Human

[854] *Human (v. lat.), derjenige, welcher sein Verhalten gegen Andere nicht nach der besonderen Stellung allein bemißt, in welcher er zu denselben steht, sondern als Mensch jedem ohne Unterschied sich verbunden u. verpflichtet weiß, auch mit niedrig Stehenden freundlich verkehrt, in allen Lebenskreisen nach Kräften Menschenwohl zu fördern u. menschliches Elend zu lindern sich bereit zeigt. Unter Humanität verstand Herder, der Hauptvertreter des Humanitätsprincips im 18. Jahrh., die Gesammtheit menschlicher, durch normale Entwickelung aller in der menschlichen Natur liegenden Kräfte erwirkter Bildung, mit welcher zugleich ein rein menschliches, durch Wissenschaft u. Kunst, Handel, Gewerbe u. Betriebsamkeit gehobenes Leben verbunden ist u. in welcher auch die Willigkeit der Einzelnen allen ihren Menschenpflichten zu genügen beschlossen liegt. Humanität als angeborene Anlage ist überall u. an sich ein u. dieselbe, aber in ihrer Entwickelung wird sie durch Zeit, Ort, anderweitige natürliche Bestimmtheiten, Volkscharakter, Racenunterschiede aufs mannigfaltigste modificirt, wodurch verschiedene Arten u. Formen der Humanität entstehen, welche selbst in ihrer besten Ausbildung nicht gleichen Werthes sind. Ihnen gegenüber muß es ein Ideal der Humanität geben, u. dieses Ideal zu finden, ihm durch angemessene Ausbildung seiner besondern Humanitätsform sich anzunähern ist die Aufgabe wie jedes Einzelnen, so jedes Volkes. Im Verhältniß zur Religion gilt Herdern die Religion selbst als die höchste Humanität, die höchste Blüthe der menschlichen Seele, u. das Ideal der Humanität fällt ihm[854] im Wesentlichen mit der Idee Christi als des Menschensohnes zusammen. Nach Hundeshagen (Über die Natur u. die geschichtliche Entwickelung der Humanitätsidee u. ihr Verhältniß zu Kirche u. Staat, Berl. 1853) wird mit dem Worte Humanität alles zusammengefaßt, was zum wahren, echten Wesen des Menschen als solchen gehört, was seine charakteristische Würde begründet; sie bezeichnet den Adel der Menschheit, weist auf Rechte u. Pflichten hin, welche nie in persönlicher Ausschließung besessen, in individueller Beschränkung geübt werden können, auf deren gleichmäßigen Besitz u. gleichmäßige Übung der angeborene Adel des Menschen rein als solcher Anspruch macht. Der Humanitätsgedanke, welcher nicht einzelne Menschen od. Völker, sondern die ganze Menschheit umfaßt, war der antiken Welt u. dem Judenthum unbekannt; erst mit dem Christenthum trat die Möglichkeit der Humanität ins Leben (nach Gal. 3,28. Eph. 2,14 ff.). Humanismus ist diejenige Richtung, welche den Menschen, wie er ist, ganz auf sich selbst stellt, welche fußend auf seine natürliche Begabung, auf dem Wege rein natürlicher Entwickelung durch harmonische Ausbildung aller seiner geistigen u. körperlichen Kräfte ihn seinem Ziele zuzuführen, zur Bethätigung aller wesentlichen, der menschlichen Natur einwohnenden Elemente ihm Raum gewähren u. ihn also dahin zu bringen sucht, daß er seiner Bestimmung gemäß in allen Lebenskreisen u. in allen Lebenslagen als Mensch sich erkenne u. erweise.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 854-855.
Lizenz:
Faksimiles:
854 | 855
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika