|
[1228] Die Wirklichkeit ehren. – Wie kann man dieser jubelnden Volksmenge ohne Tränen und ohne Zustimmung zusehen! Wir dachten vorher gering von dem Gegenstand ihres Jubels und würden noch[1228] immer so denken, wenn wir ihn nicht erlebt hätten! Wozu können uns also die Erlebnisse fortreißen! Was sind unsere Meinungen! Man muß, um sich nicht zu verlieren, um seine Vernunft nicht zu verlieren, vor den Erlebnissen flüchten! So floh Plato vor der Wirklichkeit und wollte die Dinge nur in den blassen Gedankenbildern anschauen; er war voller Empfindung und wußte, wie leicht die Wellen der Empfindung über seiner Vernunft zusammenschlugen. – So hätte sich demnach der Weise zu sagen: »ich will die Wirklichkeit ehren, aber ihr den Rücken dabei zuwenden, weil ich sie kenne und fürchte«? – er müßte es machen wie afrikanische Völkerschaften vor ihren Fürsten: welche ihnen nur rückwärts nahen und ihre Verehrung zugleich mit ihrer Angst zu zeigen wissen?
Ausgewählte Ausgaben von
Morgenröte
|