Bhriguvallî-Upanishad

[136] (Taittirîya-Up. III)


Dieser Text schildert in derselben Weise das Brahman als den Zustand der höchsten Wonne, zu dem der Kasteiung Übende durch verschiedene niedere Grade der Erkenntnis aufsteigt. An seinem Schluß steht ein Anhang, der nicht zur ganzen Upanishad gehört, sondern nur zu ihrem ersten Satz, daß Brahman = Speise sei.


Bhrigu, der Sohn des Varuna, begab sich zu seinem Vater Varuna: ›Lehre mich, Herr, das Brahman.‹ [Er verkündete es ihm als ›Speise, Hauch, Ohr, Manas, Rede‹1.] Der sprach zu ihm: »Woraus die Wesen entstehen, wodurch sie nach ihrer Geburt leben, wohin sie bei ihrem Abscheiden eingehen, das suche zu erkennen, das ist Brahman.«

Er übte Kasteiung, und als er Kasteiung geübt hatte, wurde er inne, ›Brahman ist Speise‹. Denn aus Speise entstehen diese Wesen, durch Speise leben sie nach ihrer Geburt. In Speise gehen sie nach ihrem Abscheiden ein. Er wurde dessen inne und begab sich wiederum zu seinem Vater Varuna: ›Lehre mich, Herr, das Brahman.‹ Er sprach zu ihm: »Durch Kasteiung suche das Brahman zu erkennen. Brahman ist Kasteiung.«

Er übte Kasteiung, und als er Kasteiung geübt hatte, wurde er inne: ›Brahman ist Hauch‹. Denn aus dem Hauch entstehen diese Wesen, durch Hauch leben sie nach ihrer Geburt. In Hauch gehen sie nach ihrem Abscheiden ein. Er wurde dessen inne und begab sich wieder zu seinem Vater Varuna: ›Lehre mich, Herr, das Brahman.‹ Er sprach zu ihm: »Durch Kasteiung suche das Brahman zu erkennen. Brahman ist Kasteiung.«

Er übte Kasteiung, und als er Kasteiung geübt hatte, wurde[137] er inne: ›Brahman ist Manas‹. Denn aus dem Geist entstehen diese Wesen; durch Geist leben sie nach ihrer Geburt. In Geist gehen sie nach ihrem Abscheiden ein. Er wurde dessen inne und begab sich wieder zu seinem Vater Varuna: ›Lehre mich, Herr, das Brahman.‹ Er sprach zu ihm: »Durch Kasteiung suche das Brahman zu erkennen. Brahman ist Kasteiung.«

Er übte Kasteiung, und als er Kasteiung geübt hatte, wurde er inne: ›Brahman ist Erkenntnis.‹ Denn aus Erkenntnis entstehen diese Wesen, durch Erkenntnis leben sie nach ihrer Geburt; in Erkenntnis gehen sie nach ihrem Abscheiden ein. Er wurde dessen inne und begab sich wieder zu seinem Vater Varuna: ›Lehre mich, Herr, das Brahman.‹ Er sprach zu ihm: »Durch Kasteiung suche das Brahman zu erkennen. Brahman ist Kasteiung.«

Er übte Kasteiung, und als er Kasteiung geübt hatte, wurde er inne: ›Brahman ist Wonne‹. Denn aus Wonne entstehen diese Wesen; durch Wonne leben sie nach ihrer Geburt. In Wonne gehen sie nach ihrem Abscheiden ein. Das ist die Wissenschaft des Bhrigu, des Sohnes des Varuna, die im höchsten Himmel begründet ist.


Dieser Auseinandersetzung folgt als Anhang eine Verherrlichung der Speise, die nicht zu dem ganzen Kapitel, sondern nur zu dem Abschnitt gehört, der ›Speise als Brahman‹ bezeichnet. Es ist Loblied und ›Philosophie‹ derer, die, wie es Brihad-Âranyaka V, 13,1 heißt, sagen: ›daß Brahman die Speise sei‹ oder die Speise als Brahman verehren (Chând.-Up. VII, 9,2). Dieser Speiseverehrung entsprechen die Vorschriften des dafür bestehenden Gelübdes, Speise nicht zu tadeln, nicht zurückzuweisen, die Speise zu mehren, nicht einen um der Speise willen in seinem Hause zurückzuweisen.


[Wer so weiß, steht fest begründet, wird reich an Speise und ein Speisegenießer (ein reicher Herr). Er wird groß an Nachkommenschaft, Vieh, brahmanischem Ansehen, groß an Ruhm.]

[Er soll die Speise nicht tadeln: das ist das Gelübde. Hauch ist Speise; der Leib ist der Speisegenießer. Auf den Hauch[138] ist der Leib fest begründet, auf den Leib ist der Hauch fest begründet: so ist Speise in Speise fest begründet. Wer weiß, daß Speise in Speise fest begründet ist, steht selbst fest begründet. Er wird reich an Speise und ein Speisegenießer. Er wird groß an Nachkommenschaft, an Vieh, an brahmanischem Ansehen, groß an Ruhm. Er soll Speise nicht zurückweisen: das ist das Gelübde.

Wasser sind Speise; der Blitz ist der Speisegenießer. In den Wassern ist der Blitz fest begründet, im Blitz sind die Wasser fest begründet. So ist Speise in Speise fest gegründet. Wer weiß, daß Speise in Speise fest begründet ist, steht selbst fest begründet. Er wird reich an Speise und ein Speisegenießer. Er wird groß an Nachkommenschaft, Vieh, brahmanischem Ansehen, groß an Ruhm. Er soll die Speise mehren. Das ist das Gelübde. Erde ist Speise usw.]

1

Nach meiner Ansicht ist dieser Satz eingeschoben.

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 136-139.
Lizenz: