Luft ausscheidenden Hinterende des Thieres hinter dem Ringe eine Perlmutterschicht, die Querscheidewand, wie sie im vor dem Ringe liegenden Bereiche des Mantels beständig gebildet wird. Es deuten also die Scheidewände die periodischen Ruhezustände des Thieres an. Wie oft diese Zustände aber eintreten, ob einmal im Jahre, wie bei den meisten Schnecken, wo dann die Zahl der Wände sofort das Alter des Nautilus ergäbe, kann ich nicht entscheiden.«

Wie die Bildung der Luftkammern von dem hinteren Manteltheile ausgeht, so dient der Sipho zur Erhaltung der Luft in ihnen. Vermöge der Porosität der Schale muß ein fortwährender Austausch der in den Kammern und der im Wasser enthaltenen Luft stattfinden. Die nothwendige Nachfüllung geschieht durch den Sipho, und zwar vermöge des in ihm hinabsteigenden ansehnlichen Blutgefäßes. In derselben Weise wird der Schwimmblase derjenigen Fische, bei welchen sie nicht mit der Schlundröhre in Verbindung steht, durch Ausscheidung aus dem Blute Gas zugeführt. »Daß die Nautilen«, fährt Keferstein fort, »den durch den Sipho in Stand erhaltenen Schwimmapparat der Luftkammern wirklich nöthig haben, geht mit Sicherheit daraus hervor, daß, wenn auch diese Thiere meistens am Grunde des Meeresleben, ruhig sitzend ihre Tentakeln wie eine Aktinie ausgebreitet oder durch mir nicht ganz klare Mittel fortkriechend, sie dennoch oft an der Oberfläche des Meeres schwimmend getroffen werden. Wie es Rumph und Bennet nach eigener Anschauung, Prosch nach den Angaben dänischer Walfischfänger der Südsee mittheilen, tritt beim Schwimmen oder Treiben das Thier mit ausgebreiteten Armen aus der Mündung der Schale hervor und stürzt, sobald es sich in die Schale zurückzieht, dem Fange dadurch entgehend, rasch in die Tiefe. – Man könnte sich dieses kaum erklären, wenn nicht die Last der Schale und des Thieres, beide zum Schwimmen auch so unförmlich gebaut, durch die Luftkammern zum bedeutenden Theile getragen würde.« Keferstein kommt zu dem Resultate, daß, wenn an der Hinterseite des Thieres unterhalb des Ringes Luft sich befindet und dieselbe durch ein Zurückziehen oder Vorstrecken des Thieres oder durch ein Zu- und Abströmen des Blutes in den hinteren Körpersack zusammengedrückt oder ausgedehnt wird, man hierin das Mittel zu sehen habe, wodurch das Thier, dessen Gewicht durch die Luftkammern etwa gleich dem des verdrängten Wassers ist, durch kleine Bewegungen sich augenblicklich leichter oder schwerer als die verdrängte Wassermasse zu machen im Stande ist.

Die oben erwähnten Nachrichten, welche der holländische Arzt Rumph vor zweihundert Jahren in seiner berühmten Amboinischen Raritätenkammer über den Nautilus gegeben, sind durch neuere Beobachtungen kaum vervollständigt. Sie lauten: »Wenn diese Schnecke auf dem Wasser schwimmt, so streckt sie den Kopf mit allen Bärten (Armen) hervor und breitet selbe über dem Wasser aus, so daß die hintere Windung allezeit über dem Wasser hervorragt. Wenn sie aber auf dem Grunde kriecht, so ist es umgewendet, steht mit dem Barte in die Höhe und mit dem Kopfe oder den Armen auf dem Grunde und kriecht ziemlich schnell vorwärts. Sie hält sich meist auf dem Boden des Meeres auf und kriecht zuweilen in die Fischkörbe. Wenn nach einem Sturme das Meer wie der still wird, sieht man sie haufenweise auf dem Wasser schwimmen, und dieses ist zugleich ein Beweis, [217] daß sie sich auch herdenweise auf dem Grunde aufhalten. Man findet sie in allen Seen der Molukkischen Inseln, wie auch in der Gegend der Tausend Inseln vor Batavia und Java, wiewohl man nur mehrentheils die leere Schale antrifft, denn das Thier selbst wird selten gefunden, es sei denn, daß es in die Fischkörbe gekrochen wäre.

Das Thier wird, wie andere Seethiere zur Speise gebraucht, doch ist das Fleisch viel härter und schwer zu verdauen«.

Rumph gibt auch eine Beschreibung der Manipulationen, um von den Schalen die äußere Schicht bis auf die perlmutterglänzende Schicht wegzubringen und sie zu jenen mehr wunderlichen als bequemen Trinkgeschirren zu verarbeiten, die man in älteren Sammlungen und Raritätenkammern noch häufig antrifft. »Wenn sie nun also rein gemacht sind, so schneidet man sie an dem Hintertheile dergestalt durch, daß die vier oder fünf hintersten Kammern sichtbar werden. Danach schneidet man die drei oder vier folgenden Kammern ganz heraus und schnitzelt an der innersten Windung einen offenen Helm, auswendig aber schneidet man allerhand Figuren hinein und überreibt sie mit Kohlenstaub, gemengt mit Wachs und Oel, damit die Figuren schwarz hervor scheinen.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 215-218.
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