A. Bacon von Verulam

[74] Dies Verlassen des jenseits liegenden Inhalts, der durch seine Form das Verdienst seiner Wahrheit verloren, nichts für das Selbstbewußtsein, die Gewißheit seiner selbst, seiner Wirklichkeit ist, – das, was schon getan wurde, mit Bewußtsein ausgesprochen, sehen wir in Lord Bacon, Baron von Verulam, Grafen von St. Alban, diesem Heerführer aller Erfahrungsphilosophie, mit dessen Sprüchelchen man auch bei uns noch jetzt gerne die Werke ziert. Er wurde 1561 zu London geboren; und da seine Ahnen und Verwandten in hohen Staatsämtern standen, so hat er, auch selber dazu gebildet, sich zuerst den Staatsgeschäften gewidmet und bedeutende Karriere gemacht. Sein Vater war Großsiegelbewahrer unter der Königin Elisabeth. Bacon zeigte früh große Talente; im Alter von 19 Jahren schrieb er schon eine Schrift über den Zustand von Europa (De statu Europae). Bacon schloß sich in seiner Jugend an den Grafen Essex, den Liebling Elisabeths, an, durch den er, der ein jüngerer Sohn des Hauses[74] war (seine älteren Brüder erhielten das väterliche Vermögen), unterstützt, bald in bessere Umstände geriet, höhergehoben wurde. Es wird ihm aber deswegen die größte Undankbarkeit gegen seinen Beschützer Schuld gegeben; und man wirkt ihm vor, er habe sich von den Feinden des Grafen dazu verleiten lassen, ihn nach seinem Falle des Hochverrats beim Publikum anzuklagen, durch welche Treulosigkeit er seinen Ruhm befleckte.

Unter Jakob I., dem er sich durch sein Werk De augmentis scientiarum empfahl, erhielt er die angesehensten englischen Staatsämter. Er machte reiche Heirat, verschwendete bald alles und erlaubte sich Intrigen und Ungerechtigkeiten. Er schloß sich an Buckingham an, wurde Großsiegelbewahrer, Großkanzler von England, Baron von Verulam. (Jakob war schwacher Mensch, Vater Karls I., der enthauptet wurde.) Bacon ließ sich aber in dieser Stellung die gröbste Bestechlichkeit zuschulden kommen. Dadurch zog er sich den Unwillen des Volks und der Großen zu, so daß er angeklagt und sein Prozeß vor dem Parlamente geführt wurde. Er wurde zu einer Geldbuße von 4000 Pf. Sterl. verurteilt, sein Name aus der Liste der Pairs ausgestrichen, und er kam in den Tower. Im Prozesse und als er im Gefängnisse war, zeigte er die größte Schwäche des Charakters. Zwar wurde er aus dem Kerker, zu dem er verurteilt war, wieder entlassen, sein Prozeß vernichtet: aus dem noch größeren Hasse gegen das Ministerium Buckingham und den König, unter dessen Regierung er jene Ämter bekleidet hatte und als ein Opfer gefallen zu sein schien, weil er früher fiel und von seinem Mitgenossen Buckingham verlassen und verurteilt wurde; die ihn stürzten, haben sich durch Herrschen ebenso verhaßt gemacht, – dieser Umstand mehr als seine Unschuld milderten die Verachtung und den Haß gegen Bacon etwas. Aber er konnte weder bei sich selbst Selbstachtung noch[75] persönliche Achtung bei anderen, die er durch sein vorheriges schlechtes Betragen verloren hatte, nie mehr wieder gewinnen. Er privatisierte nun, lebte in Armut, mußte den König um Unterstützung bitten, beschäftigte sich den Rest seines Lebens nur mit den Wissenschaften und starb 1626.

Bei Griechen und Römern lebten die Philosophen für sich in einer Äußerlichkeit, die ihrer Wissenschaft angemessen und würdig schien; jetzt ist diese Absonderung weggefallen, die Philosophen sind nicht Mönche, sondern sind in Ämtern und verflochten in den Zustand der Gegenwart, – in die Welt und deren Gang und Verlauf; so wird nebenher philosophiert, – als ein Luxus und Überfluß.

Bacon wird immer noch als derjenige gepriesen, der das Erkennen auf seine wahre Quelle, auf die Erfahrung gewiesen; er wird an die Spitze des empirischen Weges des Wissens gestellt. Und in der Tat ist er eigentlich der Anführer und Repräsentant dessen, was in England Philosophie genannt wird und worüber die Engländer noch durchaus nicht hinausgekommen sind. Denn sie scheinen in Europa das Volk auszumachen, welches auf den Verstand der Wirklichkeit beschränkt, wie der Stand der Krämer und Handwerker im Staate, immer in die Materie versenkt zu leben und Wirklichkeit zum Gegenstande zu haben, aber nicht die Vernunft, bestimmt ist. Bacon hat sich große Verdienste erworben, indem er zeigte, wie auf die äußeren und inneren Naturerscheinungen achtzugeben sei. Sein Name gilt dann mehr, als ihm unmittelbar als Verdienst zugeschrieben werden konnte. Es ist Tendenz der Zeit und des englischen Räsonnements geworden, von Tatsachen auszugehen und danach zu urteilen. Indem er die Richtung ausgesprochen, so wird ihm zugeschrieben, als ob er dem Erkennen diese Richtung überhaupt gegeben habe.

Viele gebildete Männer haben über das, was für den Menschen Interesse hat, Staatsgeschäfte, Gemüt, Herz, äußerliche Natur usf., nach der Erfahrung, nach einer gebildeten Weltkenntnis gesprochen und gedacht. Auch Bacon war[76] ebenso ein Weltmann von Bildung, der in großen Verhältnissen, in Staatsgeschäften gelebt, praktisch die Wirklichkeit gehandhabt, die Menschen, die Umstände, die Verhältnisse beobachtet und mit ihnen gewirkt hat, wie gebildete, reflektierende, wenn man will philosophierende Weltleute. – Nach dem Schluß seiner Laufbahn im Staate hat er sich jetzt ebenso an wissenschaftliche Tätigkeit gewendet und darum auf dieselbe Weise praktisch nach Nützlichkeit, nach konkreter Erfahrung und Einsicht die Wissenschaften betrachtet und behandelt. Es ist Betrachtung der Gegenwart und Geltendmachen und Geltenlassen, wie sie erscheint; das Existierende wird so mit offenen Augen angesehen und dies Anschauen geehrt und anerkannt. Es ist Zutrauen der Vernunft zu sich selbst und zur Natur, wenn sie sich denkend wendet zur Natur, Wahrheit in ihr zu finden, weil sie an sich harmonisch. Er hat gänzlich beiseite gelassen und verworfen die scholastische Weise, aus ganz entfernt liegenden Abstraktionen zu räsonieren, zu behaupten, zu philosophieren, – die Blindheit für das, was vor dem Auge liegt. Es ist die sinnliche Erscheinung, wie sie an den gebildeten Menschen kommt, wie dieser darüber reflektiert, die Nützlichkeit usf., was den Standpunkt ausmacht; die sinnliche Erscheinung gelten lassen und geltend machen ist dem Prinzip gemäß, – das Endliche, Weltliche als ein Endliches aufnehmen, d. i. auch in seinem sinnlichen Verhalten.

Bacon hat sich auf praktische Weise an die Wissenschaften gewendet, die Erscheinung reflektierend aufgefangen und darauf, als das Erste, Rücksicht genommen. Die Wissenschaften hat er zugleich methodisch betrachtet; er hat nicht bloß Meinungen, Sentiments vorgebracht, sich nicht so bloß über die Wissenschaften ausgelassen, geäußert, wie ein vornehmer Herr absprechend, sondern er ist ins Genaue gegangen und hat eine Methode in Rücksicht des wissenschaftlichen Erkennens aufgestellt. Durch dies Methodische der Betrachtung, das er eingeführt hat, allein ist er merkwürdig, – dadurch allein in die Geschichte der Wissenschaften und[77] der Philosophie aufzunehmen; und durch dies Prinzip des methodischen Erkennens hat er auch die große Wirkung auf sein Zeitalter hervorgebracht, indem er es auf die Mängel der Wissenschaften sowohl ihrer Methode als ihrem Inhalt nach aufmerksam machte. Bacon gilt als Heerführer der Erfahrungsphilosophie; es wird sich immer auf ihn in diesem Sinne berufen. Er hat die allgemeinen Prinzipien der Verfahrungsart in diesem Erkennen aufgestellt.

Das Wissen aus Erfahrung, das Räsonnieren aus derselben, steht gegenüber dem Wissen aus dem Begriff, aus dem Spekulativen; und man faßt den Gegensatz wohl gar so scharf auf, daß das Wissen aus dem Begriff sich schäme der Erkenntnis aus der Erfahrung, wie sich dann diese auch wieder entgegenstelle dem Erkennen durch den Begriff. Von Bacon kann man sagen, was Cicoro von Sokrates sagt: er habe das Philosophieren in die weltlichen Dinge, in die Häuser der Menschen heruntergeführt (s. Bd. 18, S. 445). Und insofern kann das Erkennen aus dem Begriff, aus dem Absoluten, vornehm tun gegen dies Erkennen; aber es ist für die Idee notwendig, daß die Partikularität des Inhalts ausgebildet werde. Eine wesentliche Seite ist der Begriff, aber ebenso wesentlich die Endlichkeit desselben als solchen. Der Geist gibt sich Gegenwart, äußerliche Existenz; diese Existenz kennenlernen, das Weltwesen, wie es ist, das sinnliche Universum, sich als diesen, d. i. mit seiner erscheinenden, sinnlichen Ausbreitung, ist die eine Seite. Die andere Seite ist die Beziehung auf die Idee. Die Abstraktion an und für sich muß sich bestimmen, partikularisieren. Die Idee ist konkret, bestimmt sich in sich, hat Entwicklung; und das vollkommene Erkennen ist immer entwickelter. Erkennen hat in Rücksicht auf die Idee nur den Sinn, daß die Ausbildung der Entwicklung noch nicht so weit ist. Um diese Entwicklung ist es zu tun; und zu dieser Entwicklung, Bestimmung des Besonderen aus der Idee, dazu, daß die Erkenntnis des Universums, der Natur sich ausbilde, – dazu ist die Erkenntnis des Partikulären notwendig. Diese Partikularität[78] muß für sich ausgebildet werden; man muß die empirische Natur, die physische und die des Menschen, kennenlernen. Und es ist das Verdienst neuerer Zeit, dies befördert oder hervorgebracht zu haben; es ist höchst ungenügend, wenn die Alten dazu herausgehen. Die Empirie ist nicht bloßes Beobachten, Hören, Fühlen usf., das Einzelne wahrnehmen, sondern geht wesentlich darauf, Gattungen, Allgemeines, Gesetze zu finden. Und indem sie diese hervorbringt, so trifft sie mit dem Boden des Begriffs zusammen, – erzeugt ein solches, was dem Boden der Idee, des Begriffs angehört; sie präpariert den empirischen Stoff für denselben, daß dieser dann ihn so zu Recht aufnehmen kann.

Die Idee, wenn die Wissenschaft fertig ist, muß von sich ausgehen, – die Wissenschaft fängt nicht mehr vom Empirischen an; aber daß die Wissenschaft fertig werde, zur Existenz komme, dazu gehört der Gang vom Einzelnen, vom Besonderen zum Allgemeinen: Tätigkeit als Aktion, Reaktion auf das Empirische, den gegebenen Stoff, – denselben umarbeiten. (Die Forderung des Erkennens a priori, als ob die Idee aus sich konstruiere, ist Rekonstruieren, wie die Empfindung in der Religion überhaupt.) Und ohne die Ausbildung der Erfahrungswissenschaften für sich hätte die Philosophie nicht weiter kommen können als bei den Alten. Das Ganze der Idee in sich ist die vollendete Wissenschaft, und das Andere ist der Anfang, der Gang ihres Entstehens. Dieser Gang der Entstehung der Wissenschaft ist verschieden von ihrem Gang in sich, wenn sie fertig, wie der Gang der Geschichte der Philosophie und der Gang der Philosophie selbst. In jeder Wissenschaft wird von Grundsätzen angefangen, diese sind im Anfang Resultate des Besonderen; ist die Wissenschaft aber fertig, so wird davon angefangen. So ist es auch bei der Philosophie; die Ausbildung der empirischen Seite ist so wesentliche Bedingung der Idee gewesen, damit sie zu ihrer Entwicklung, Bestimmung kommen könne. Z.B. daß die Geschichte der Philosophie der neueren Zeit vorhanden sein kann, dazu gehört die Geschichte der Philosophie im allgemeinen,[79] der Gang der Philosophie durch soviel tausend Jahre; diesen langen Weg muß der Geist genommen haben, um diese Philosophie zu produzieren. Im Bewußtsein nimmt sie dann die Stellung an, daß sie die Brücke hinter sich abwirft; sie erscheint frei nur in ihrem Äther sich zu ergehen, ohne Widerstand in diesem Medium sich zu entfalten, ohne Reaktion; aber ein anderes ist, diesen Äther und die Entfaltung in ihm zu gewinnen. Wir dürfen es nicht übersehen, daß die Philosophie ohne diesen Gang nicht zur Existenz gekommen wäre; Geist ist wesentlich Verarbeitung als eines Anderen. – Dies ist der Geist der Baconischen Philosophie.

1. Die Erfahrung nimmt Bacon als die einzige und wahrhafte Quelle des Erkennens an, sodann ordnet er das Denken darüber. Bacon ist durch zwei Werke berühmt geworden. Sein Verdienst ist namentlich erstens, daß er in seiner Schrift De augmentis scientiarum eine systematische Enzyklopädie der Wissenschaften aufgestellt hat, – ein Entwurf, der bei seinen Zeitgenossen allerdings Aufsehen erregen mußte. Es ist wichtig, ein solches geordnetes Gemälde des Ganzen, an das man nicht gedacht hatte, vor Augen zu legen. Diese Enzyklopädie trägt eine allgemeine Einteilung der Wissenschaften vor; die Prinzipien der Einteilung sind nach den Unterschieden der geistigen Vermögen geordnet. Er teilt die Wissenschaften ein nach dem Gedächtnis, der Phantasie und der Vernunft: 1. Sachen des Gedächtnisses 2. der Phantasie, 3. der Vernunft. So hat er dem Gedächtnis die Geschichte, der Phantasie die Poesie (Kunst) und der Vernunft endlich Philosophie zugeordnet. Und nach der beliebten Weise des Einteilens werden dann diese weiter eingeteilt; darunter bringt er das Übrige, das ist unbefriedigend. Zur Geschichte gehören Werke Gottes: heilige, prophetische, ekklesiastische Geschichte; Werke des Menschen[80] Geschichte, Literargeschichte; dann Werke der Natur usf. Und er geht sie durch nach der Manier seiner Zeit, worin eine Hauptseite ist, daß etwas durch Beispiele, z.B. aus der Bibel plausibel gemacht wird. Wenn von Königen, Päpsten usf. die Rede ist, so muß Ahab, Salomo usf. herhalten. Wie z.B. damals in den Gesetzen, in den Ehegesetzen die jüdischen Formen galten, so sind auch in der Philosophie dergleichen noch gewesen. Es kommt auch in dieser Schrift Theologie vor, ebenso Magie. Es ist allgemeine Methodik der Erkenntnis und der Wissenschaften.

Die Einteilung der Wissenschaften ist das Unbedeutendste am Werke De augmentis scientiarum. Worin sein Wert gesetzt wurde und es Wirkung hervorbrachte, ist die Kritik und Menge lehrreicher Bemerkungen, was alles damals in den einzelnen Gattungen von Kenntnissen und Disziplinen vermißt wurde, hauptsächlich inwiefern die bisherige Methode in der Behandlung fehlerhaft und zweckwidrig sei, wo scholastisch-aristotelische Begriffe vom Verstand ausgesponnen werden als Realitäten. – Dies Einteilen ist, wie es schon bei den Scholastikern und bei den Älteren gebräuchlich war, noch jetzt Mode in den Wissenschaften, in welchen die Natur des Wissens unbekannt ist. Hier wird der Begriff der Wissenschaft vorausgeschickt, zu diesem Begriffe dann ein ihm fremdes Prinzip als Einteilungsgrund herzugenommen, wie hier der Unterschied des Gedächtnisses, der Phantasie und der Vernunft, da die wahre Teilung ist, daß der Begriff sich selbst entzweie, aus sich sich einteilt. Im Wissen ist freilich das Moment des Selbstbewußtseins; und das reale Selbstbewußtsein hat die Momente des Gedächtnisses, der Phantasie und der Vernunft an ihm. Aber diese Einteilung desselben eben ist es, die nicht aus dem Begriffe des Selbstbewußtseins genommen ist, sondern aus der Erfahrung, daß sich findet, daß es diese Vermögen habe.[81]

2. Das andere ihn Auszeichnende ist nun eben dies, daß er weitläufig. in seiner zweiten Schrift, seinem Organon, eine neue Methode über das Wissen geltend zu machen suchte; hier wird sein Name noch häufig mit Ruhm gepriesen. Seine Hauptbestimmungen sind, daß er polemisch gegen die bisherige scholastische Methode, durch Schließen zu wissen, aufgetreten ist, – gegen die syllogistischen Formen. Er nennt diese Methode anticipationes naturae. Man fängt von Voraussetzungen, Definitionen, angenommenen Begriffen, von einer Abstraktion, einem scholastischen Abstraktum an und räsoniere weiter daraus, ohne auf das zu sehen, was in der Wirklichkeit vorhanden ist. So wurden von Gott und seiner Wirkungsweise in der Welt, Teufeln usf. Bibelstellen gebraucht (z.B. »Sonne stehe still«), um daraus gewisse Sätze, metaphysische Sätze, zu schließen, von denen aus man dann weitergegangen ist. Gegen dies apriorische Verfahren ist Bacons Polemik gerichtet gewesen; gegen diese Antizipationen der Natur wies er hin auf Erklärung, Auslegung der Natur. Das Schließen verwirft er im allgemeinen. In der Tat ist auch dies aristotelische Schließen weder ein Erkennen durch sich selbst, seinem Inhalte nach: es bedarf eines fremden, zugrunde gelegten Allgemeinen; – teils ist eben darum die Bewegung, ihrer Form nach, etwas Zufälliges. Der Inhalt ist nicht in Einheit mit der Form, diese Form daher an ihr selbst zufällig, – sie, für sich betrachtet, Fortbewegung an einem fremden Inhalt. Der Obersatz ist für sich seiender Inhalt; der Untersatz, ebenso Inhalt nicht durch sich, geht ins Unendliche zurück, d.h. hat die Form nicht an ihm selbst; die Form ist nicht der Inhalt. Es läßt sich ebensogut immer auch das Entgegengesetzte durch den Schluß hervorbringen; denn dieser Form ist es gleichgültig, welcher Inhalt zugrunde gelegt wird. »Die Dialektik hilft nichts zur Erfindung der Künste; durch Zufall sind viele Künste erfunden.«[82]

Gegen dieses Schließen nicht eben überhaupt, d.h. nicht den Begriff desselben (denn diesen hatte Bacon nicht), sondern gegen das Schließen, wie es getrieben wurde, eiferte Bacon, – gegen das scholastische Schließen, das einen angenommenen Inhalt (Begriff) zugrunde legte, eiferte Bacon und drang darauf, daß der Inhalt der Erfahrung zugrunde gelegt wurde und nach der Induktion verfahren werde, da er Beobachtungen der Natur und Versuche als Grundlage forderte, – und zeigte die Gegenstände auf, deren Untersuchung für das Interesse der menschlichen Gesellschaft vorzüglich wichtig sei usf. Daraus ergab sich dann das Schließen durch Induktion und Analogie. – In der Tat war es nur diese Verwechslung des Inhalts, auf welche Bacon, ohne es zu wissen, in Wahrheit drang; denn wenn er eigentlich das Schließen überhaupt verwarf und nur den Schluß durch Induktion zuließ, so ohne Bewußtsein machte er teils selbst Schlüsse. (Die Induktion setzt er dem Syllogismus entgegen; diese Entgegensetzung ist aber formell, jede Induktion ist auch ein Schließen, was auch Aristoteles bekannt war. Aus einer Menge Dinge wird ein Allgemeines abgeleitet: Erster Satz: Diese Körper haben diese Eigenschaften; zweiter: Alle diese Körper gehören zu einer Klasse; also drittens hat diese Klasse diese Eigenschaften. Das ist vollständiger Schluß.) Teils alle diese Erfahrungshelden nach ihm, die das ins Werk richteten, was er verlangte, und aus Beobachtungen, Versuchen und Erfahrungen die Sache selbst rein zu erhalten meinten, konnten es weder ohne Schlüsse noch ohne Begriffe machen und begriffen und schlossen um so schlechter, da sie meinten, sie haben nicht mit Begriffen zu tun, noch traten sie überhaupt aus dem Schließen heraus zur immanenten, wahren Erkenntnis.

Es ist schon erinnert, wie wichtig es ist, auf den Inhalt als Inhalt der Wirklichkeit, der Gegenwart hinzuführen; denn[83] das Vernünftige muß gegenständliche Wahrheit haben. Die Versöhnung des Geistes mit der Welt, die Verklärung der Natur und aller Wirklichkeit muß nicht ein Jenseits, ein Dereinst sein, sondern jetzt und hier sich vollbringen. Dies Moment des Jetzt und Hier ist es, das dadurch überhaupt in das Selbstbewußtsein kommt. Die Erfahrungen, Versuche, Beobachtungen wissen aber nicht, was sie in Wahrheit tun, nämlich daß das einzige Interesse, das sie an den Dingen nehmen, eben die innere bewußtlose Gewißheit der Vernunft ist, sich in der Wirklichkeit selbst zu finden; und die Beobachtungen und Versuche laufen eben darauf hinaus, wenn sie richtig angestellt werden, daß nur der Begriff das Gegenständliche ist. Den Versuchen entflieht eben unter den Händen das sinnliche Einzelne und wird ein Allgemeines; das bekannteste Beispiel ist die positive und negative Elektrizität, insofern sie positiv und negativ ist. Der andere formelle Mangel, den alle Empiriker teilen, ist, daß sie glauben, sie halten sich nur an Erfahrung; es bleibt ihnen unbewußt, daß im Aufnehmen dieser Wahrnehmungen sie metaphysizieren. Der Mensch bleibt nicht beim Einzelnen stehen und kann es nicht. Er sucht das Allgemeine; dieses sind Gedanken, wenn auch nicht Begriffe. Die ausgezeichnetste Gedankenform ist so die Kraft; man hat Kraft der Elektrizität, des Magnetismus, der Schwere. Die Kraft ist Allgemeines, nicht Wahrnehmbares; ganz unkritisch, bewußtlos geben sich die Empiriker also solchen Bestimmungen hin. Die Induktion hat den Sinn, daß Beobachtungen angestellt, Versuche gemacht werden, auf die Erfahrung gesehen und aus diesem die allgemeine Bestimmung abgeleitet wird.

3. Bacon gibt die Gegenstände an, mit denen sich vornehmlich die Philosophie beschäftigen solle. Diese Gegenstände kontrastieren sehr in Vergleich dessen, was wir aus Wahrnehmung und Erfahrung schöpfen. »In der allgemeinen Skizze, die Bacon von dem gibt, was vornehmlich Gegenstand der philosophischen Untersuchung sein solle, befinden sich folgende Gegenstände, und wir wählen diejenigen heraus,[84] auf welche er in seinen Werken vornehmlich dringt.« Unter diese Wissenschaften begreift er unter anderem auch »die Verlängerung des Lebens, die Verjüngung in einem gewissen Grade, die Retardation des Alters, die Veränderung der Statur, die Veränderung der Züge, die Verwandlung der Körper in andere, das Erzeugen neuer Arten, Gewalt über die Luft und Erregung von Ungewittern, größeres Vergnügen der Sinne.« Er spricht über das Goldmachen. Auch auf solche Gegenstände läßt er sich ein, und sucht die Aufmerksamkeit darauf zu richten, ob es nicht in bezug auf sie Mittel geben könne; in solchen Mächten soll man es weiterbringen. »Er beschwert sich, daß dergleichen Untersuchungen verlassen worden seien von solchen, die er bezeichnet als ignavi regionum exploratores. In seiner Naturhistorie gibt er förmliche Rezepte, Gold zu machen und viele Wunder zu verrichten.« Bacon steht noch gar nicht auf dem verständigen Standpunkt der Naturbetrachtung; sondern er steht noch im größsten Aberglauben, falscher Magie usf.

Dies wird im ganzen in verständiger Weise vorgetragen, und er bleibt so in den Vorstellungen seiner Zeit. »Verwandlung der Metalle ist eine schwer zu glaubende Sache. Doch wer die Natur des Gewichts, der Farbe, Hämmerbarkeit, des Fixen und Volatilen kennt und die ersten Samen der Metalle und ihre Niederschlagungsmittel, kann wahrscheinlich Gold nach vieler und scharfsinniger Anstrengung hervorbringen, – aber nicht durch ein paar Tropfen Elixirs. So wer die Natur des Eintrocknens, der Assimilation und des Ernährungsprozesses kennt, kann durch Bäder, Diät usf. sein Leben verlängern oder die Kraft der Jugend in einem gewissen Grade wiederherstellen.« Es ist nicht so grell. Unter der Medizin spricht er von der Malacissatio per exterius. Bei der Cosmetica in betreff der Schminke sagt er: Er wundere[85] sich, daß solange auf die böse Gewohnheit des Schminkens (pravam consuetudinem fucandi) die bürgerlichen und kirchlichen Gesetze nicht aufmerksam gewesen. »In der Bibel lesen wir wohl, daß die Jesabel sich zwar geschminkt habe, aber nicht die Esther und die Judith.« Eine methodische, wissenschaftliche Betrachtung ist nicht vorhanden, sondern nur äußerliches Räsonnement eines Weltmannes überhaupt.

Ein Hauptzug bei ihm ist in Ansehung des Formellen der Betrachtung, daß er sagt, »die Naturphilosophie teile sich in zwei Teile: der erste besteht in der Betrachtung der Ursachen; der zweite in der Hervorbringung der Wirkungen. Von den Ursachen, die zu untersuchen sind, unterscheidet er entweder die Endursache und die formelle Ursache oder anders materielle und wirkende Ursache; – jene gehören der Metaphysik, diese der Physik. Die letztere sieht er als einen Zweig der Philosophie an, der in Würde und Wichtigkeit weit unter dem ersten steht. Die Untersuchung der ersteren zu befördern, ist Zweck seines Organon

Eine Hauptbestimmung ist, daß sich Bacon gegen die teleologische Betrachtung der Natur, gegen die Betrachtung nach Endursachen gekehrt hat. Die finale Ursache zu erforschen ist nutzlos, habe kein Interesse; die Betrachtung durch causae efficientes ist die Hauptsache. Zur Betrachtung nach Endursachen gehört z.B., daß die Ursache, warum wir Haare an den Augenlidern haben, sei, daß sie uns die Augen schützen; die Ursache des dicken Felles der Tiere, um Hitze und Kälte abzuhalten; der Blätter der Bäume, damit die Früchte von Sonne und Wind nicht leiden, der Haare auf dem Kopfe, wegen der Wärme; daß Donner und Blitz Strafe Gottes seien oder die Erde fruchtbar machen, Murmeltiere in den Winterschlaf fallen, weil sie nichts finden zu[86] fressen; die Schnecke ein Haus hat, um gesichert zu sein gegen Angriffe; die Biene einen Stachel hat. Nach ihm sind unzählige Ausführungen gemacht. Die negative äußerliche Seite des Gebrauchs wird herausgekehrt; – wenn Sonne oder Mond immer schienen, könnte die Polizei viel Geld sparen, wofür man ganze Monate essen und trinken könnte. Es ist richtig, daß sich Bacon solcher Betrachtung entgegensetzte, weil der Zweck hier äußerlich ist. Er verwies diese Betrachtung nach Zwecken aus der Physik, der nur die Betrachtung der. Ursachen angehöre. Er sagt, daß beide Arten von Betrachtung nebeneinander bestehen könnten. Die Betrachtung nach Endursachen bezieht sich auf äußerliche Zweckmäßigkeit, wie Kant dies auch gut unterschieden hat. In der Tat ist aber der innere Zweck dagegen der innere Begriff der Sache selbst, wie wir dies schon früher bei Aristoteles sahen. Das Organische ist Zweck, hat innere Zweckmäßigkeit, und so sind die Glieder auch äußerlich zweckmäßig gegeneinander. Die Zwecke aber als äußerliche Zwecke sind diesem heterogen, haben nicht ihren Zusammenhang mit dem Gegenstand, der betrachtet wird.

Aber der Begriff der Natur ist nicht an ihr selbst, so daß der Zweck an ihr selbst ist, sondern der Begriff als Zweckmäßigkeit ist ihr etwas Fremdes. Sie hat den Zweck an sich selbst nicht so, daß wir sie eben zu respektieren hätten, wie der einzelne Mensch Zweck an ihm selbst und deswegen zu respektieren ist. Der einzelne Mensch als einzelner ist nur zu respektieren für den Einzelnen als solchen, nicht fürs Allgemeine. Wer im Namen des Allgemeinen handelt, des Staats, ein General z.B., braucht den Einzelnen gar nicht zu respektieren; sondern dieser, obgleich Zweck an sich, hört nicht auf, relativ zu sein. Er ist nicht dieser als sich ausschließend, entgegensetzend, sondern Zweck an sich, eben daß sein Wesen der Begriff, Allgemeinheit ist. Der Zweck des Tiers an sich als einzelnen ist seine Selbsterhaltung; aber[87] sein wahrer Zweck an sich ist die Gattung. Es kommt auch nicht dazu, sich zu erhalten; sondern die Selbsterhaltung seiner Einzelheit ist das Gegenteil, Aufheben seiner selbst, Produktion der Gattung. – Bacon trennt das Allgemeine, Prinzip, und die wirkende Ursache, verweist jene aus der Physik in die Metaphysik; oder er erkennt den Begriff nicht als Allgemeines an der Natur, sondern nur als Notwendigkeit, d.h. das Allgemeine, das sich in dem Gegensatze seiner Momente darstellt, nicht sie in der Einheit verbunden hat, – Begreifen eines Bestimmten aus einem anderen Bestimmten ins Unendliche, nicht beide aus ihrem Begriffe.

Das Forschen nach der wirkenden Ursache hat Bacon allgemeiner gemacht, eine Betrachtung, die sehr viel gewirkt. Und diese Ansicht – insofern sie dem gedankenlosen Aberglauben entgegengearbeitet hat, welcher in den germanischen Völkern an Fürchterlichkeit und Absurdität den der alten Welt weit hinter sich zurückgelassen hat – hat eben das Verdienst, das wir bei der epikureischen Philosophie gegen die abergläubischen Stoiker und den Aberglauben überhaupt sahen: der irgendein vorgestelltes Wesen zur Ursache macht (ein Jenseits, das selbst auf eine sinnliche Weise sein und als Ursache wirken soll) oder auch zwei sinnliche Dinge aufeinander wirken läßt, die gar keine Beziehung haben. Diese Polemik Bacons gegen Gespenster, Astrologie, Magic usf. kann nun freilich eben nicht für Philosophie angesehen werden wie seine anderen Gedanken; aber es ist dies wenigstens ein Verdienst für die Bildung.

Auf die formellen Ursachen, die Formen der Dinge, soll man seine Aufmerksamkeit richten. »Aber herauszubringen, was er unter formellen Ursachen versteht, ist schwer; was diese Formen seien, darüber ist Bacon sich nicht klar geworden.« Man kann meinen, er habe die immanenten Bestimmtheiten[88] der Dinge, die Gesetze darunter verstanden. Diese allgemeinen Bestimmungen nennt er nun formas und dringt darauf, daß diese Formen erfunden und erkannt werden; und sie sind nichts anderes als die allgemeinen Bestimmungen, Gattungen, Gesetze. Er sagt: »Obgleich in der Natur nichts wahrhaft existiert als individuelle Körper, welche individuelle Akte von sich geben, so geschieht doch ihre Wirksamkeit nach einem Gesetz, und es ist in der Wissenschaft ihr Gesetz und das Erkennen und die Auslegung des Gesetzes als die Grundlage anzusehen, sowohl für das Wissen als auch für die Tätigkeit. Die Paragraphen dieses Gesetzes sind es, was wir unter den Formen der Dinge erkennen.« »Wer die Formen erkennt, umfaßt die Natur in der ungleichartigst scheinenden Materie.« Dies geht er weitläufig durch und führt darüber viele Beispiele an, z.B. die Wärme. »Der Geist muß von den Unterschieden zu den Gattungen steigen. Sonnenwärme und feuerwärme sind heterogen (heterogenei). Wir sehen, daß bei der Sonnenwärme Trauben reifen. Um aber zu sehen, ob die Sonnenwärme spezifisch sei, beobachten wir auch andere Wärme und finden, daß auch im warmen Zimmer Trauben reifen; so ist also die Sonnenwärme nicht spezifisch.«

»›Die Physik leitet (directs) uns durch enge, rauhe Pfade, indem sie die Wege der gewöhnlichen Natur nachahmt. – Aber wer eine Form versteht, kennt die letzte Möglichkeit, diese Natur zu superinduzieren auf (upon) alle Arten von Gegenständen‹: d. i., wie er es erklärt, die Natur von Gold in die von Silber einzuführen«, d.h. aus Gold Silber zu machen, »und alle diese Wunder zu verrichten, auf welche die Alchimisten Ansprüche machen. Der Irrtum von diesen besteht nur darin, zu hoffen, auf fabelhafte und phantastische Weise dies zu erlangen«; die wirkliche Weise ist, diese Formen zu erkennen. »Die formalen Ursachen (formal[89] causes) und die logischen Regeln, sie kennenzulernen, sind der Gegenstand der Instauratio magna und des Novum Organon.« Es sind gute Regeln, aber nicht, jenen Zweck zu erreichen.

Bacon ist in großen Lebensverhältnissen gewesen, hat so die Verdorbenheit der Menschen, die am Staatsruder waren, durchgemacht. Bei der Verdorbenheit seines Charakters war er Mann von Geist, klarblickend, hatte aber nicht die Fähigkeit, nach allgemeinen Gedanken, Begriffen zu räsonieren. Weltkenntnis besaß er in hohem Grade: »Reiche Imagination, einen mächtigen Witz und die durchdringende Weisheit, die er zeigt über diesen interessantesten aller Gegenstände, gewöhnlich genannt Welt. Das letztere scheint uns die charakteristische Eigenschaft Bacons gewesen zu sein. Die Menschen hatte er viel mehr als die Sachen studiert, – die Irrtümer der Philosophen viel mehr als die Irrtümer der Philosophie. In der Tat, er liebte das abstrakte Räsonnement nicht«; abstraktes Räsonnement, was zum Philosophieren gehört, findet man am wenigsten bei ihm. »Seine Schriften sind jedoch voll der feinsten und scharfsinnigsten Bemerkungen; aber es bedarf gewöhnlich einer geringen Anstrengung der Vernunft, ihre Weisheit zu fassen.« Daher wird er oft zum Motto genommen. »Seine Urteile sind meist ex cathedra gegeben; oder wenn er versucht, sie zu erläutern, so ist es durch Gleichnisse und Erklärung (illustration) und scharfsinnige Beobachtungen mehr als durch direkte und angemessene Argumentation. – Allgemeines Räsonnement ist eine wesentliche Eigenschaft zum Philosophieren; sein Mangel ist auffallend in Bacons philosophischen Schriften.« Seine praktischen Schriften sind besonders interessant; große Blicke findet man aber nicht, wie man erwartet.

Es bedarf für eine Manier eines Namens, – eines Mannes, der als Führer, Autorität und Urheber genannt werde: so[90] Bacons für das experimentierende Philosophieren, – eine allgemeine Richtung der Zeit.

Dies ist, was von Bacon anzuführen war. – Bei Locke soll noch mehr von diesem empirischen Verfahren der Engländer die Rede sein.

Quelle:
Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in zwanzig Bänden. Band 20, Frankfurt am Main 1979, S. 74-91.
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