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[117] Die nun folgenden Jahre flossen dahin in größtenteils ungestörter Ordnung des Lebens. Akademische Vorlesungen, Klinik, Hof und konsultatorische Praxis, Schriftstellerei, vom Morgen bis Abend Beschäftigung, abends stiller Genuß des häuslichen Lebens mit Frau und Kindern, im Sommer gewöhnlich eine Reise – füllten die Zeit aus. – Glückliche Zeiten des häuslichen Lebens, wie ich sie lange nicht mehr gekannt hatte! – Die Erziehung der Kinder gab auch wieder Veranlassung zu genauerer Beobachtung der kirchlichen Religionsformen: Kirchenbesuch und Abendmahl, wozu der würdige Ritschl sehr viel beitrug. – Minna zog nach Weimar zur lieben Schwester und ward bald durch die glücklichste Verbindung mit dem[117] ebenso lieben als verehrungswerten Sturdza vereinigt.
Eduards künftiges Schicksal bestimmte sich nun auch. Er hatte die Erlaubnis erhalten, nachdem er die Franzosen bis über den Rhein mit verfolgt und zum Offizier avanciert war, zurückzukehren und seine Studien fortzusetzen, denn ich wollte nicht, daß der Kriegsgott den helfenden Gott in seiner Seele verdrängen möchte. Er war auch dazu gern erbötig, denn er hatte Freude an der Medizin, zu der ihn schon sein Name trieb. Aber er bat mich dabei um eine Vergünstigung, nämlich: daß es ihm vergönnt sein möchte, seine Kunst auf dem Lande auszuüben, weil sie da am nötigsten sei, und weil ihm die Luft großer Städte, physisch und moralisch, zu unrein wäre. – Ich konnte nicht anders als mich dieser Gesinnung freuen, die mir ihn so ganz entfernt von gemeinen irdischen Rücksichten: Ehre und Geldgewinn, zeigte, und mir überdies die Beruhigung gab: meine künftige Nachkommenschaft in Gottes freier Landluft aufwachsen, und dadurch physisch kräftiger und moralisch reiner zu sehen, was überdies dem neugekauften Gute eine treue Verwaltung und so den Schwestern ihr Vermögen sicherte. Bei meiner damals schwachen Gesundheit und Unsicherheit meines[118] Lebens bestimmte ich dieses Gut zum Zufluchtsort für meine noch übrigen fünf Töchter unter dem Schutze ihres Bruders auf den Fall meines Todes. – Er studierte noch ein halbes Jahr Oekonomie bei Thaer, heiratete 1815 die würdige Tochter Hermbstädts, und zog nun nach Marxdorf als Wirtschafter und Arzt, und es machte mir große Freude, ihn als einen glücklichen Menschen versetzt zu sehen in die schönste Lage, die ein Mensch haben kann: Gottes freien Himmel über sich, die schönste Natur um sich, patriarchalisch seine Acker bauend, und zugleich den Menschen hilfreich in der Not durch seine Kunst. –
In den folgenden Jahren machte mir besonders meiner lieben Tochter Rosalie Kränklichkeit vielen und langen Kummer. Zu schnelles Wachstum gab ihr vom 14. bis zum 18. Jahre die Anlage zu Bluthusten und Phthisis florida tuberculosa, und sie konnte nur durch die strengste Diät, Eingezogenheit, Entsagung des Tanzes, Singens und aller jugendlichen Freuden ihres Alters, Landluft, Milch und Molkenkur und die größte Aufmerksamkeit, jeden kleinen Anfall einer entzündlichen Lungenreizung sogleich durch Aderlässe zu entfernen (deren ihr während dieser Jahre dreißig gemacht wurden), gerettet werden. Und sie ward es so,[119] daß sie nachher heiraten, Kinder bekommen und selbst säugen konnte, ohne Schaden für ihre Lungen.
Noch verursachte mir große Angst die ihr in die Luftröhre gekommene Hechtgräte, welche 6 Wochen lang beständige Gefahr der Erstickung bewirkte und erst in der 7. Woche durch Husten ausgestoßen wurde (beschrieben in meinem Journal). Bei Röschens Krankheiten kann ich die treue Sorgfalt meines Freundes Böhm nicht dankbar genug erwähnen, der leider nachher so tief sank, daß ich den Umgang mit ihm abbrechen mußte.
Schöne Lichtpunkte meines nachher folgenden Lebens waren: die Verheiratung meiner lieben Töchter Laura, Rosalie, Hulda an würdige Männer, die Wiedervereinigung mit meiner lieben Tochter Lilly und ihre glückliche Verbindung mit dem lieben Sohn Emil, die Reise nach Baden, die Reise nach Wien und Italien!