Gleisabstand

[328] Gleisabstand, Gleismittenabstand, Gleisentfernung (distance between centres of lines; largeure d'entre axe, écartement d'axe en axe des voies; interasse dei binari) ist der Achsabstand nebeneinanderliegender Gleise. Er ist auf der freien Strecke von der Umgrenzung der Fahrzeuge und z. T. auch von der Umgrenzung des lichten Raumes (s. Lichtraumprofil) abhängig, auf den Stationen ferner von der Möglichkeit, daß sich die Bediensteten ungefährdet zwischen den Gleisen bewegen können. Da auf einer zweigleisigen freien Strecke weder mit einem gefahrlosen Gehen zwischen den Gleisen noch mit einem gleichzeitigen Offenstehen der beiderseitigen Wagentüren gerechnet zu werden braucht, so hält man hier ein Überdecken[328] der Umgrenzungen des lichten Raumes der beiden nebeneinander liegenden Gleise bei ausreichender Wahrung der Umgrenzung der Fahrzeuge für statthaft. Dagegen werden auf den Stationen, auf denen dafür zu sorgen ist, daß auch bei geöffneten Wagentüren noch ein gefahrloses Bewegen zwischen den Gleisen möglich sein muß, meist wesentlich größere Abstände verlangt.

1. Gleisabstand auf der freien Strecke. In den TV. des VDEV. ist im § 31 für Haupt- und Nebenbahnen folgendes bestimmt:


»Der Abstand von Doppelgleisen muß mindestens 3∙5 m, der Abstand zwischen Gleispaaren oder einem Gleispaar und einem dritten Gleise mindestens 4∙0 m von Gleismitte zu Gleismitte betragen.

Für Neubauten wird zwischen allen Gleisen ein Abstand von mindestens 4∙0 m empfohlen.

Bei Anschlußgleisen sind Merkzeichen an den Stellen anzubringen, wo der Abstand der Gleismitten voneinander 4∙0 m erreicht; Gleissperren sind in einem Abstand von mindestens 3∙0 m vor den Merkzeichen anzubringen.«


In der für die Haupt- und Nebeneisenbahnen Deutschlands maßgebenden BO. ist im § 121 bestimmt:


»Auf der freien Strecke muß der Abstand von Doppelgleisen mindestens 3∙5 m, der Abstand zwischen Gleispaaren oder einem Gleispaar und einem dritten Gleise mindestens 4∙0 m von Gleismitte zu Gleismitte betragen.« –


Hierin sind unter Gleispaar zwei zusammenliegende Gleise zu verstehen, gleichgültig ob sie in gleicher oder in entgegengesetzter Richtung befahren werden.

Die Grz. bestimmen für Kleinbahnen im § 24:


»Bei vollspurigen und schmalspurigen Bahnen, auf welche Wagen der Hauptbahn übergehen, sollen die Gleise einen Abstand von mindestens 3∙5 m von Mitte zu Mitte haben.

Bei schmalspurigen Bahnen, auf welche Wagen der Hauptbahn nicht übergehen, soll der Gleisabstand so groß sein, daß der lichte Raum über jedem Gleise nach der festgesetzten Umgrenzung frei bleibt. Es wird empfohlen, den Abstand so zu bemessen, daß zwischen den breitesten Fahrzeugen oder Ladungen ein freier Raum von mindestens 0∙5 m Breite bleibt.«


Bei Brücken, Aufstellung von Signalen zwischen den Gleisen u. dgl. erfahren die G. gewisse Vergrößerungen.

Bei den nicht dem VDEV. angehörigen Eisenbahnverwaltungen sind ähnliche G. gebräuchlich. In Frankreich ist die Gleisentfernung auf der freien Strecke neuerdings 3∙5 m. In England pflegt der G. bei zweigleisigen Bahnen mindestens 3∙40 m zu betragen; weiter hinzutretende Gleise liegen mindestens in 4∙62 m Abstand. Auf nordamerikanischen Bahnen ist der G. auf der freien Strecke bei den einzelnen Linien sehr verschieden und schwankt zwischen 3∙66 und 4∙24 m.

2. Gleisabstand in den Stationen.

In den TV. ist für Haupt- und Nebenbahnen im § 38 folgendes bestimmt:


a) für Hauptbahnen. Der Abstand der Bahnhofgleise, abgesehen von Überladegleisen, soll wo möglich 4∙75 m, mindestens aber 4∙5 m von Mitte zu Mitte betragen. Für durchgehende Hauptgleise kann insbesondere in kleineren Stationen ein geringerer Abstand zugelassen werden.

»Der Abstand von Hauptgleisen, zwischen denen Bahnsteige liegen, soll wenigstens 6∙0 m von Mitte zu Mitte betragen; in Stationen mit geringem Personenverkehr kann dieser Abstand eingeschränkt werden.«

b) für Nebenbahnen. »Der Abstand der Bahnhofgleise, abgesehen von Überladegleisen, soll womöglich 4∙5 m mindestens aber 4∙0 m von Mitte zu Mitte betragen.

Der Abstand von Gleisen, zwischen denen Bahnsteige liegen, soll wenigstens 4∙5 m von Mitte zu Mitte betragen.«


Im § 612 ist ferner bestimmt, daß der Abstand der Gleise in den Wagenschuppen nicht unter 4∙4 m herabgehen soll.

In der BO. ist im § 122 für die Eisenbahnen Deutschlands im besonderen folgendes festgesetzt:


a) für Hauptbahnen. »Auf Bahnhöfen muß der Abstand der Gleise, abgesehen von Überladegleisen, mindestens 4∙5 m betragen. Die Landesaufsichtsbehörde kann Ausnahmen von diesen Bestimmungen für durchgehende Hauptgleise, zwischen denen ein Bahnsteig nicht anzulegen ist und für bestehende Gleise zugelassen.«

»Bei Neubauten müssen Gleise, zwischen denen ein Bahnsteig anzulegen ist, mindestens 6 m Abstand erhalten. Beim Umbaue von Stationen mit geringem Personenverkehr kann die Landesaufsichtsbehörde kleinere Abstände zulassen.«


Die Bestimmung im ersten Absatz schließt also nicht aus, mit Genehmigung der Landesaufsichtsbehörde den Gleisabstand auch bis auf 3∙5 m, d.h. den üblichen Abstand von Gleisen auf der freien Strecke zu ermäßigen (s. w. unten). Hierzu wird man besonders übergehen, wenn bei Anlage von Außenbahnsteigen eine gerade Durchführung von Schnellzuggleisen auf großen Verkehrsstrecken zur Erzielung einer möglichst ruhigen Fahrt erreicht werden soll (vgl. Erlaß des preuß. Ministers der öffentl. Arb. I. D 18417 v. 8. Nov. 1910).


b) für Nebenbahnen. »Auf Bahnhöfen muß der Abstand der Gleise, abgesehen von Überladegleisen, mindestens 4∙5 m betragen. Die Landesaufsichtsbehörde kann Ausnahmen von dieser Bestimmung zulassen.


Für die G. auf Stationen sind ferner in der Entwurfsausgabe von 1910 (die genaue Fassung steht noch nicht fest) der bei den preußisch-hessischen Staatseisenbahnen gebräuchlichen Vorschriften für das Entwerfen von Eisenbahnstationen folgende beachtenswerte Bestimmungen enthalten:


Der Abstand der Gleise, zwischen denen Hauptsignale aufgestellt werden, soll bei neuen Gleisanlagen[329] mindestens 4∙75 m betragen. Bei ausgedehnten Bahnhofsanlagen sind tunlichst einzelne größere Gleisabstände – etwa von 6 m – einzuschalten (besonders bei Weichenstraßen), um ein gefahrloses Begehen des Bahnhofes zwischen verschiedenen Gleisgruppen zu ermöglichen. Auf Grenzbahnhöfen empfiehlt sich für die Übergabegleise ein Abstand von 5 m. Wo bei Haltepunkten auf zweigleisigen Bahnen die Bahnsteige einander auf der Außenseite gegenüberliegend angeordnet werden, kann der Abstand der Streckengleise beibehalten werden, sofern ein Schutzgitter zur Verhütung von Gleisüberschreitungen an verbotenen Stellen nicht erforderlich ist. Wird ein Schutzgitter von etwa 1∙5 m Höhe vorgesehen, so sind die Hauptgleise im allgemeinen auf 4∙5 m auseinanderzuziehen.

Die Gleisentfernung muß für einen Zwischenbahnsteig bei einseitiger Benutzung mindestens 6 m betragen, bei zweiseitiger Benutzung sind die Bahnsteige tunlichst auf 9 m oder mehr auseinander zu rücken. Bei großen Bahnhöfen soll der Abstand von Mitte zu Mitte Gleis 9∙0 m bis 13∙5 m betragen. Wo es erwünscht ist, in der Verlängerung des Bahnsteiges zwischen den Hauptgleisen Aufstellgleise anzuordnen, empfiehlt es sich, den Abstand der Hauptgleise gleich einem Vielfachen der gewöhnlichen Gleisentfernung von 4∙5 m zu wählen. Bei Anordnung von Gepäcksteigen zwischen den Gleisen ist ein G. von mindestens 7∙5 m zu wählen.«


Nach alledem nimmt man bei Haupt- und Nebenbahnen den G. auf Stationen im allgemeinen zu 4∙5 m an, sofern nicht die Anlage von Zwischenbahnsteigen, Ladebühnen, Stellwerkbuden, Lichtmasten u. ä. eine größere Entfernung bedingt (s. Bahnsteig).

Für Kleinbahnen schreiben die Grz. im § 30 folgendes vor:


»Auf Stationen vollspuriger Bahnen, auf welche Wagen der Hauptbahn übergehen, ist ein G. von 4∙0 m noch zulässig. Für Gleise, zwischen denen eingestiegen wird, ist ein Abstand von 4∙5 m zulässig. Auf Vollspurbahnen, auf welche Wagen der Hauptbahn nicht übergehen, und auf Schmalspurbahnen soll der G. mindestens gleich der um 0∙6 m vermehrten größten Wagen- oder Ladebreite sein.«


Die G. auf den Stationen der nicht dem VDEV. angehörenden Eisenbahnverwaltungen sind im allgemeinen geringer. In Frankreich behält man auf den Bahnhöfen für die Hauptgleise vielfach den auf der freien Strecke vorhandenen Abstand (3∙5 m) bei, abgesehen von einzelnen Fällen, in denen man ihn wegen der Einlegung von Drehscheiben vergrößert hat. Nebengleise erhalten von benachbarten Hauptgleisen meist einen G. von 4∙0 m, im übrigen unter sich einen solchen von bis herab zu 3∙5 m. Auch auf den Bahnen in den Vereinigten Staaten von Amerika sind die G. auf den Stationen selten größer als 4 m. Da dort an Güterschuppen zuweilen eine Reihe von Gleisen angeordnet wird, an denen ohne die in Deutschland üblichen Zwischenladebühnen durch mehrere Wagen durchgeladen wird, so gehen in solchen Fällen die G. zuweilen sogar bis auf 3∙3 m herab.

Literatur: Hb. d. Ing. W. V, 4, 2.

Giese.

Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 5. Berlin, Wien 1914, S. 328-330.
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328 | 329 | 330
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