Erklärung des Magnetismus

[240] Haben wir nun dies alles bestätigt und sicher befestigt

Und dies feste Gedankengerüst zum voraus errichtet,

Läßt sich daraus zum Schluß die Erklärung leichtlich entnehmen,

Und so ergibt sich der Grund, der das Eisen lockt zum Magneten.[240]

Erstens müssen dem Stein gar viele Atome entfahren

Oder ein Strom, der die Luft durch seine Stöße vertreibet,

Welche sich zwischen dem Stein und dem Eisen etwa befindet.

Wird nun der Raum entleert und entsteht in der Mitte ein leeres

Zwischenfeld, dann fallen sofort auch die Eisenatome

Alle zusammen kopfüber gestürzt in das Leere; es folgt auch

Ihnen der Ring selbst nach, der mit ganzem Körper sich anschließt.

Denn kein einziges Ding ist versehen mit Urelementen,

Die aneinander so enge verknüpft und verwickelt sich heften,

Wie die Stärke des Eisens und seine frostige Starrheit.

Drum ist's wahrlich kein Wunder (das [manchen], heißt es, [beängstigt]),

Wenn von den Eisenatomen nicht viele ins Leere sich stürzen

Können, ohne daß gleich auch der Ring selbst ihnen sich anschließt.

Denn dies tut er gewiß; und er folgt, bis zuletzt den Magnetstein

Selbst er erreicht und an ihn mit verborgenen Banden sich anhängt.

Dies vollzieht gleichmäßig nach jeglicher Richtung sich, wo nur

Irgend ein Leeres entsteht; mag's drüber sein oder daneben,

Augenblicklich entwandern die Nachbaratome ins Leere.

Denn sie erhalten die Stöße von außen her; nimmer vermögen

Eigenem Triebe gehorchend sie selbst in die Höhe zu klimmen.

Dazu kommt noch ein Grund (für die Möglichkeit dieser Erscheinung

Dient auch dies zum Beweis und für die Verstärkung des Zuges):

Nämlich je dünner die Luft vor dem Ring allmählich geworden,

Um so mehr wird der Zwischenraum verdünnt und entleeret.

Also kommt's, daß die Luft, die hinter dem Ringe gestanden,

Jetzt vom Rücken her gleichsam ihn vorwärts schiebet und vortreibt.

Denn die umlagernde Luft schlägt wie mit der Peitsche die Dinge.

Aber in solchem Falle bewegt sich das Eisen nach vorwärts,

Weil auf der einen Seite die gähnende Leere es aufschnappt.

Wenn nun die Luft, wie erwähnt, durch die zahlreichen Poren des Eisens

Auf das feinste verteilt, zu den winzigsten Fäserchen vordringt,

Treibt sie das Eisen voran wie der Wind das segelnde Fahrzeug.

Endlich, ein jegliches Ding enthält notwendigerweise

Luft im Körper, da alles als lockerer Körper gebaut ist,

Und Luft sämtliche Dinge von allen Seiten umlagert.

Diese verborgene Luft, die im Innern des Eisens versteckt ist.

Wird bei ihrer Erregung nach allen Seiten geworfen[241]

Und regt so unzweifelhaft auch von innen den Ring an,

Der natürlich sich dahin bewegt, wohin er schon einmal

Stürzte und wo er versuchte vom Leeren Besitz zu ergreifen.

Quelle:
Lukrez: Über die Natur der Dinge. Berlin 1957, S. 240-242.
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