[136] Man lieset von den heiligen Märtyrern, deren man heute gedenkt, dass sie durch das Schwert gestorben sind. Unser Herr sprach zu seinen Jüngern: »Selig seid ihr, so ihr etwas leidet um meines Namens willen.« Nun sagt die Schrift von diesen Märtyrern, dass sie um Christi Namen willen den Tod gelitten haben und durch das Schwert umgebracht worden sind.
Hier sollen wir drei Dinge merken. Das erste, dass sie tot sind. Was man in dieser Welt leidet, das endet. Sankt Augustin spricht: Alle Pein und alle Werke der Pein, das nimmt alles ein Ende, und der Lohn ist ewig. Das zweite, das wir betrachten sollen, dass dies ganze Leben tödlich ist, dass wir alle Pein und alle Mühsal, die uns zustösst, nicht fürchten sollen, denn es nimmt ein Ende. Das dritte, dass wir uns verhalten, als wären wir tot, dass uns nichts trübe, nicht Freude noch Leid noch alle Qual. Es sagt ein[136] Meister: Den Himmel kann nichts berühren. Das meint, der Mensch ist ein himmlischer Mensch, dem alle Dinge nicht so viel sind, dass sie ihn berühren können. Es sagt ein Meister: Da doch alle Kreaturen so erbärmlich sind, woher kommt es denn, dass sie den Menschen so leicht von Gott abwenden? Die Seele ist doch in ihrem Erbärmlichsten besser als der Himmel und alle Kreaturen? Es antwortet ein Meister: es kommt davon, dass er Gottes nicht so achtet wie er sollte. Täte er das, es wäre fast unmöglich, dass er je abfiele. Und es ist nur eine gute Lehre, dass sich der Mensch in dieser Welt so halten soll, als ob er tot wäre. Sankt Gregorius sagt, niemand habe so viel Gott, als der, der im Grunde tot sei.
Die vierte Lehre ist die allerbeste. Er sagt, dass sie tot sind. Der Tod gibt ihnen ein Wesen. Es sagt ein Meister: Die Natur zerbricht nie, ohne dass sie ein Besseres dafür gibt. Wenn das die Natur tut, wie viel mehr tut es Gott: der zerbricht niemals, dass er nicht ein Besseres gäbe. Die Märtyrer sind tot, sie haben ein Leben verloren und haben ein Wesen empfangen. Ich bin gewiss, erkennte eine Seele das geringste, was Wesen hat, sie wollte sich keinen Augenblick davon abkehren. Das Erbärmlichste, was man in Gott erkennt, wie wenn einer eine Blume verstünde,[137] so wie sie ein Wesen in Gott hat, das stünde höher als die ganze Welt. Das Erbärmlichste, das in Gott ist wie es Wesen ist, ist besser als wenn einer einen Engel erkennte. Und dies sollte der Mensch leidenschaftlich begehren und betrachten, dass das Wesen so hoch steht. Wir preisen den Tod in Gott, auf dass er uns in ein Wesen wandle, das besser ist als ein Leben; ein Wesen, darin unser Wesen lebt, wo unser Leben ein Wesen wird.
Der Mensch soll sich willig in den Tod ergeben und sterben, damit ihm ein besseres Leben werde. Es muss ein gar kräftiges Leben sein, in dem tote Dinge lebendig werden, in dem selbst der Tod ein Leben wird. Bei Gott stirbt nichts: alle Dinge werden in ihm lebendig. Sie sind tot (spricht die Schrift von den Märtyrern) und sind in ein ewiges Leben versetzt, in das Leben, wo das Leben ein Wesen ist. Man soll im Grunde tot sein, dass uns nicht Freude noch Leid berühre. Wir bitten drum unsern lieben Herrgott, er möge uns helfen aus einem Leben, das geteilt ist, in ein Leben, das eins geworden ist. Das walte Gott. Amen.[138]