[182] Das Selbstgefühl, in die Besonderheit der Gefühle (einfacher Empfindungen, wie der Begierden, Triebe, Leidenschaften und deren Befriedigungen) versenkt, ist ununterschieden von ihnen. Aber das Selbst ist an sich einfache Beziehung der Idealität auf sich, formelle Allgemeinheit, und diese ist die Wahrheit dieses Besonderen; als diese Allgemeinheit ist das Selbst in diesem Gefühlsleben zu setzen; so ist es die von der Besonderheit sich unterscheidende für sich seiende Allgemeinheit. Diese ist nicht die gehaltvolle Wahrheit der bestimmten[182] Empfindungen, Begierden usf., denn der Inhalt derselben kommt hier noch nicht in Betracht. Die Besonderheit ist in dieser Bestimmung ebenso formell und nur das besondere Sein oder die Unmittelbarkeit der Seele gegen ihr selbst formelles, abstraktes Fürsichsein. Dies besondere Sein der Seele ist das Moment ihrer Leiblichkeit, mit welcher sie hier bricht, sich davon als deren einfaches Sein unterscheidet und als ideelle, subjektive Substantialität dieser Leiblichkeit ist, wie sie in ihrem an sich seienden Begriff (§ 389) nur die Substanz derselben als solche war.
Dieses abstrakte Fürsichsein der Seele in ihrer Leiblichkeit ist noch nicht Ich, nicht die Existenz des für das Allgemeine seienden Allgemeinen. Es ist die auf ihre reine Idealität zurückgesetzte Leiblichkeit, welche so der Seele als solcher zukommt; das ist: wie Raum und Zeit als das abstrakte Außereinander, also als leerer Raum und leere Zeit nur subjektive Formen, reines Anschauen sind, so ist jenes reine Sein, das, indem in ihm die Besonderheit der Leiblichkeit, d.i. die unmittelbare Leiblichkeit als solche aufgehoben worden, Fürsichsein ist, das ganz reine bewußtlose Anschauen, aber die Grundlage des Bewußtseins, zu welchem es in sich geht, indem es die Leiblichkeit, deren subjektive Substanz es [ist] und welche für dasselbe noch als Schranke ist, in sich aufgehoben hat und so als Subjekt für sich gesetzt ist.
Daß die Seele sich so zum abstrakten allgemeinen Sein macht und das Besondere der Gefühle (auch des Bewußtseins) zu einer nur seienden Bestimmung an ihr reduziert, ist die Gewohnheit. Die Seele hat den Inhalt auf diese Weise in Besitz und enthält ihn so an ihr, daß sie in solchen Bestimmungen nicht als empfindend ist, nicht von ihnen sich unterscheidend im Verhältnisse zu ihnen steht noch in sie versenkt ist, sondern sie empfindungs- und bewußtlos an ihr hat und in ihnen sich bewegt. Sie ist insofern frei von ihnen, als sie sich[183] in ihnen nicht interessiert und beschäftigt; indem sie in diesen Formen als ihrem Besitze existiert, ist sie zugleich für die weitere Tätigkeit und Beschäftigung – der Empfindung sowie des Bewußtseins des Geistes überhaupt – offen.
Dieses Sicheinbilden des Besonderen oder Leiblichen der Gefühlsbestimmungen in das Sein der Seele erscheint als eine Wiederholung derselben und die Erzeugung der Gewohnheit als eine Übung. Denn dies Sein als abstrakte Allgemeinheit in Beziehung auf das Natürlich-Besondere, das in diese Form gesetzt wird, ist die Reflexions-Allgemeinheit (§ 175), – ein und dasselbe als Äußerlich-Vieles des Empfindens auf seine Einheit reduziert, diese abstrakte Einheit als gesetzt.
Die Gewohnheit ist wie das Gedächtnis ein schwerer Punkt in der Organisation des Geistes; die Gewohnheit ist der Mechanismus des Selbstgefühls wie das Gedächtnis der Mechanismus der Intelligenz. Die natürlichen Qualitäten und Veränderungen des Alters, des Schlafens und Wachens sind unmittelbar natürlich; die Gewohnheit ist die zu einem Natürlichseienden, Mechanischen gemachte Bestimmtheit des Gefühls, auch der Intelligenz, des Willens usf., insofern sie zum Selbstgefühl gehören. Die Gewohnheit ist mit Recht eine zweite Natur genannt worden, – Natur, denn sie ist ein unmittelbares Sein der Seele, – eine zweite, denn sie ist eine von der Seele gesetzte Unmittelbarkeit, eine Ein- und Durchbildung der Leiblichkeit, die den Gefühlsbestimmungen als solchen und den Vorstellungs- [und] Willensbestimmtheiten als verleiblichten (§ 401) zukommt.
Der Mensch ist in der Gewohnheit in der Weise von Naturexistenz und darum in ihr unfrei, aber insofern frei, als die Naturbestimmtheit der Empfindung durch die Gewohnheit zu seinem bloßen Sein herabgesetzt, er nicht mehr in Differenz und damit nicht mehr in Interesse, Beschäftigung und in Abhängigkeit gegen dieselbe ist. Die Unfreiheit in der Gewohnheit ist teils nur formell, als nur in das Sein der Seele gehörig; teils nur relativ, insofern[184] sie eigentlich nur bei üblen Gewohnheiten stattfindet oder insofern einer Gewohnheit überhaupt ein anderer Zweck entgegengesetzt ist; die Gewohnheit des Rechten überhaupt, des Sittlichen, hat den Inhalt der Freiheit. – Die wesentliche Bestimmung ist die Befreiung, die der Mensch von den Empfindungen, indem er von ihnen affiziert ist, durch die Gewohnheit gewinnt. Es können die unterschiedenen Formen derselben so bestimmt werden: 1. Die unmittelbare Empfindung als negiert, als gleichgültig gesetzt. Die Abhärtung gegen äußerliche Empfindungen (Frost, Hitze, Müdigkeit der Glieder usf., Wohlgeschmack usf.) sowie die Abhärtung des Gemüts gegen Unglück ist eine Stärke, daß, indem der Frost usf., das Unglück von dem Menschen allerdings empfunden wird, solche Affektion zu einer Äußerlichkeit und Unmittelbarkeit herabgesetzt ist; das allgemeine Sein der Seele erhält sich als abstrakt für sich darin, und das Selbstgefühl als solches, Bewußtsein, Reflexion, sonstiger Zweck und Tätigkeit, ist nicht mehr damit verwickelt. – 2. Gleichgültigkeit gegen die Befriedigung, die Begierden, Triebe werden durch die Gewohnheit ihrer Befriedigung abgestumpft; dies ist die vernünftige Befreiung von denselben; die mönchische Entsagung und Gewaltsamkeit befreit nicht von ihnen, noch ist sie dem Inhalte nach vernünftig; – es versteht sich dabei, daß die Triebe nach ihrer Natur als endliche Bestimmtheiten gehalten und sie wie ihre Befriedigung als Momente in der Vernünftigkeit des Willens untergeordnet sind. – 3. in der Gewohnheit als Geschicklichkeit soll nicht nur das abstrakte Sein der Seele für sich festgehalten werden, sondern als ein subjektiver Zweck in der Leiblichkeit geltend gemacht, diese ihm unterworfen und ganz durchgängig werden. Gegen solche innerliche Bestimmung der subjektiven Seele ist die Leiblichkeit als unmittelbares äußerliches Sein und Schranke bestimmt; – der bestimmtere Bruch der Seele als einfachen Fürsichseins in sich selbst gegen ihre erste Natürlichkeit[185] und Unmittelbarkeit; die Seele ist damit nicht mehr in unmittelbarer Idealität, sondern muß als äußerlich erst dazu herabgesetzt werden. Die Verleiblichung der bestimmten Empfindungen ist ferner selbst eine bestimmte (§ 401) und die unmittelbare Leiblichkeit eine besondere Möglichkeit (eine besondere Seite ihrer Unterschiedenheit an ihr, ein besonderes Organ ihres organischen Systems) für einen bestimmten Zweck. Das Einbilden solchen Zwecks darein ist dies, daß die an sich seiende Idealität des Materiellen überhaupt und der bestimmten Leiblichkeit als Idealität gesetzt worden, damit die Seele nach der Bestimmtheit ihres Vorstellens und Wollens als Substanz in ihrer Leiblichkeit existiere. Auf solche Weise ist dann in der Geschicklichkeit die Leiblichkeit durchgängig und zum Instrumente gemacht, daß, wie die Vorstellung (z.B. eine Reihe von Noten) in mir ist, auch widerstandslos und flüssig der Körper sie richtig geäußert hat.
Die Form der Gewohnheit umfaßt alle Arten und Stufen der Tätigkeit des Geistes; die äußerlichste, die räumliche Bestimmung des Individuums, daß es aufrecht steht, ist durch seinen Willen zur Gewohnheit gemacht, eine unmittelbare, bewußtlose Stellung, die immer Sache seines fortdauernden Willens bleibt; der Mensch Steht nur, weil und sofern er will, und nur so lange, als er es bewußtlos will. Ebenso Sehen und so fort ist die konkrete Gewohnheit, welche unmittelbar die vielen Bestimmungen der Empfindung, des Bewußtseins, der Anschauung, des Verstandes usf. in einem einfachen Akt vereint. Das ganz freie, in dem reinen Elemente seiner selbst tätige Denken bedarf ebenfalls der Gewohnheit und Geläufigkeit, dieser Form der Unmittelbarkeit, wodurch es ungehindertes, durchgedrungenes Eigentum meines einzelnen Selbst ist. Erst durch diese Gewohnheit existiere Ich als denkendes für mich. Selbst diese Unmittelbarkeit des denkenden Beisichseins enthält Leiblichkeit (Ungewohntheit und lange Fortsetzung des Denkens macht Kopfweh); die Gewohnheit[186] vermindert diese Empfindung, indem sie die natürliche Bestimmung zu einer Unmittelbarkeit der Seele macht. – Die entwickelte und im Geistigen als solchem betätigte Gewohnheit aber ist die Erinnerung und das Gedächtnis und weiter unten zu betrachten.
Von der Gewohnheit pflegt herabsetzend gesprochen und sie als ein Unlebendiges, Zufälliges und Partikuläres genommen zu werden. Ganz zufälliger Inhalt ist allerdings der Form der Gewohnheit, wie jeder andere, fähig, und es ist die Gewohnheit des Lebens, welche den Tod herbeiführt oder, wenn ganz abstrakt, der Tod selbst ist. Aber zugleich ist sie der Existenz aller Geistigkeit im individuellen Subjekte das Wesentlichste, damit das Subjekt als konkrete Unmittelbarkeit, als seelische Idealität sei, damit der Inhalt, religiöser, moralischer usf., ihm als diesem Selbst, ihm als dieser Seele angehöre, weder in ihm bloß an sich (als Anlage), noch als vorübergehende Empfindung oder Vorstellung, noch als abstrakte, von Tun und Wirklichkeit abgeschiedene Innerlichkeit, sondern in seinem Sein sei. – In wissenschaftlichen Betrachtungen der Seele und des Geistes pflegt die Gewohnheit entweder als etwas Verächtliches übergangen zu werden oder vielmehr auch, weil sie zu den schwersten Bestimmungen gehört.[187]
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