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[1231] Moralisches Interregnum. – Wer wäre jetzt schon imstande, das zu beschreiben, was einmal die moralischen Gefühle und Urteile ablösen wird! – so sicher man auch einzusehen vermag, daß diese in allen Fundamenten irrtümlich angelegt sind und ihr Gebäude der Reparatur unfähig ist: ihre Verbindlichkeit muß von Tag zu Tage immer abnehmen, sofern nur die Verbindlichkeit der Vernunft nicht abnimmt! Die Gesetze des Lebens und Handelns neu aufbauen – zu dieser Aufgabe sind unsere Wissenschaften der Physiologie, Medizin, Gesellschafts- und Einsamkeitslehre ihrer selbst noch nicht sicher genug: und nur aus ihnen kann man die Grundsteine für neue Ideale (wenn auch nicht die neuen Ideale selber) entnehmen. So leben wir denn ein vorläufiges Dasein oder ein nachläufiges Dasein, je nach Geschmack und Begabung, und tun am besten, in diesem Interregnum so sehr als nur möglich, unsre eigenen reges zu sein und kleine Versuchsstaaten zu gründen. Wir sind Experimente: wollen wir es auch sein!
Ausgewählte Ausgaben von
Morgenröte
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