Zwischenact.

[94] Der Königsschwager Stadtvogt und zwei Schergen mit einem Mann, dem die Hände auf den Rücken gebunden sind, treten auf.


DIE SCHERGEN schlagen den Mann. He Spitzbube, sag, wo hast du diesen königlichen Ring her, an dessen Edelsteineinfassung der Name eingegraben ist?

DER MANN mit Geberden der Furcht. Die Herren seien gnädig: ich bin ein armer Bursche, der nichts unrechtes thut.

DER ERSTE SCHERGE. Du hast ihn wol, weil du so ein schmucker Brahmane bist, vom König geschenkt bekommen?

DER MANN. Höret doch! Ich bin ein in Sakrawatâra wohnhafter Fischer.

DER ZWEITE SCHERGE. Gauner, hab' ich nach deinem Stande gefragt?

DER KÖNIGSSCHWAGER. Sutschaka! Er soll alles der Reihe nach erzählen: unterbrecht ihn nicht.

BEIDE. Wie der Herr befiehlt. Erzähle.

DER MANN. Ich armer Mann ernähre mit Netz, Angel und andrem Fischergeräth eine Familie.[94]

DER KÖNIGSSCHWAGER lachend. Ein edler Nahrungszweig!

DER MANN. Sagt das nicht, gnädiger Herr.

Ein angestammtes auch bescholtenes

Berufsgeschäft ist doch nicht aufzugeben.

Ist grausam auch die Thiereschlachtung,

So ist doch Mitleidsvoll der Opferpriester.

DER KÖNIGSSCHWAGER. Weiter, weiter!

DER MANN. Als ich eines Tages einen Rothkarpfen aufschnitt, fand ich in seinem Bauch diesen Edelsteinglänzenden Fingerring. Drauf als ich ihn zum Verkauf ausbot, ward ich armer Bursche von den Herren ergriffen. Schlagt mich todt oder laßt mich frei, auf die Art bin ich zu dem Ring gekommen.

DER KÖNIGSSCHWAGER. Dschanuka! Der nach Thran riechende Schuft ist ohne Zweifel ein Fischer. Daß er den Ring ausbot, ist ihm zu verzeihen, doch wir wollen zum Palaste gehn.

DIE SCHERGEN zum Fischer. Vorwärts, du Beutelschneider! Sie gehn vorwärts.

DER KÖNIGSSCHWAGER. Sutschaka, bewahrt ihn sorgfältig hier am Stadtthor. Ich will, wie dieser Ring sich gefunden, dem Fürsten melden, und nach eingeholtem Befehle wieder zurückkehren.[95]

DIE SCHERGEN. Der Herr gehe ein zur Gnade des Fürsten.


Der Königsschwager ab; die Schergen bewachen den Mann eine Weile.


DER ERSTE SCHERGE. Dschanuka, der Herr bleibt lange aus.

DER ZWEITE SCHERGE. Königen aufzuwarten muß man die Zeit abwarten.

DER ERSTE SCHERGE. Dschanuka, die Finger jucken mir diesem Burschen einen Kranz aufzusetzen.40

DER MANN. Der Herr möge nicht ohne Ursache zum Mörder werden.

DER ZWEITE SCHERGE sieht sich um. Sieh da, unser Gebieter mit einem Blatt in der Hand, der nach eingeholtem Königsbefehl hieher auf uns zukommt. Nun wirst du entweder des Geiers Fraß oder siehst deine junge Brut wieder.

DER KÖNIGSSCHWAGER kommt. Sutschaka! Der Netzflicker sei losgelassen. Es hat, sagt man, seine Richtigkeit mit dem Finden des Rings.

DER ERSTE SCHERGE. Wie der Herr befiehlt.

DER ZWEITE SCHERGE. Dieser war in des Todes Rachen und ist entkommen.


Sie lösen ihm die Fesseln.


DER MANN sich vor dem Königsschwager verbeugend. O Herr, was hab' ich nun zu meinem Lebensunterhalt?[96]

DER KÖNIGSSCHWAGER. Der Herr läßt dir dieses dem Werthe des Ringes gleiche Gnadengeschenk einhändigen. Er gibt ihm Geld.

DER MANN sich verbeugend beim Empfange. Ich bin des Herrn Gnade verbunden.

DER ERSTE SCHERGE. Das ist freilich eine Gnade, vom Galgen genommen und auf Elephanten-Schulter gesetzt.

DER ZWEITE SCHERGE. Herr, erzähle. Das schöne Geschenk besagt: dieser Ring muß dem Fürsten sehr werth sein.

DER KÖNIGSSCHWAGER. Nicht das kostbare Juwel daran war dem Fürsten so theuer, glaub' ich; bei seinem Anblick kam dem Fürsten eine geliebte Person in Erinnerung. Einen Augenblick war der von Natur so gesetzte thränennassen Auges.

DER ERSTE SCHERGE. Da hat mein Herr also einen großen Dienst geleistet.

DER KÖNIGSSCHWAGER. Sage nur: für diesen Fischpatron. Er sieht den Mann unwillig an.

DER MANN. Ihr Herren, hier die Hälfte davon um einen Kranz dafür zu kaufen.

DER ZWEITE SCHERGE. So ist's recht![97]

DER KÖNIGSSCHWAGER. Fischer! Du bist mir jetzt ein viel wertherer Kamerad geworden. Unsere neue Freundschaft soll Kadamba-Saft zum Zeugen haben, darum laßt uns in die Schenke gehn.

ALLE. So sei's!


Alle ab.

Quelle:
Sakuntala. Schauspiel von Kalidasa. Leipzig 1876, S. 94-98.
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