Die dritte Defension wegen des Schreibens der neuen Rezepte

[508] Aber über das und das Gemeldete hinaus ist das Geschrei noch größer unter den unverständigen angeblichen und erdichteten Ärzten entstanden, die da sagen, daß meine Rezepte, die ich schreibe, ein Gift, corrosiv, das ist Ätzendes, und Extraction aller Bosheit und Giftigkeit der Natur seien. Auf solches Vorgeben und Ausschreien[508] hin wäre meine erste Frage, so sie darauf zu antworten tüchtig wären, ob sie denn wüßten, was Gift oder nit Gift sei? Oder aber, ob im Gift kein Mysterium der Natur sei? Denn im selbigen Punkt sind sie unverständig und unwissend in den natürlichen Kräften. Denn was, das Gott erschaffen hat, ist, das nit mit einer großen Gabe, dem Menschen zu Gutem, begnadet sei? Warum soll denn Gift verworfen und verachtet werden, so doch nicht das Gift, sondern die Natur gesucht wird? Ich will euch ein Exempel geben, mein Vorhaben zu verstehen. Seht die Kröte an, was so gar ein giftiges und unschönes Tier sie ist, seht dabei auch an das große Mysterium, das in Hinsicht auf die Pestilenz in ihr ist. Sollte nun das Mysterium wegen der Giftigkeit und Unschönheit der Kröte verachtet werden, was für ein großer Spott wäre das! Wer ist, der da das Rezept der Natur komponiert hat? Hat es nicht Gott getan? Warum sollte ich ihm sein compositum verachten, ob er gleich zusammensetzte, was mich nicht genug zu sein dünkt?! Es ist der, indess' Hand alle Weisheit steht, und der weiß, wo er ein jegliches Mysterium hinlegen soll. Warum soll ichs mich dann verwundern oder scheuchen lassen? Darum, daß ein Teil Gift ist, den andern mit dem zusammen verachten? Ein jegliches Ding soll gebraucht werden, dahin es verordnet ist, und wir sollen weiter keine Scheu vor demselben haben, denn Gott ist der rechte Arzt und die Arznei selbst. Es soll sich auch ein jeglicher Arzt die Kraft Gottes, die Christus uns zu verstehen gibt, da er spricht: und ob ihr Gift trinken werdet, wird es euch nit schaden, – eingebildet sein lassen. Wenn nun das Gift nicht überwindet, sondern geht ohne Schaden ab, wenn wir es nach der verordneten Art der Natur brauchen, warum sollte dann das Gift verachtet sein? Der Gift verachtet, der weiß um das nit, das im Gift ist. Denn das arcanum, so im Gift ist, ist dermaßen gesegnet, daß ihm das Gift nichts nimmt noch schadet. Es ist aber nicht so, daß ich euch mit diesem Versal und paragrapho zufrieden gestellt haben wollte oder mich genugsam defendiert hätte, sondern es ist notwendig, euch[509] weiter einen größeren Bericht vorzutragen, wenn ich doch das Gift genugsam erklären soll.

Wie, daß ihr an mir seht, dess' ihr alle voll seid, und straft mich um eine Linse, da doch Melonen in euch liegen! Ihr straft mich in meinen Rezepten, – beseht doch die euren, wie sie sind! Nämlich zum ersten, mit euerm Purgieren. Wo ist in allen euern Büchern eine purgatio, die nicht Gift sei? Oder nicht zum Tode diene? Oder, wo dosis im rechten Gewicht nicht beachtet würde, ohne Ärgernis gebraucht werde? Nun merkt auf den Punkt, was dieses sei: es ist ein ›nicht zu viel‹ noch ein ›nicht zu wenig‹. Der das Mittel trifft, der empfängt kein Gift. Und wenn ich gleichwohl Gift brauchte, was ihr nicht beweisen könnt, aber, so ichs brauchte und gäbe seine dosin, bin ich dafür auch strafwürdig oder nit? Das will ich männiglich urteilen lassen. Ihr wißt, daß Thiriak von der Schlange thyro gemacht wird, – warum scheltet ihr nicht auch euer Theriak, weil das Gift der Schlange in ihm ist? Aber darum, weil ihr seht, daß er nützlich und nit schädlich ist, schweigt ihr. Wenn denn meine Arznei nit schlechter als der Theriak befunden wird, warum soll sie das entgelten, daß sie neu ist? Warum soll sie nit ebenso gut sein wie eine alte? Wenn ihr jedes Gift recht auslegen wollt, was ist, das nit Gift ist? Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei. Zum Exempel: eine jegliche Speise und ein jeglich Getränk, wenn es über seine dosis eingenommen wird, so ist es Gift; das beweist sein Ausgang. Ich gebe auch zu, daß Gift Gift sei; daß es aber darum verworfen werden solle, das darf nicht sein. Weil nun nichts ist, das nit Gift sei, warum corrigiert ihr? Allein darum, daß das Gift keinen Schaden tue. Und ob ichs dermaßen auch corrigierte, war das unleidlich? Warum straft ihr mich dann? Ihr wißt, daß argenium vivum nichts als allein Gift sei, und die tägliche Erfahrung beweist das. Nun habt ihr das im Brauch, daß ihr die Kranken damit schmiert, viel stärker als ein Schuster das Leder mit Schmer. Ihr räuchert mit seinem Zinnober, ihr[510] wascht mit seinem Sublimat und wollt nit, daß man sagt, es sei Gift, – das doch Gift ist. Und treibt solches Gift in den Menschen und sprecht, es sei gesund und gut, es sei mit Bleiweiß corrigiert, gleich als sei es kein Gift. Führt gen Nürnberg auf die Beschau, was ich und ihr für recepta schreiben, und seht in der selbigen, wer Gift braucht oder nit. Denn ihr wißt die Correction mercurii nit, auch seine dosin nit, sondern ihr schmiert, so lange es hinein will.

Eins muß ich euch zu verstehen geben: ob eure recepta, die ihr sagt, daß sie ohne Gift seien, den caducum heilen können oder nit, oder das podagram oder apoplexiam? Oder ob ihr durch euern Zucker rosat den Veitstanz und die lunaticos, das ist Mondsüchtigen, kurieren könnt, oder dergleichen andere Krankheiten? Freilich, ihr habt es damit nit getan, und werdet es auch nit damit tun. Muß es nun ein anderes sein, warum soll mir dann verargt werden, wenn ich das nehme, das ich nehmen muß und soll, da es dahin verordnet ist. Ich lasse es den verantworten, ders in der Schöpfung Himmels und der Erden so komponiert hat. Beseht alle meine recepta, ob es nicht mein erster Hauptartikel sei, daß das Gute von dem Bösen geschieden werde? Ist nit diese Scheidung meine Correction? Darf ich nit ein solch corrigiert arcanum eingeben und gebrauchen, weil ich doch kein Arges in demselben finden kann und ihr noch viel minder? Ihr werft mir den vitriolum, in dem ein groß Geheimnis ist und mehr Nutzen in ihm denn in allen Büchsen der Apotheke, vor. Daß er Gift sei, könnt ihr nit sagen. Sagt ihr, er sei ein corrosiv, dann sagt mir, in was Gestalt? Ihr müßt ihn dahin bringen, sonst ist er kein corrosiv. Ist er in ein corrosiv zu bringen, so ist er auch als ein dulcedinem zu bereiten, denn sie liegen beide beieinander. Wie die Bereitung ist, so ist auch der Vitriol. Und ein jegliches simplex, wie dasselbe auch an ihm sei, wird durch die Kunst in vielfältig Wesen gebracht, in aller Gestalt und Form, wie eine Speise, die auf einem Tisch steht. Ißt sie der Mensch, so wird Menschenfleisch daraus, durch[511] einen Hund Hundsfleisch, durch eine Katz Katzenfleisch. So ist es auch mit der Arznei, dasjenige wird aus ihr, das du aus ihr machst. Ist es möglich, aus Gutem bös zu ma chen, so ist auch möglich, aus Bösem Gutes zu machen. Niemand soll ein Ding strafen, der seine Transmutation nicht kennt, und der nit weiß, was das Scheiden bewirkt. Ob ein Ding gleich Gift ist, es kann in kein Gift gebracht werden. Wie ein Exempel von dem arsenico zeigt, der der höchsten Gifte eines ist und ein drachma ein jegliches Roß tötet; feure ihn mit sale nitri, so ist es kein Gift mehr; zehn Pfund genossen, bleibt ohne Schaden. Siehe so, wie der Unterschied sei und was die Bereitung tut.

Aber einer, der da strafen will, der muß zuerst lernen, damit er, wenn er straft, nit zu Schanden werde. Ich kann eure Torheit und Einfalt wohl erkennen, dabei auch, daß ihr nicht wisset, was ihr redet, und daß man euerm unnützen Maul viel nachgeben muß. Ich schreib neue recepta, denn die alten taugen nichts. Es sind auch neue Krankheiten vorhanden, die verlangen auch neue recepta. Aber dess' habt acht in allen meinen Rezepten: ich nehme gleich was ich will, so nehme ich eben das, in dem das arcanum wider die Krankheit ist, wider die ich streite. Und merkt weiter, was ich ihm tue. Ich scheide das, das nit arcanum ist, von dem, das arcanum ist, und gebe dem arcanum seine rechte dosin. Jetzt weiß ich, daß ich meine recepta wohl defendiert habe, und daß ihr sie mir aus euerm neidischen Herzen scheltet, und eure untüchtigen dafür setzt. So ihr einer rechten Gewißheit wäret, ihr stündet ab. Aber wess' euer Herz voll ist, dess' läuft der Mund über. Ich setze hier in diesem Werk fünf defensiones, die lest durch, so findet ihr die Ursachen, warum ich die recepta aus denselbigen simplicibus mache, die ihr behauptet Gifte zu sein. Warum soll ich das entgelten, daß ich den Grund setze, den ihr nit zu sehen vermögt. Wäret ihr in den Dingen erfahren, in denen ein Arzt erfahren sein sollte, ihr würdet euch anders bedenken. Das aber sollt ihr verstehen, daß das kein Gift ist, das dem Menschen zu Gutem gedeiht. Das ist allein Gift, das dem[512] Menschen zu Argem ersprießt, das ihm nit dienstlich, sondern schädlich ist, wie denn eure recepta genügend bezeugen, in denen keine Kunst bedacht wird als allein Stoßen, Mischen und Einschütten. Ich will mich also hiemit defendiert und beschirmt haben, daß meine recepta nach Ordnung der Natur administriert und appliciert werden, und daß ihr selbst nit wisset, was ihr redet, sondern eure Mäuler wie ein Wütender ohne Verstand und unbesonnen braucht.

Quelle:
Theophrast Paracelsus: Werke. Bd. 2, Darmstadt 1965, S. 508-513.
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