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[1257] Die kleinen Dosen. – Soll eine Veränderung möglichst in die Tiefe gehen, so gebe man das Mittel in den kleinsten Dosen, aber unablässig auf weite Zeitstrecken hin! Was ist Großes auf einmal zu schaffen? So wollen wir uns hüten, den Zustand der Moral, an den wir gewöhnt sind, mit einer neuen Wertschätzung der Dinge Hals über Kopf und[1257] unter Gewaltsamkeiten zu vertauschen, – nein, wir wollen in ihm noch lange, lange fortleben – bis wir, sehr spät vermutlich, inne werden, daß die neue Wertschätzung in uns zur überwiegenden Gewalt geworden ist und daß die kleinen Dosen derselben, an die wir uns von jetzt abgewöhnen müssen, eine neue Natur in uns gelegt haben. – Man fängt ja an, auch dies einzusehen, daß der letzte Versuch einer großen Veränderung der Wertschätzungen, und zwar in bezug auf die politischen Dinge – die »große Revolution« –, nicht mehr war als eine pathetische und blutige Quacksalberei, welche durch plötzliche Krisen dem gläubigen Europa die Hoffnung auf plötzliche Genesung beizubringen wußte – und damit alle politischen Kranken bis auf diesen Augenblick ungeduldig und gefährlich gemacht hat.

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 1, S. 1257-1258.
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Morgenröte. Gedanken über die moralischen Vorurteile.
TITLE: Werke in drei Bänden (mit Index), Bd.1: Menschliches, Allzumenschliches / Morgenröte
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