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[690] 360
Beim Sehn behüten sich ist gut,
Gut, sich behüten beim Gehör,
Beim Riechen hüten sich ist gut,
Gut, sich behüten beim Geschmack,
361
Beim Fühlen hüten sich ist gut,
Gut, sich behüten beim Gespräch,
Beim Denken hüten sich ist gut,
Gut, überall behüten sich:
Ein Mönch, der allbehütet ist,
Wird alles Leidens selig los.
362
Wahrend die Hände, wahrend die Füße,
Wahrend die Rede, gewahrt ganz und gar,
Selbst-beruhigt, -beglückt und -entrücket,
Einsam beseliget – den nenne Mönch ich.
363
Ein Mönch, der mit bezähmtem Mund,
Von Hochmut frei, zu sprechen weiß
Und Wahrheit zeigt und Wahrheit lehrt:
Des Rede ist wie Honig süß.
364
Der in der Lehre lebende,
Der sich der Lehre freuende,
Der ernstlich sie ergründende,
Auf ihren Sinn bedachte Mönch
Bleibt treu dem Guten zugetan.
[691] 365
Dein Almosen schätz' nicht gering,
Beneide nicht die anderen;
Dem Mönch, der Gaben andrer giert,
Wird Selbstvertiefung nicht zuteil.
366
Den Mönch, der wenig nur erhielt
Und seinen Teil gering nicht schätzt,
Ihn, wahrlich, preisen Götter selbst,
Den Reinen, Edlen, Standhaften.
367
Wem gänzlich alles Ich und Mir
In diesem Scheindasein entschwand,
Und Kummer nicht im Busen brennt:
Ein solcher, ja, wird »Mönch« genannt.
Der gütig, mild verweilende,
Der Ordnung Buddhos frohe Mönch
Erreichet wohl der Ruhe Reich,
Des Daseinsendes Seligkeit.
369
Schöpf' aus, o Mönch, dies schwere Schiff,
Entleert führt es dich leicht hinweg:
Bist leer du von Begier und Haß,
Dann eilst du zum Nibbānam hin.
Fünf schneide durch, lass' fahren fünf,
Von fünfen mach' dich völlig frei:
Ein Mönch, der den fünf Wahnströmen
Entrann, heißt »Fluterretteter«.
371
Wach' selbstvertieft, o Mönch, lass' Trägheit,
Lass' Liebeslust dir nicht ins Herze schleichen,
Wehr' ab die bittre Glut des Leichtsinns,
Auf daß du, qualentbrannt, nicht klagest: »Wehe!«
[692] 372
Nicht wird Vertiefung Unweisem,
Und Weisheit Unvertieftem nicht;
Der selbstvertiefte weise Mönch,
O, der ist dem Nibbānam nah.
373
In leere Zelle eintretend,
Gestillt-beruhigten Gemüts,
Wird überirdisch wohl dem Mönch,
Der klar die ganze Wahrheit sieht.
374
Wenn immer tiefer er durchschaut
Dies Lebensterbens-Wandelsein,
Ergreift ihn Wonneseligkeit,
Da er das Ewige erkennt.
375
Dies ist das Erste, Vornehmste,
Was hier dem weisen Mönche ziemt:
Die Sinne halte er bezähmt,
Zufrieden lebe er beglückt,
Der Ordenszucht standhaft getreu;
376
Nur edle Freunde wähle er,
Geläuterte, Gefestigte,
Er selbst sei gütig, sanft und mild,
Im Wandel rein und makellos:
Dies wird ihn selig sättigen,
Und enden wird er alles Leid.
377
Gleichwie die Staude des Jasmins
Die welken Blüten schüttelt ab:
So werfet Gier, so werfet Haß,
Ihr Jünger, weit hinweg von euch.
[693] 378
Der Tuns- und Redens-Ruhige,
Der Stillgewordne, Standhafte,
Der Weltlust abgewandte Mönch:
Der wird »Beruhigter« genannt.
379
Du selbst treib' rüstig an dich selbst
Und läutre dich durch dich allein;
So, selbstbehütet, einsichtvoll,
Wirst glücklich weilen du, o Mönch.
380
Das Selbst nur ist des Selbstes Herr,
Das Selbst nur ist des Selbstes Hort!
Daher behüte wohl dich selbst,
Wie edles Roß der Händler hegt.
381
Der vielbeglückt-durchwonnigte,
Der Ordnung Buddhos frohe Mönch
Erreichet wohl der Ruhe Reich,
Des Daseinsendes Seligkeit.
382
Wer sich, ein zarter Jüngling noch,
Als Mönch dem Orden Buddhos weiht,
Der leuchtet durch die finstre Welt
Gleichwie der Mond aus Wolkennacht.
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