Kâthaka-Upanishad

Die Erzählung von Naciketas

[156] Vâjashravasa, der Vater des Naciketas, brachte einst ein Opfer, bei dem als Honorar den Priestern alle Habe hingegeben wird. Nur sein Sohn, ein kleiner Knabe, bleibt übrig. Der fragt voll Glaubenseifer den Vater: ›Wem wirst du mich geben?‹ Der Vater zögert mit der Antwort und erst bei der dritten Wiederholung der Frage erwidert er: ›Ich übergebe dich dem Tode.‹ Der Gedanke eines mit einem solchen Allopfer verbundenen Menschenopfers ist hier ganz verblaßt. Wie Shunaḥshepa sich vom Tode durch Anrufung der Götter loskauft, so weiß Naciketas in anderer Weise die Gunst des Todesgottes zu gewinnen. Als Naciketas in dessen Behausung eintrifft, ist Yama abwesend und läßt darum Naciketas drei Tage ohne den einem Brahmanen schuldigen Empfang. Yama begeht damit eine Sünde und gewährt darum Naciketas die Erfüllung dreier Wünsche. Er verspricht, daß er ihn entlassen und sein Vater (trotz der scheinbaren Abweisung dieses Sohnes) ihn freudig empfangen werde, er lehrt ihn zweitens das nach ihm benannte Naciketasfeuer. Diesen kurzen Teil der Upanishad kann man als theoretische Anpreisung dieser Feueranlegung betrachten, deren es verschiedene und jede in ihrer Weise verdienstliche Arten gibt; der Aufbau eines solchen Altars erfolgt nach kosmogonischen Anschauungen und stellt eine Kosmogonie dar. Als dritte Gabe erhält Naciketas von dem sich sträubenden Todesgott eine Belehrung über die höchsten Fragen der Erkenntnis.

Die Einführung des Todesgottes ist eine sinnige Form der Erörterung; über Sein oder Nichtsein nach dem Tode kann er zuerst Auskunft geben. Die Einführung des Todesgottes scheint überdies alte Bräuche vorauszusetzen. In Indien zogen und ziehen noch heute Yamaverehrer umher, zeigen Bilder aus der anderen Welt und begleiten das mit Gesang. Zwei Liedchen sind aus dem Drama Mudrârâkshasa bekannt, in dem ein Spion als Yamadiener erscheint: »Verehret die Füße Yamas! Was wollt ihr mit anderen Göttern tun? Er nimmt das zitternde Leben denen, die anderen Göttern zugetan sind«; »Der Mensch empfängt sein Leben auch von einem Unfreundlichen, wenn man ihn mit Liebe umfaßt. Durch Yama, der alle Welt sterben läßt, leben wir«: damit betritt er das Haus, um seine Rolle zu zeigen und zu singen. König Harsha begegnet auf dem Bazar einem Mann mit[157] Yamabildern, der, umringt von vielen neugierigen Kindern, die Begebnisse des Jenseits auf einer auf Stäben ausgespannten und mit Bildern bedeckten Leinwand erklärt, und hört von ihm den Vers: ›Mütter und Väter sterben zu Tausend, Söhne und Gattinnen zu Hundert zu allen Zeiten. Wem gehören sie, wem gehörst du?‹ (Harshacarita, S. 170,7ff.). Cowell-Thomas erwähnen hierzu aus Kiplings Beast and Man in India, S. 123, charakteristische Bilder aus der Gegenwart, die bei Märkten verkauft werden, mit der Darstellung des Totengerichts, Dharmarâj oder Yama auf dem Thron.

Quelle:
Upanishaden. Altindische Weisheit aus Brâhmanas und Upanishaden. Düsseldorf/Köln 1958, S. 156-158.
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