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[1258] Die Daumenschraube. – Es empört endlich, immer und immer wieder zu sehen, wie grausam jeder seine paar Privat-Tugenden den anderen, die sie zufällig nicht haben, aufrechnet, wie er sie damit zwickt und plagt. Und so wollen wir es auch mit dem »Sinn für Redlichkeit« menschlich treiben, so gewiß man an ihm eine Daumenschraube besitzt, um allen diesen großartigen Selbstlingen, die auch jetzt noch ihren Glauben der ganzen Welt aufdrängen wollen, bis aufs Blut wehe zu tun: – wir haben sie an uns selber erprobt!

Quelle:
Friedrich Nietzsche: Werke in drei Bänden. München 1954, Band 1, S. 1258.
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