[311] Als Unterscheidungszeichen der Pleurobrancheen, zu denen wir nun kommen, von den Aplysiaceen kann man kurz angeben, daß bei der neuen Familie die Kiemen nicht von einem besonderen Schilde bedeckt sind, sondern frei unter dem einfachen Mantelrande in der von diesem und dem Fuße gebildeten Furche sitzen. Durch eine meisterhafte Monographie ist uns von den wenigen, diese Familie bildenden Gattungen Pleurobranchus am besten bekannt. Sie behandelt vor allem den im Mittelmeere lebenden Pleurobranchus aurantiacus, wir haben jedoch leider nicht von dieser Art uns eine Abbildung verschaffen können, sondern müssen unsere Beschreibung an die Abbildung einer Art aus der Südsee anknüpfen, Pleurobranchus Peronii, mit deren Zergliederung einst der große Cuvier sich beschäftigte. Die Pleurobrancheen haben einen im Umrisse ungefähr eiförmigen Körper. Von oben betrachtet gleicht er einer abgeflachten Scheibe, an welcher sich der gewölbte Rücken wie ein fleischiges Schild erhebt. Unter dem Vorderrande dieses Mantelschildes entspringen zwei hohle Tentakeln, welche aus einer sich zusammenrollenden dünnen Lamelle bestehen. Noch weiter unten, aber noch über dem Munde, befindet sich ein dreiseitiger Hautlappen, welcher [311] vorn breiter als hinten. Die Augen stehen am Grunde der Fühler und erscheinen als zwei sehr kleine schwarze Punkte. Wenn das Thier sich zusammenzieht, so verschwindet die rechts liegende Kieme unter dem Rande des Rückenschildes. Bei den im Mittelmeere lebenden Arten Pleurobranchus aurantiacus und ocellatus ist der Fuß nicht so breit als das Rückenschild, über dessen Rand er in der abgebildeten Art nach allen Seiten hinausragt. Sein vorderes Ende geht über die Mundöffnung hinaus, welche man zwischen ihm und dem oben erwähnten dreiseitigen Lappen oder Segel findet.
Wenn der Pleurobranchus in Bewegung ist, so schmiegt er sich allen Unebenheiten der Körper an, über die er hinzieht; seine Gewebe sind so weich, was sich fast von allen Nacktschnecken sagen läßt, daß sie ihm fast in jedem Augenblicke die allgemeine Form zu verändern gestatten. In diesem Zustande sind auch immer die Fühler, das Mundsegel und die Kieme entfaltet. Wir wissen, daß das willkürliche Aufblähen des Körpers der Mollusken von der Aufnahme von Wasser abhängt. Lacaze-Duthiers vergleicht das Schild und den Fuß des Pleurobranchus mit Schwämmen, welche so gefüllt und wieder ausgedrückt werden können, daß das Körpervolumen um das Zwei- und Dreifache sich ändern kann. Das Entleeren der schwammigen Organe geschieht namentlich bei unsanften Berührungen, und ein besonders empfindliches Organ dafür ist jenes über dem Munde befindliche Segel. Wenn das Thier kriecht, senkt es diesen Theil und schiebt ihn langsam über die Oberfläche der Körper hin, auf denen es sich bewegt. Das Aussehen des Thieres ist währenddem ein sehr eigenthümliches, indem das Segel alsdann wie eine Art unter dem Vorderrande des Rüssels entspringender Rüssel erscheint. Die äußerste Empfindlichkeit desselben erklärt sich aus dem Reichthume an Nerven, mit denen das Segel ausgestattet ist.
Wenn nun dies ganz offenbar das eigentliche Tastwerkzeug ist, so kann man sich des Verdachtes nicht erwehren, daß die eigentlich so genannten Fühler für das Thier wohl eine andere Bedeutung haben mögen, zumal sie nach rückwärts gebogen getragen werden und man sie nie etwas wirklich betasten sieht. In der That hat auch schon ein englischer Naturforscher die Fühler der Mollusken für Geruchswerkzeuge angesprochen. Diese Vermuthung gewinnt bei den Pleurobrancheen um so mehr an Wahrscheinlichkeit, als hier dieses Organ aus einem zusammengerollten Blatte besteht und eine Röhre bildet, welche oben und am Grunde offen ist, und durch welche mit Hülfe der mikroskopischen Wimperhärchen fortwährend ein Wasserstrom zieht. Es entspricht damit in hohem Grade den Anforderungen, die an ein Witterungs-oder Geruchsorgan nach den Erfahrungen der vergleichenden Anatomie zu stellen sind.
Ueber das Vorkommen der von ihm beobachteten Arten theilt Lacaze-Duthiers folgendes mit. Bei Ajaccio auf Corsica fand er auf den Felsen den Pleurobranchus ocellatus. Derselbe ist sehr leicht kenntlich an den lebhaften weißen Flecken auf der braunen, mit Roth gemischten Grundfarbe. Dagegen herrschte in Mahon auf den Balearen die orangefarbige Art (Pleurobranchus aurantiacus) vor, von den spanischen Fischern Colorados genannt. Sie waren leicht und in Mengen zu erlangen, wenn man nahe am Ufer und in geringer Tiefe die Steine umwendete, wo die Thiere ruhig saßen, Eier legend oder sich begattend. Auch in der Gefangenschaft hielten sie sich sehr gut und fuhren fort in ihren auf reichliche Nachkommenschaft zielenden Beschäftigungen. Obschon an ihrem natürlichen Aufenthaltsorte die Verstecke suchend, waren sie nicht besonders lichtscheu; sie kamen oft bis an den Rand des Wassers in den Gefäßen und legten vorzugsweise [312] dort ihre Eier ab. Berührt man einen Pleurobranchus, oder hebt man schnell den Stein auf, unter dem er sich befindet, so kugelt er sich zusammen und läßt sich fallen. Für den Sammler ist dies insofern von Vortheil, als es bei der großen Zartheit des Thieres ganz unmöglich wäre, es unverletzt von den Steinen und aus deren Spalten herauszunehmen, wenn es, wie so viele andere Mollusken, sein Heil im festen Ansaugen suchte.
Die Begattungszeit der im Hafen von Mahon beobachteten Pleurobrancheen fiel in den Juli und August und es schien unserem Gewährsmann, als ob jedes Individuum mehrere Bänder Laich absetzte. Es befestigt den Anfang des Bandes an einem seicht liegenden Steine und kriecht dann um diesen Anfangspunkt spiralig herum, indem es eine schleimige, bandförmige Laichmasse von sich gibt, die ungefähr einer Uhrfeder gleicht. Das Band ist etwa einen Centimeter hoch und orangegelb.
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