|
[299] Das ganze Wesen der bürgerlichen Haushaltung bestehet in dem Ehestande; dahero, wann der Censor Metellus Numidicus zum Heiraten anmahnet, so brauchet er diese Worte: Si sine uxore possemus Quirites esse, omnes ea molestia careremus; sed quoniam ita natura tradidit, ut nec cum illis satis commode, nec sine illis ullo modo vivi possit, saluti perpetuae potius, quam brevi voluptati consulendum. Das ist: Wann wir ohne Weiber Zeit unseres Lebens bleiben könnten, würde sich niemand diese Beschwerung über den Hals ziehen; weil es aber die Natur also erfordert, dass wir mit denselben zwar nicht alle Zeit nach Wunsch, doch ohne dieselben ganz und gar nicht leben können, soll man lieber einen dauernden Vorteil als eine kurze Lust haben. Dies erzählet uns Aulus Gellius. Denn kein Haus oder Hauswesen kann ohne Frau bestehen und dauern; ohne Frau kann das Geschlecht nicht erweitert, kein Erbe berufen und keine Erbschaft angetreten werden, noch kann von Verwandten, von Familie oder einem Paterfamilias und Hausvater die Rede sein. Wer keine Frau hat, der hat[299] kein Haus, weil er sein Haus nicht feste setzet, und hat er gleich ein Haus, so weilet er darinnen wie ein Fremdling in dem Wirtshause. Wer kein Weib hat, ob er gleich sehr reich ist, der hat doch nichts, was seine ist; denn er weiss nicht, wem er es hinterlassen oder vertrauen soll; alle seine Sachen sind der Gefahr und dem Nachstellen unterworfen, es bestehlen ihn die Knechte, es betrügen ihn seine Mitgesellen, es verachten ihn seine Nachbarn, es vernachlässigen ihn seine Freunde, es stellen ihm seine nahen Anverwandten nach; hat er Kinder ausser der Ehe gezeuget, so hat er Schimpf und Schande davon, sie dürfen auch nicht den Namen des Geschlechtes führen, er kann auch nicht, weil es die Gesetze verbieten, ihnen das Andenken seines Namensund seiner Ahnen hinterlassen, nicht sein Vermögen zuwenden; er wird auch von allen Ehrenämtern, wie die Gesetzgeber vor Zeiten gewollt haben, ausgeschlossen. Denn, der ist nicht würdig, eine Stadt zu regieren, welcher nicht gelernet hat, ein Haus zu regieren, und wie kann er einer Republik vorstehen, wann er nicht seinem eigenen Hause vorstehen kann. Das Haus ist ein Bild des Staates.
Das wussten die Griechen wohl, als sie Philippus Macedo wieder vergleichen wollte, und der Leontiner Gorgias hernach von der Griechen Einigkeit ein Buch schriebe. Da haben die Griechen sie alle beide ausgelachet und gesaget, sie wollten andere vergleichen und könnten zu Hause keine Einigkeit stabilieren; denn Philippus hatte zwischen seinem Weibe und seinem Sohne Streit; Gorgias aber zwischen dem Weibe und der Magd. Sie dachten, wie kann der mit seiner Klugheit auswärtige Streithändel schlichten, der so einen geringen Streit im Hause nicht stillen kann.
Derohalben, wer einer Stadt und Republik vorgesetzet ist, und weiss sich und sein Hauswesen nicht zu regieren, mit dem ist das Regiment übel bestellet; denn hier alleine ist der Zustand, bei welchem sich der Mensch in Werthaltung des Weibes, in Auferziehung der Kinder, in Regierung der Familie, in Erhaltung[300] des Wohlstandes, in Fortpflanzung des Geschlechtes und in Erhaltung seines Stammes sein Leben glückselig machen kann. Strauchelt er nun in diesem (es sind ihrer aber viel, die darinnen straucheln und irren, denn ein jedwedes Leben hat auch sein Kreuz), so ist's um ihn geschehen. Dieses ist alleine ein sanft und leichtes Joch, sonderlich wann die Gatten so beschaffen sind, dass sie nicht den Geiz noch Hochmut und Hoffart, noch die Bosheit oder bösen Lüste angenommen haben. Gott hat sie zusammengefüget also, dass der Mann Vater und Mutter, Bruder, Schwester und Freunde verlassen soll, und an seinem Weibe hangen, welche Liebe alle Liebe weit übertrifft.
Also hat Hektor, wie er die Einnehmung Trojae gesehen hat, nicht sowohl für seine Eltern und Brüder und für sich selbst, als für sein Weib Sorge getragen, denn dieses lesen wir bei dem Homero:
Haud equidem dubito, quin concidet Ilion ingens,
Et Priamus Priamique ruet plebs armipotentis;
Sed mihi nec populi, nec carae cura parentis,
Nec Priami regis tantum praecordia rodit,
Nec germanorum, quamvis multique probique
Ense sub hostili vitas in pulvere ponent
Quam me cura tui, conjunx carissima, vexat.
Das ist: Ich trage keinen Zweifel, es werde das vortreffliche Schloss, und der Priamus mit allem seinem Volke darinnen ehestens zugrunde gehen; allein niemand ist allda, weder das ganze Volk noch meine Eltern, weder der König noch alle meine Landesleute, derer doch viel werden müssen ihren Geist darüber aufgeben, der mir so viel Bekümmernis machte, oder so sehr zu Herzen ginge als du, mein liebes Ehegemahl, alleine tust.
Ich muss bekennen, dass unglückselige Heiraten viel Unglück und Böses nach sich ziehen, nämlich: stete Bekümmernis, garstigen Eifer, lauter Klagen, Verfluchung der Mitgift, Verstimmung der Verwandten,[301] grosse Unkosten, bisweilen Ungewisse Schicksale der Kinder, Untergang des Geschlechtes, fremde Erben, unzählige Schmerzen und Traurigkeiten; und welches das vornehmste ist, man weiss nicht, wie die Wahl ausfallen werde; die man gewählet hat, wird dem Manne, solange als er lebet, am Halse kleben, und lauter Dampf und gebranntes Herzeleid antun. Ist sie schön, ist sie phantastisch, ist sie von bösen, leichtfertigen Sitten, ist sie stolz, unflätig, hässlich, unzüchtig, oder was dergleichen Untugenden mehr sind, das wirst du wohl nach der Hochzeit bald erfahren, aber schwerlich Besserung zu hoffen haben.
Hier könnten wir viel Exempel anführen. Marcus Cato Censorius, der sowohl im Kriege als im Frieden nicht seinesgleichen hatte, als derselbe alt geworden und eines armen und geringen Mannes, des Salonius Tochter, zum Weibe nahm, hat sie sich so schändlich bezeiget, dass er dadurch die Autorität und das Ansehen seines ganzen Hauses verloren hat.
Als Tiberius Juliam die Tochter des Kaisers Augusti, welche wegen ihres Ehebruchs genugsam ist beschrien gewesen, zum Weibe nahm, und er dieselbe weder strafen noch anklagen, noch von sich wegstossen konnte, sondern behalten musste, ist er nach Rhodus nicht ohne Verletzung seines ehrlichen Namens zu gehen gezwungen worden.
Aber alle diese Ungelegenheiten verursachen mehr die Männer als die Weiber, denn nur böse Männer bekommen böse Weiber; wie hiervon Varro bei dem Gellio artlich philosophieret hat: Uxoris vitium aut tollendum aut ferendum est: qui enim tollit, hanc sibi commodiorem praestat, qui fert, ipse sese meliorem reddit. Das ist: Der Weiber Laster und Untugenden muss man ihnen entweder abgewöhnen oder selbige mit Geduld vertragen; denn wer sie ihnen abgewöhnet, der machet, dass sie sich desto besser in ihn schicken lernen, wer aber stille schweiget und es vertraget, der bessert sich selbsten. Hiervon haben wir in unserm absonderlichen Discurs von dem Ehestande(welcher[302] auf die Letzt bei diesem Werke zu finden ist) weitläuftiger geredet.
So gehet es auch oftermals nicht glücklich mit Auferziehung der Kinder; da sind sie oftermals den Eltern ungehorsam, faul, träge, ungeschickt, schlecht und allen Lastern ergeben, sie bringen das Väterliche durch mit Verschwendung, Fressen und Saufen, Huren und Buben, ja es finden sich auch wohl Elternmörder, wie Alcmeon, Orestes und P. Malleolus dergleichen Bürschchen gewesen sind; der Artaxerxes Mnemon selbsten, der einhundertfünfzehn Kinder gehabt hat, aber die meisten, weil sie ungeraten gewesen, hat er aus dem Wege geräumet. Darum spricht Euripides, und hat es auch unser Bernhardus angenommen: es wäre gut, wann man nichts von Kindern wüsste. Augustus, der glückseligste Kaiser, hat wegen seiner Tochter und Tochter-Kind oft des Homeri Vers müssen ausrufen:
Conjuge non ducta, natis utinam caruissem.
Das ist: Wollte Gott, ich hätte mein Tage kein Weib genommen, dass ich nur keine Kinder gezeuget hätte.
Von den Knechten saget auch Euripides: Domi nullus major inimicus, neque pejor, neque inutilior servo. Das ist: In einem Hause ist kein ärgerer und schädlicher Feind, als ein Knecht. Und Democritus spricht: Servus necessaria possessio, non autem dulcis. Das ist: Ein Knecht ist ein notwendiger, aber kein angenehmer Besitz. Und Petrarca schreibt an einem andern Orte: Sciebam me cum canibus vivere, verum venatorem esse nisi admonitus, nesciebam. Das ist: Ich wüsste, dass ich mit Hunden lebete; aber ich musste erst daran erinnert werden, dass ich Jäger war. Die Knechte werden Hunde genennet, sie sind beissigt und frässigt und bellen. Plautus im Pseudolo der beschreibet ihre Natur und Eigenschaften mit diesen Worten:[303] Es ist eine schreckliche Art von Leuten; sie tun niemals, was recht oder dienlich ist, sondern wo sie Gelegenheit haben, rauben, stehlen und verderben sie alles, dass man lieber möchte einen Wolf bei den Schafen, als solch Gesinde in dem Hause alleine lassen. Und Lucianus in Palinuro spricht: Servorum in dominos semper prompta maledicta, furta, impositiones, fuga, arrogantia, negligentia, temulentia, edacitas, somnolentia, tarditas, ignavia. Das ist: Die Knechte sind stets beflissen, auf ihre Herren zu schmählen, sie bestehlen dieselben, betrügen sie, entlaufen, versäumen ihre Sachen, sind verfressen, verschlafen, ja sie sind träge und faul zu allen Sachen. Daher ist ein Sprichwort entstanden: Totidem domi hostes habemus, quot servos. So viel Knechte wir im Hause haben, soviel haben wir auch Feinde.
Aber wir machen sie oftermals mehr dazu, als dass sie von selbsten unsere Feinde wären; denn wir sind oftermals so ungebärdig und grausam gegen dieselben, haben ein tyrannisch Gemüt und gehen mit ihnen um, nicht wie wir sollten, sondern wie es uns beliebet. Von diesen hat Strophilus beim Plauto in Aulularia dieses geredet: Die Herren geben nicht recht mit dem Gesinde um und das Gesinde nicht recht mit den Herren; und also geschicht auf keiner Seite, was recht ist. Die Herren, zumal die alten, sind karg und schmutzig, verschliessen dem Gesinde Küche und Keller mit tausend Schlüsseln, ja, wohl oft ihren eigenen Kindern. Das Gesinde hingegen, so auch auf allen Schelmenstücken ausgelernet, sehen wir sie den verschlossenen Brotschrank eröffnen; da gehet es alsdann wacker an ein Mausen, Fressen und Saufen auch weidlich darauf los; und wird auch auf der Folter nichts eingestanden. Darum ist es das beste, ein Herr sei nicht gar zu karg und eigennützig; so ist auch das Gesinde getreuer.
Viel Republiken haben vor Zeiten von den Knechten viel Böses erlitten; es bezeigen solches die knechtischen oder Sklavenkriege, von denen Historicis beschrieben.[304] Eine vornehme Stadt in Italien, Volsinii, ist uns ein elend Spectacul, welche, als sie den Knechten die Zügel zu lang gelassen und sie in ihren Rat mit eingelassen haben, so haben die Knechte endlich die Ratsherren aus dem Rat gestossen, die Administration des gemeinen Wesens an sich gezogen, Testamenta nach ihrem Willen gemachet, Zusammenkünfte der freien Leute verboten, die Töchter ihrer Herren geheiratet, und endlich gar ein Gesetze rausgelassen, dass ihre Hurerei mit Witwen und Jungfrauen ungestrafet sein sollte, und dass keine Jungfer mit einem Ingenuo oder Freien sich in Heirat einlassen sollte, welche nicht zuvor von einem Sklaven beschmutzet oder gekostet worden wäre. Also ist auch die reiche Stadt, und welche das Haupt in Caria war (ist ein Land in Asien gewesen), wegen allzu vieler Freiheit und Gelindigkeit gegen die Knechte ins äusserste Verderben und Schmach gesetzet worden. Denn, wann die Disziplin der Knechte, wie Aristoteles spricht, weggenommen wird, so sind die Herren nicht sicher; wie es durch die Helotae in Lazedämonien und durch die Penestier in Thessalonien geschehen ist.[305]
Buchempfehlung
»Ein ganz vergebliches Mühen würd' es sein, wenn du, o lieber Leser, es unternehmen solltest, zu den Bildern, die einer längst vergangenen Zeit entnommen, die Originale in der neuesten nächsten Umgebung ausspähen zu wollen. Alle Harmlosigkeit, auf die vorzüglich gerechnet, würde über diesem Mühen zugrunde gehen müssen.« E. T. A. Hoffmann im Oktober 1818
88 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro