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[1138] Bessere Menschen! – Man sagt mir, unsere Kunst wende sich an die gierigen, unersättlichen, ungebändigten, verekelten, zerquälten Menschen der Gegenwart und zeige ihnen ein Bild von Seligkeit, Höhe[1138] und Entweltlichung neben dem Bilde ihrer Wüstheit: so daß sie einmal vergessen und aufatmen können, ja vielleicht den Antrieb zur Flucht und Umkehr mit aus jenem Vergessen zurückbringen. Arme Künstler, mit einem solchen Publikum! Mit solchen halb priesterlichen, halb irrenärztlichen Hintergedanken! Um wieviel glücklicher war Corneille – »unser großer Corneille«, wie Frau von Sévigné, mit einem Akzent des Weibes vor einem ganzen Manne, ausruft – um wieviel höher seine Zuhörerschaft, welcher er mit den Bildern ritterlicher Tugenden, strenger Pflicht, großmütiger Aufopferung, heldenhafter Bändigung seiner selber wohltun konnte! Wie anders liebten er und sie das Dasein, nicht aus einem blinden, wüsten »Willen« heraus, den man verflucht, weil man ihn nicht zu töten vermag, sondern als einen Ort, auf dem Größe und Humanität mitsammen möglich sind und wo selbst der strengste Zwang der Formen, die Unterwerfung unter eine fürstliche und geistliche Willkür weder den Stolz, noch die Ritterlichkeit, noch die Anmut, noch den Geist aller einzelnen unterdrücken können, vielmehr als ein Reiz und Sporn des Gegensatzes zur angeborenen Selbstherrlichkeit und Vornehmheit, zur ererbten Macht des Wollens und der Leidenschaft empfunden werden!

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 1, S. 1138-1139.
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Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile.
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